Bei Anruf Vertrag
Immer mehr Handy- und DSL-Kunden werden telefonisch belästigt, um neue Verträge abzuschließen oder Änderungen vorzunehmen. Verbraucherschützer fordern daher vom Gesetzgeber „schärfere Sanktionen“ gegen Unternehmen, denen illegale Werbepraktiken nachgewiesen werden.
Täglich passiert es in Deutschland. Zu Hause klingelt das Telefon. „Wir haben speziell für Sie ein sehr günstiges Angebot!“, quasselt der unbekannte Anrufer drauflos, „unser neuer Telefontarif ist extrem günstig!“ Frecherweise folgen SMS, E-Mails, gar schriftliche Verträge.
Diese bösartigen Überfälle dienen immer nur dem einen Zweck: Geld her! Die mitleidlosen Täter arbeiten für Konzerne mit seriösem Ruf. Mobilfunk- und DSL-Anbieter gehören dazu: Obwohl werbende Anrufe ohne Einwilligung des Opfers im Juli vor drei Jahren wohlweislich im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb schlichtweg verboten worden sind, grassiert diese Methode und erreicht auch schon mal die Qualität einer Straftat.
Die Art des Kundenfangs nennt Klaus Müller „rüde und unverschämt“. Der Chef der nordrhein-westfälischen Verbraucherzentrale spricht von einer „modernen Pest“.
Mit der ist auch Margit H. aus Düsseldorf widerwillig fast infiziert worden. Vom Call-Center der E-Plus Service GmbH & Co KG wurde sie angerufen: Ob sie nicht ihren Vertrag auf „BASE“ umstellen wolle? Sie lehnte ab und bat, sie nicht mehr zu belästigen. Vergeblich. Auf diesem Ohr blieben die Häscher taub. Sie belästigten die Frau wieder.
Ihr höflicher, aber klarer Widerspruch schien zu wirken ihr wurde versprochen, ihren Namen „von der Liste zu nehmen“. Dass das eine Floskel war, erfuhr sie einen Tag später. Gleich morgens ging auf ihrem Handy eine SMS mit der dreisten Behauptung ein: „BASE: Herzlichen Glückwunsch! Sie haben BASE gewählt. Schon ab der nächsten Stunde genießen Sie die unbegrenzte Redefreiheit von BASE.“ Drei Tage später folgte die Steigerung.
In einem Brief las Margit H. wörtlich: „Vielen Dank, dass Sie sich für einen Vertragsabschluss im BASE 2 Tarif entschieden haben. Wie vereinbart wurde der Tarifwechsel durchgeführt¿“
Klaus Müller von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kennt solche Machenschaften bestens: „Von Flensburg bis Konstanz ist das Unterschieben von Tarifen gang und gäbe.“ Es werde „von den Mobilfunkanbietern auf ein breites Massengeschäft“ abgezielt. Dabei werde ein klares „Nein!“ nicht mehr akzeptiert. Und: BASE sei leider kein Einzelfall.
Ob Vodafone, O2 oder Debitel, ob Festnetzanbieter wie Arcor oder Hansenet – sie alle scheinen diese Form der Cold Calls, der unerwünschten Telefonwerbung, zu nutzen. Nicht zu vergessen: die Deutsche Telekom mit ihren Töchtern.
„Mit aggressiven Methoden wollen Telekom & Co. Kunden rekrutieren“, so titelte der Hessische Rundfunk eine Sendung. Darin berichtet die 52-jährige Annette K. aus Frankfurt, sie sei von T-Online wegen eines DSL-Anschlusses immer wieder angerufen worden, obwohl sie sich schriftlich dagegen verwahrt hatte. Die Quittung war eine Rechnung für einen DSL-Anschluss. Das Fernsehmagazin „report München“ spricht von „Wildwest auf dem Telefonmarkt“. Es gehe um Milliardenumsätze: „Die Jagd auf den Kunden findet am Telefon statt.“
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg berichtet aus einer Umfrage: Unerwünschte Anrufe von CallCentern oder durch Bandansagen kennen 94 % aus eigener Erfahrung. Betroffene berichten von Telefonterror oder Beleidigungen, wenn sie nicht auf Werbeangebote eingehen. Besonders häufig waren Anrufe von Telefonanbietern, die Verbraucherinnen und Verbraucher zum Vertragsabschluss bewegen wollten und oder gar Verträge „untergeschoben“ haben.
