Telekommunikation 02.06.2000, 17:25 Uhr

Betrug und Wechsel drücken Margen der Telefonanbieter

Telefonbetrüger und Kunden, die häufig den Anbieter wechseln, werden für die Betreiber von Fest- und Mobilfunknetzen immer mehr zum Problem. Sie greifen deswegen verstärkt zu integrierten Managementlösungen, um den Missstand in den Griff zu bekommen.

Anfang des Jahres schlug die Sonderkommission „T-Stuben“ der Hannoveraner Kriminalpolizei zu. Zeitgleich stürmten 120 Beamte in Niedersachsen 18 Wohnungen und nahmen 13 Tatverdächtige fest. Der Vorwurf: Fast ein Jahr lang sollen sie in der Leine-Stadt rund 650 illegale Telefonstuben betrieben haben und die Deutsche Telekom um 20 Mio. DM geprellt haben. Kunden waren fast immer Asylbewerber. Ihnen wurden kostengünstige Telefonaten in ihre Heimat angeboten.
Die Steuerung der Organisation erfolgte aus dem Libanon. Dort wurden ebenfalls Telefonstuben eingerichtet und Gespräche rund um den Erdball vermittelt. Der Trick: Per moderner ISDN-Technik ließ sich problemlos eine Standleitung in den Libanon schalten und Telefonistinnen vermittelten die Kunden dann weiter. Die Telefongebühren liefen so nicht in Beirut auf, sondern in Hannover. Flatterte nach einem Monat die erste Rechnung der Deutschen Telekom in Briefkasten der angemieteten Wohnung, hatte sich die Telefonmafia schon längst aus dem Staub gemacht und firmierte unter neuem Namen im nächsten Stadtteil.
Das Bundeskriminalamt registriert inzwischen eine rapide Zunahme dieser neuen Form der Wirtschaftskriminalität. Global werden die Ausfälle durch Missbrauch jeder Art, im Fachjargon „Fraud“ genannt, für das Jahr 1998 nach Angaben der britischen Consultingfirma Fraud Management Limited auf mehr als 15 Mrd. DM geschätzt.
Auch wenn kaum ein Netzbetreiber offen darüber spricht: Im Hintergrund arbeiten sie alle mit Fraud-Management-Systemen. Sie sollen Abweichungen aufspüren und kriminelle Aktivitäten schon im Ansatz erkennen. Dazu werden mit Methoden der Datenanalyse, Verfahren der künstlichen Intelligenz oder stochastisch-statistische Methoden die Kommunikations- und Abrechendaten genau unter die Lupe genommen. Diese Systeme überprüfen beispielsweise, ob zur gleichen Zeit Gespräche unter der gleichen Nummer von zwei verschiedenen Handys geführt werden. „Doch nicht nur Betrügereien kleineren oder ganz großen Stils drücken auf die Gewinnmargen, sondern auch diejenigen Kunden, die mehr oder weniger regelmäßig ihren Provider wechseln“, weiß Jürgen Hien, Leiter des Geschäftsbereichs Telco der Bull GmbH in Langen.
In Europa verlassen jährlich rund 25 % aller Mobilfunkkunden ihren Anbieter, in den USA gar 30 %. Und diese hohen Wechselraten (neudeutsch: Churn-Rate) werden angesichts immer attraktiverer Umstiegsangebote und kürzerer Vertragslaufzeiten in den kommenden Jahren weiter steigen und auch im Festnetzbereich – vor allem, wenn man seine Nummer bald mitnehmen kann – deutlich zunehmen.
Jürgen Hien hat eine konkrete Beispielrechnung aus den USA parat: „Ein Netzbetreiber mit 1,5 Mio. Kunden, einem jährlichen Teilnehmerzuwachs von 30 %und einer Churn-Rate von 20 % kann rund 150 Mio. Dollar an zusätzlichem Gewinn im Jahr erzielen, wenn er die Abwanderungsquote um nur ein Prozent drückt“.
Der Bull-Experte fordert integrierte Lösungen und keine Einzelmaßnahmen. Obwohl Churn-Management ganz andere Zielrichtungen als die Fraud-Erkennung habe, basiere es letztlich auf dem teilnehmerindividuellen Kommunikationsverhalten im Zusammenklang mit den Kunden- und Vertragsdaten. Hien: „Eine Systemarchitektur, die für Fraud-Management geeignet ist, lässt sich daher synergetisch um ein Churnmodul erweitern.“ Voraussetzung dafür sei allerdings ein einheitliches „Case Management“, das in der Lage ist, Informationen aus den verschiedenen Applikationen zusammenzuführen und über eine graphische Benutzerschnittstelle darzustellen. BERNHARD MÜLLER
Kriminelle Umtriebe und untreue Kunden kappen die Margen der Telefonbetreiber. Software soll helfen, Betrüger zu fassen und Kunden zu halten.

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