AOL startet kostenloses Breitbandprogramm
Während viele Internet-Portale sich in vornehmer Zurückhaltung üben, gab AOL in der vergangenen Woche den Starttermin seines Breitbandangebotes bekannt. In den ersten Septembertagen soll das Portal AOL Plus an den Markt gehen und vom ersten Tag an schwarze Zahlen schreiben.
Längst ist die Euphorie zu breitbandigen Inhalten und Streaming Media samt dazu gehörenden Entertainment-Portalen verflogen. Medienhäuser wie Disney oder Kirch halten sich beim Geschäft mit breitbandigen Inhalten seit den spektakulären Pleiten einiger Start-ups extrem zurück. Umso verwunderlicher, dass AOL Deutschland nach Start seiner DSL-Flatrate zum 1. August jetzt in die Inhaltsoffensive geht. In den ersten Septembertagen soll das neue Breitbandportal AOL Plus innerhalb des Online-Dienstes bereit stehen.
Kostenlos können Nutzer mit schneller Internetanbindung ab 150 kbit/s Trailer von Kinofilmen sehen, die in den USA bereits angelaufen sind. Darüber hinaus stehen Musikclips und Musik über Audio-Dateien zur Verfügung. Zusätzlich können Internetnutzer über schnelle Downloads aus einem breiten Programmangebot mit Nachrichten, Finanzen, Reise, Computer und Spielen wählen. „Damit wollen wir unsere Vorreiterrolle ausbauen und weitere Marktanteile gewinnen“, so Uwe Heddendorp, Chef von AOL Deutschland. AOL als zweitstärkster Online-Dienst mit derzeit 2 Mio. Nutzern in Deutschland, setzt auf eine Umverteilung der Mediennutzung von Radio, Zeitschriften und TV zugunsten des Internet.
Auch T-online – mit laut Burkhard Graßmann, Vorstand Marketing und Vertrieb bei T-online International, „weit über 8 Mio. Nutzern gegen Ende des Jahres“ – will im ersten Quartal 2002 das „vertikale Spezialportal T-Vision mit breitbandigen Inhalten“ starten, so Graßmann auf der IFA in Berlin. Anders als bei AOL sollen Nutzer für viele der Inhalte bezahlen. Erstmalig will T-Online eine Microbilling-Plattform implementieren, um Beträge ab 10 Pf. bis 10 DM oder mehr für „breitbandige Informationsangebote, spezielle Services, Entertainment und Sportangebote“ abrechnen zu können. Zu den Investitionen für T-Vision will sich Graßmann nicht äußern. „Wir werden relativ zügig profitabel sein.“
Als „verschwindend gering“ beziffert AOL-Chef Heddendorp die Investitionen für das neue Streaming-Angebot: „Wir schreiben vom ersten Tag an schwarze Zahlen.“ Nur die Personalkosten von „20 Mitarbeitern in der heißen Phase“ fielen ins Gewicht. „Die Software beziehen wir komplett aus den USA und bis auf das Online Talkshow-Format ‚AOL live’ stellen wir keinen eigenen Inhalte her.“
Die Time Warner Gruppe liefert an AOL Deutschland Filme, Musikvideos, aber auch Musiktitel. „Wir arbeiten zudem mit CBS eng zusammen, mit der Deutschen Presseagentur, Cinema und Musikdienst Sonix“, erläutert Klaus Täubrich, Leiter Content und Produktion bei AOL Deutschland. Für den Ausbau des Breitbandprogramms ab Herbst spricht Täubrich derzeit mit weiteren Inhalteanbietern aus den Bereichen Auto/Motor, News, Sport und Community: „Wir wollen jetzt ein Umfeld schaffen, in dem sich Nutzer zu Themen wie Kino, Video und Musik informieren und unterhalten lassen können, künftig dann Abo-Modelle für den kommerziellen Download von anderen Betreibern integrieren und an den Werbeeinnahmen profitieren“, kommentiert Täubrich das Geschäftsmodell.
Werbeeinnahmen sollen neben E-Commerce die Haupteinnahmequelle des neuen Breitbandportals sein. Nicht einfach in Zeiten, in denen die Erlöse aus E-Commerce längst nicht die Erwartungen erfüllt haben und es eine offensichtliche Krise im Online-Werbemarkt mit sehr zurückhaltenden Kunden gibt. „Die allgemein beklagte, derzeitige Marktabschwächung können wir für uns nicht nachvollziehen“, kommentiert Heddendorp mit Verweis auf guten Zulauf durch Werbekunden und auf die Nutzungsdauer der AOL-Mitglieder, die um „500 % größer ist als beim stärksten Wettbewerber, was bedeutet, dass AOL auch als Werbeplattform effektiver ist.“ Ob allerdings zur Refinanzierung neue Shopping- und Vermarktungsmöglichkeiten durch Webmercials ausreichen, bleibt fraglich.
Ohne schnelle Internetverbindung geht jedoch gar nichts. Wer das neue Inhalte-Angebot sehen will, braucht einen Zugang mit mindestens 150 kbit/s, entweder über ein Firmennetzwerk (LAN), über Kabelmodem, Satellit oder DSL. Momentan wird die Zahl der DSL-Nutzer in Deutschland auf 300 000 bis 600 000 geschätzt. „Wenn Ende des Jahres über 2 Mio. T-DSL-Anschlüsse geschaltet sind, wird eine entsprechende Anzahl davon das neue Breitbandportal nutzen“, drückt sich Graßmann von T-Online vorsichtig zu Nutzerzahlen aus. Mit wie vielen Nutzern AOL Deutschland rechnet, lässt Uwe Heddendorp offen: „Projektionen für unser eigenes Angebot machen wir nie.“
NIKOLA WOHLLAIB