Breitbandkabel ersetzt Telefonfestnetz
Die Kabel-TV-Branche reagiert auf den Wettbewerb durch das Internet-TV der Telefonkonzerne und schlägt zurück.
Deutschlands TV-Kabelnetzbetreiber gehen zunehmend selbstbewusst in den Wettbewerb mit der Telekom und anderen Telefonieanbietern, auch wenn diese mit Internet-TV (IPTV) über ihre DSL-Netze in der klassischen Domäne der Kabelbetreiber wildern.
Peter Charissé, Geschäftsführer des Kabelverbands ANGA, sagte es am Dienstag dieser Woche auf der Euroforum Konferenz „Zukunft TV-Kabel“ klipp und klar: „IPTV als DSL-TV über die Telefonleitung lässt uns kalt.“ Das sei für den Zuschauer nur interessant, wenn es interaktive Zusatzanwendungen über das Internet gebe. „Und da hat der die Nase vorne, der die höchste Bandbreite hat“, weist er auf den Vorteil der TV-Kabelnetze hin.
Die historisch gewachsene Realität in Deutschland sieht allerdings anders aus: „Im Gegensatz zu anderen Industrieländern spielt das Breitbandkabel bei den Internetzugängen derzeit noch eine untergeordnete Rolle“, bestätigte Adrian von Hammerstein, Chef des größten Kabelnetzbetreibers Kabel Deutschland (KDG). Das habe aber historische Gründe, da die Deutsche Telekom als ursprüngliche Eignerin der TV-Kabelnetze kein Interesse an dieser Form des Internetzugangs hatte. „Damit hat es in Deutschland bisher den in anderen Ländern üblichen Wettbewerb der Internetinfrastrukturen nicht gegeben“, sagte v. Hammerstein.
Doch die Kabelbranche hat aufgeholt: Mit Investitionen, die alleine bei KDG in 2007 gut 218 Mio. € ausmachten, hat sie ihre Netze aufgerüstet und den für den Internetzugang so wichtigen Rückkanal geschaffen. Thorsten J. Gerpott, Professor für Unternehmens- und Technologieplanung an der Uni Duisburg-Essen: „Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Internetanschlüsse über Breitbandkabel die Millionengrenze überschritten.“ Das ist angesichts der 18,7 Mio. DSL-Anschlüsse noch relativ wenig, aber: „Die Telekom ist am Ende, die Kabelnetzbetreiber fangen erst an – was die verfügbaren Bandbreiten angeht“, sagte Markus Schmid, COO des Kabelnetzbetreibers Tele Columbus.
Und er ist überzeugt, den Marktanteil des Kabels im Internetmarkt kräftig steigern zu können: „Wir haben erst 20 % des Umstiegspotenzials realisiert.“ Durch den Wettbewerb unter den DSL-Anbietern gebe es eine „erlernte“ Wechselbereitschaft bei den Kunden. „Und die kommt auch uns zugute“, ist er überzeugt.
Noch selbstbewusster tritt Klaus Thiemann, Chef von Kabel Baden-Württemberg, auf: „In wenigen Jahren wird der Breitbandanschluss der Regelanschluss, das Telefonfestnetz wird wegfallen“, ist er überzeugt. In Japan z. B. gebe es schon heute Zugänge mit 100 Mbit/s und auch in Deutschland sieht er den Trend zu höheren Bandbreiten.
Im schnellen VDSL-Netz der Telekom sieht Thiemann nur eine „Übergangstechnologie“, die zudem auf große Ballungsgebiete beschränkt bleibt. „70 % der Bevölkerung leben in Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern“, erläuterte Thiemann. Und da habe selbst die Telekom keine volle Flächenabdeckung mehr, von deren Wettbewerbern ganz zu schweigen.
Also geht Thiemann gerade diese Märkte aggressiv an: „In den nächsten zwei Jahren ist hier noch kräftiges Wachstum drin, dann ist der Markt verteilt.“
Von der Bezeichnung „Triple-Play“ für die Verbindung von Kabel-TV, Internet und Telefonie hält Thiemann übrigens nichts: „Wir nennen das einfach nur CleverKabel. Damit etablieren wir eine starke Marke, die auch ältere Kunden verstehen.“ Ein übersichtliches Preismodell tue dann sein Übriges.
Eine Argumentation, die auch Tele- Columbus-Manager Schmidt überzeugt: „Der technische Leistungsvergleich zwischen Kabel und DSL ist eindrucksvoll, sagt aber nicht alles. Das TV-Kabel steht auch für Einfachheit: Bei uns gibt es TV und Internet so einfach wie Strom und Wasser.“
Und das Geschäft mit TV-Inhalten, auf das ja Telefonkonzerne wie Telekom, Alice oder Arcor auch zur CeBIT wieder setzen? Am positivsten sieht das noch Peter Weber aus dem Justiziariat des ZDF: „Mit IPTV tritt neben Kabel, Satellit und Terrestrik ein neuer Übertragungsweg. Das ist zu begrüßen, weil er Wettbewerb schafft und uns interessante Konditionen bietet.“
Für Richard Pohl von der Ewt-telecolumbus-Gruppe aus Augsburg ist IPTV dagegen „fast so überflüssig wie ein Kropf, wenn man bedenkt, wie schwer es ist, Digital-TV überhaupt in den Haushalten zu etablieren. Wir haben analog ein so gutes Angebot beim Kunden, dass der Anreiz zu neuen Angeboten nicht da ist.“
Und Hans-Joachim Kamp, Chef der deutschen Philips GmbH, sieht sich in dieser Diskussion vor allem als Anwalt des Verbrauchers: „Wenn der zu seinem schönen Flachbild-TV eine Settop-Box stellen soll und dann noch mit zwei Fernbedienungen agieren muss, ist er frustriert.“ Kamp fordert daher offene, zukunftssichere Standards auf allen Ebenen. Auch sollten sich die Netzbetreiber aus dem Geschäft mit Settop-Boxen heraushalten: „Wenn ein Kunde von Baden-Württemberg nach Hamburg zieht, kann er alles wegschmeißen, das ist nicht im Sinne des Verbrauchers.“ JENS D. BILLERBECK
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