Betriebssystem: Stromsparzentrale für Computer
Bei energiesparender Informationstechnik, kurz Green IT, denken viele an weniger Stromverbrauch durch eine geschicktere Nutzung der vorhandenen Hardware. Doch langsam setzt sich die Einsicht durch, dass nicht nur diese Virtualisierung genannte Ressourcenverwaltung, sondern auch andere Software erheblich dazu beitragen könnte, den Energieverbrauch von Informationstechnik zu optimieren. VDI nachrichten, München, 18. 12. 09, swe
Längst haben bestimmte Green-IT-Technologien einen Siegeszug durch die Welt der Datenverarbeitung angetreten: Energiesparmodi bei Geräten oder die Virtualisierung im Rechenzentrum. Der einfache Grund: Sie versprechen weniger Energieverbrauch, bessere Auslastung, einen geringeren Hardwarebedarf und daher weniger Kosten.
Ein weiteres Energiesparpotenzial ist noch fast unangetastet: Entsprechend gestrickte Betriebssysteme und Anwendungen können voraussichtlich viel dazu beitragen, den Stromverbrauch weiter zu senken. Das Thema ist weitgehend unbeackert, seine Erforschung beginnt jetzt erst.
Einer der Vordenker ist die Arbeitsgruppe „Software und Green IT“ der von Politik und Industrie getragenen deutschen Green-IT-Allianz. Geleitet wird sie von Sun Microsystems, wo man sich im Projekt „Tesla“ darum bemüht, das hauseigene Betriebssystem Opensolaris umweltfreundlicher zu gestalten.
Sun will das Betriebssystem so steuern, dass Abläufe auf einzelnen Prozessorkomponenten gebündelt werden, wenn das System nicht voll ausgelastet ist. So können sich andere, nicht belastete Komponenten abschalten.
Auch der Systemtakt (Clock) bietet bei Unix und seinen Ablegern, zu denen Opensolaris gehört, Ansatzpunkte zur Verbesserung: Der Takt aktualisiert mit 100 Hz den Systemzustand – und weckt dadurch ein ansonsten „schlafendes“ Gerät immer wieder zumindest teilweise auf.
Sun möchte nun diese Grundlast durch eine „Tickless Clock“ beseitigen. Statt in einem bestimmten Takt soll sie den Status der Komponenten nur noch dann abfragen, wenn vordefinierte Ereignisse eintreten.
Betriebssystem-Marktführer Microsoft kann sich diesem Öko-Trend nicht entziehen. Er hat bereits neue Stromsparmechanismen in Windows 7 eingebunden. „Timer-Coalescing“ heißt eine Technik: Sie soll Aufgaben am Stück und ohne Interrupts erledigen, jene Unterbrechungen, die auftreten, wenn das Betriebssystem mehrere Aufgaben stückweise abarbeitet. Effekt auch hier: Das schlafende System wacht nicht viele Male wieder auf.
Ihr Stromsparpotenzial entfaltet eine Betriebssystemsoftware erst dann, wenn zukünftig Anwendungen so geschrieben werden, dass sie von den vorhandenen Mechanismen optimalen Gebrauch machen. Ein Beispiel ist, Anwendungsteile komponentenweise nur dann anzuschalten, wenn sie gerade benötigt werden. Das muss das Betriebssystem natürlich unterstützen. Sun bezeichnet diesen Ansatz als asynchrone Software.
Ein anderer möglicher Ansatz wäre, vorhandene Hardwareressourcen auch tatsächlich auszunutzen- zum Beispiel mehrere vorhandene Prozessoren in einem System. Doch das parallele Programmieren steckt selbst noch in den Kinderschuhen. Den selbstverständlichen Umgang mit diesen Techniken zu üben dürfte eine der wichtigsten Aufgaben der nachwachsenden Programmierergeneration werden.
Mit diesem Thema, angewandt auf das Hochleistungscomputing (HPC), befasst sich Cool Computing, ein Teilprojekt der vor einigen Monaten in Sachsen gestarteten Green-IT-Forschungsinitiative Cool Silicon. In HPC-Umgebungen arbeiten oft Hunderte Prozessoren an einem Problem.
„Da sich die Rechenknoten wechselseitig beeinflussen, wäre es aus energetischer Sicht optimal, wenn sie sich gegenseitig und das Betriebssystem über ihre jeweiligen Aktivitäten informieren würden“, sagt Ralph Müller-Pfefferkorn, Abteilungsleiter Zentrale Infodienste am Hochleistungsrechenzentrum der TU Dresden. Das Ziel ist, nicht benötigte Einheiten abschalten zu können.
Zurzeit arbeitet man daran, den Aufgabenzeitplaner (Scheduler) des Betriebssystems Linux so zu verändern, dass inaktive Rechnerkerne heruntergefahren werden können. Gleichzeitig sollen die Anwendungen direkt miteinander und mit dem Betriebssystem kommunizieren. Grundlage dafür soll ein erprobtes, HPC-typisches Protokoll für den Datenaustausch zwischen Computern innerhalb eines Clusters sein, das Message-Passing-Interface.
Außerdem erforschen die Dresdner Wissenschaftler, welche Stromverbräuche die einzelnen Aktivitäten einer Software verursachen. „Bisher können wir nicht auf die einzelnen Einheiten zugreifen, weil die Schnittstellen dafür fehlen“, erklärt Müller-Pfefferkorn. A. RÜDIGER
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