„. . . bitte kommen, over“
VDI nachrichten, Berlin, 12. 3. 04 -Während Europäer eher massenweise Kurzmitteilungen verschicken, sprechen Amerikaner lieber Walkie-Talkie-gleich direkt über ihr Handy per Knopfdruck. „Push-to-Talk“ heißt der dortige Service, der die Lücke zwischen SMS und Anruf füllen soll. Handyhersteller wie Motorola, Nokia, Siemens und Sony Ericsson wollen ihn auch in Europa einführen. Doch die Netzbetreiber hierzulande halten sich über ihre Pläne für den neuen Service bedeckt.
Fahrradkuriere in New York benutzen den Service seit Jahren, um mit ihrem Auftraggeber ständig Kontakt zu halten. Push-to-Talk (PTT) hilft aber auch im US-Büroalltag Teambesprechungen einzuberufen und im Nightlife Verabredungen mit mehreren Freunden zu koordinieren. Ein kleiner Button an der Handyseite macht es möglich, dazu kommt eine spezielle Software im Handy sowie eine extra Benutzerführung, die anzeigt, wer gerade „push-to-talk-bereit“ ist.
Solche Walkie-Talkie-Handys nutzen Amerikaner schon seit Ende der 90er Jahre. Hält man den Knopf gedrückt, kann man mit einem oder mehreren Teilnehmern sprechen. Lässt man ihn los, folgt je nach Auslastung des Netzes mit mehr oder weniger Zeitverzögerung die Antwort. Reichweite: landesweit.
Lange mussten sich Amerikaner wegen des proprietären PTT-Standards mit wenigen Handys zufrieden geben. Sie funktionierten nur in den Netzen des Betreibers Nextel, der Nr. 6 unter den US-Mobilfunkbetreibern. Dies soll in Europa anders werden. Hersteller wie Motorola, Nokia, Ericsson und Siemens wollen ab Sommer nicht nur die Netze für PTT aufrüsten, sondern auch neue Walkie-Talkie-Handys anbieten. Noch jedoch lassen die Netzbetreiber nichts über ihre Push-to-Talk-Pläne verlauten.
„Eine Art Voice Instant-Messaging ist der neue Service“, erläutert George Kilpatrick, Business Development Director für PTT bei Motorola. Der amerikanische Mobilfunkriese hat bereits 1997 PTT als erster Ausrüster in den USA eingerichtet. Motorola stellt nun auch für Europa Technik und ein erstes PTT-Handy mit extra Menü und integrierter freihändiger Bedienung durch Lautsprecher für GSM-Netze vor.
Noch funktioniert das V400p mit einer speziellen Software auf Symbian- Basis. Auch Nokia – die Finnen haben im vergangenen November ihr erstes Push-to-Talk-Handy 5140 vorgestellt und wollen bis Sommer den europäischen Markt versorgen – arbeitet noch mit einer spezifischen Software.
Darüber hinaus will Siemens mobile zur CeBIT in Hannover ein neues PTT-Handy einführen. Es soll ohne speziellen Button funktionieren, jedoch mit entsprechender Benutzeroberfläche ausgerüstet sein.
„Im März testen wir, wie verschiedene Handys mit den unterschiedlich ausgestatteten Netzwerken zusammenspielen“, verrät Michael Bongartz. Danach rechnet der Product Manager PTT bei Siemens mobile, die derzeit weltweit sieben Tests bei Mobilfunkunternehmen betreut, mit einer intensiven Testphase des Dienstes der Netzbetreiber untereinander. Ziel ist es, den Dienst in Europa ab Herbst einzuführen.
Alle Hersteller, darunter Motorola, Nokia, Ericsson und Siemens, haben sich bereits vor sechs Monaten auf eine gemeinsame PTT-Spezifikation geeinigt. Derzeit wird über die Open Mobile Alliance (OMA) über einen Standard verhandelt. „Wir schätzen, dass er in diesem Jahr verabschiedet wird“, sagt Tapio Heikkilä, Leiter des PTT-Entwicklungsteams von Nokia.
Rund 30 Tests mit Nokia-Technik liefen derzeit weltweit bei Mobilfunkunternehmen, so Heikkilä. Diese müssten lediglich ihre GPRS- oder UMTS-Netze je Nutzerzahl mit wenigen Servern ausstatten. Damit lassen sich dann Kundendaten samt Zugangsrechten verwalten und die Zugehörigkeit zu Gesprächsgruppen sicherstellen.
Über die neuen Netzkomponenten wird Übertragungszeit reserviert, IP-Pakete geroutet und die Bezahlung geregelt. Auf 500 000 € schätzt Kilpatrick von Motorola die Investition, „wenn 50 000 Abonnenten mit dem neuen Service versorgt werden sollen“.
Für Bongartz von Siemens mobile ist PTT nur ein erster Service, der auf dem neuen IP-Multimedia Subsystem (IMS) der Netzbetreiber laufen soll. „Die Investition hängt davon ab, wie viele unterschiedliche Services für wie viele Nutzer laufen sollen.“
Noch lassen Ankündigungen europäischer Netzbetreiber auf sich warten. Kilpatrick und Heikkilä erwarten jedoch im zweiten Quartal die Entscheidungen für PTT. Im Spätherbst dann den kommerziellen Start des neuen Walkie-Talkie-Dienstes.
NIKOLA WOHLLAIB
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