Aus für letzte deutsche Handyfabrik
VDI nachrichten, Düsseldorf, 18. 1. 08, rb – Mitte 2008 schließt Nokia seinen Produktions- und Entwicklungsstandort für Handys in Bochum. Auch die hochautomatisierte Fertigung im Ruhrgebiet sei im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig, argumentieren die Finnen. Allen niedrigen Arbeitskosten und geflossenen Fördermitteln hierzulande zum Trotz geht die Produktion nach Ungarn und Rumänien.
Kaum ein Jahr nachdem das letzte Handy in Kamp-Lintfort die Fertigungslinien von BenQ Mobile verlassen und 3000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben, gerät der Mobilfunk-Standort Deutschland erneut in die Schlagzeilen. Bis Mitte des Jahres will Nokia Fertigung und Entwicklung in Bochum vollständig schließen. Das bedeutet nach BenQ Mobile und Motorola in Flensburg das Aus für die letzte Handyproduktion in Deutschland und den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen – bei Nokia in Bochum sind 2300 Mitarbeiter beschäftigt, weitere Arbeitsplätze werden bei Zulieferern und Logistikunternehmen verloren gehen. Laut IG Metall könnten es mehr als 4000 sein.
„Das ist eine Katastrophe für Bochum“, sagte die IG-Metall-Gewerkschaftsbevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm. „Es ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, dass ein Unternehmen, das hier so viel Geld verdient hat, den Standort schließt“, kommentierte die Arbeitnehmervertreterin, die im Aufsichtsrat von Nokia Deutschland sitzt.
Fakt ist: Nokia hat in Bochum eine hochautomatisierte Fertigung aufgebaut, die Arbeitskosten bei der Handyproduktion liegen hier weit unter 5 %. Zudem haben gerade die Finnen im letzten Jahr ihre Führungsposition im Markt ausgebaut. Allein im dritten Quartal verkaufte der Konzern weltweit 110,2 Mio. Handys und vergrößerte seinen Marktanteil auf 38,1 %. Dank Kostenmanagement und einer globalen Vertriebsstrategie sei auch die Gewinnspanne bei Nokia gestiegen, argumentieren Analysten von Gartner. Dennoch erklärte Veli Sundbäck, Aufsichtsratsvorsitzender von Nokia: „Im internationalen Vergleich ist Bochum nicht wettbewerbsfähig.“ Die „allgemeinen Kosten“ in Deutschland seien zu hoch. Welche das sind, ließ er unbeantwortet. Ohnehin verlange die künftige flexible Handyproduktion mehr manuelle Arbeiten, argumentierte Juha Äkräs, Nokias Personalchef. Und im Gegensatz zum neuen rumänischen Standort Cluj sei es in Bochum nicht gelungen, eine Art Technologie-Village aufzubauen und Zulieferer vor Ort anzulocken.
Ein Teil der Bochumer Massenfertigung soll nach Ungarn verlagert werden. Wie viel Fördermittel für Nokia von Ungarn, Rumänien oder gar der EU fließen, ist offen. Fest steht: Auch hierzulande flossen Gelder. Das Land Nordrhein-Westfalen will nun die Rückforderung von Fördermitteln prüfen. Zwischen 1995 und 1999 habe Nokia rund 60 Mio. € an Fördermitteln allein vom Land kassiert, erklärte Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU).
„Deutschland ist und bleibt ein wichtiger Markt für Nokia“, betonte Sundbäck. Man forsche in Ulm, setze auf Navigation und neue Internet-Services. Einen Imageverlust unter deutschen Käufern fürchtet er nicht. rb
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