„Nach unserem Eindruck hat die Deutsche Telekom die Kontrolle über ihre Vertriebsmitarbeiter und Call-Center verloren“, so kritisiert es Patrick von Braunmühl, Fachbereichsleiter im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Bei den Beratungsstellen häufen sich die Beschwerden: Telekom-Mitarbeiter drängen Kunden angeblich günstigere Telefontarife auf. Lehnen diese ab, bietet man die Zusendung von Informationsmaterial an, schickt allerdings eine Auftragsbestätigung.
Rechtsanwältin Helke Heidemann-Peuser ist Juristin im vzbv und dort Leiterin der Abteilung „Rechtsdurchsetzung“. Sie pflichtet ihrem NRW-Kollegen Müller bei, der bei der Politik einen „strukturellen Handlungsbedarf“ sieht und für derlei Manipulationen Bußgelder im Gesetz fordert: „Es muss weh tun!“ Dem „rasanten Anstieg von Beschwerden“ sieht sich denn auch Heidemann-Peuser relativ hilflos gegenüber. „Wir haben ein Klagerecht und mahnen die Unternehmen auch ab. Wenn die ihre Unterlassung erklärt haben, werden bei einer Wiederholung bis zu 250 000 € Ordnungsgeld fällig. Das müssen wir aber erst von einem Gericht festsetzen lassen. Die Beträge, die dabei herauskommen, sind oft nicht abschreckend.“
Folgerichtig fordert die Juristin „schärfere Sanktionen“ vom Gesetzgeber. Denn für den Verbraucher, wie im Fall der Margit H., entstehe eine vertrackte Situation. Selbst wenn der Anruf illegal ist, könne daraus ein rechtsgültiger Vertrag entstehen. Der bindend wird, wenn der Kunde ihn schweigend hinnimmt. Die Anwältin rät zum Widerspruch, den Frau H. auch sofort formuliert hat. Aber so was raubt Kraft, kostet Nerven und Zeit. Einen „Bearbeitungsfehler“ räumt E-Plus beim nicht gewünschten Tarifwechsel ein und „bedauert“ die Umstände.
Unerbetene Telefonwerbung muss als Ordnungswidrigkeit gewertet und von der Bundesnetzagentur mit drastischen Bußgeldern geahndet werden können, fordern die Verbraucherschützer. Sie wollen erreichen, dass bei unzulässiger Werbung keine Vertragsbindung entsteht.
Und sie wollen Gewinne bei den Unternehmen abschöpfen lassen, denen grobe Fahrlässigkeit bei ihren illegalen Marketing- oder Werbepraktiken nachgewiesen wird. Die sind gefährlich nahe an der strafrechtlichen Grenze zum bewussten und gewollten Betrug. Es wäre keine Premiere, wenn aus dem Anruf eines „Drückers“ ein Fall für den Staatsanwalt wird. EBERHARD PH. LILIENSIEK
Tipps gegen unerbetene Werbeanrufe
Unter dem Motto „Kein Abschluss unter dieser Nummer“ bieten Verbraucherzentralen verschiedener Bundesländer ihre Hilfe („Wir haben was dagegen“) gegen unerbetene Werbeanrufe an. Dazu gehört ein ausdruckbarer Fragebogen, der neben dem Telefon liegen sollte.
Der Rat: Stellen Sie dem Anrufer viele konkrete Fragen, auch wenn er ausweichen will: Mit wem spreche ich bitte? Wie ist Ihr Name? Für welches Unternehmen rufen Sie an? Im Zweifel bitte buchstabieren lassen. Was ist der Grund Ihres Anrufs? Sagen Sie abschließend sinngemäß: „Rufen Sie mich nicht wieder an und löschen Sie alle Daten von mir. Ich habe kein Interesse an Ihren Produkten/Dienstleistungen.“ Notieren Sie danach auch Datum und Uhrzeit des Anrufs. Versuchen Sie sich zu erinnern: Haben Sie sich im Vorfeld einverstanden erklärt, von dieser Firma angerufen zu werden?
Diese konkreten Angaben brauchen die Verbraucherzentralen, damit sie handeln können. Kontrollieren Sie Ihre Kontoauszüge. Sollten Beträge bereits abgebucht worden sein, widersprechen Sie der Abbuchung bei Ihrem Kreditinstitut. Die Telefonwerbung ist strafrechtlich oft eine straflose Vorbereitung zum Betrug. Sollte aber ein (finanzieller) Schaden entstanden sein, erstatten Sie im Zweifel eine Strafanzeige. pbd
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