Solarfans ist kein Weg zu weit
Solar- und Elektroautos sind kein Publikumsmagnet mehr. Das spürten deren Enthusiasten auf der Rallye „eva “99″. Sie stehen unter Strom, und die Passanten schauen kaum noch hin.
Keine großen Zukunfts-Illusionen macht sich das Häuflein Solar-Automobilisten unter den Augen des Prinzregenten Luitpold von Bayern. Trotz der belebten Caféhaus-Kulisse um den Rathausplatz des Pfalzstädtchens Lan-dau sind die Jünger des Elektroautos praktisch unter sich. Solarautos oder besser Elektroautos sind derzeit so wenig in Mode wie Reiterstandbilder von Herrschern der Jahrhundertwende. Es tut sich nicht viel Neues in der Solarszene, seit bei den Konzernen die Brennstoffzelle en vogue ist.
„Das Interesse hat abgenommen“, gesteht Bernd Poenicke, Student der Sensorsystemtechnik an der Uni Karlsruhe und Pilot des futuristischen Solar-Einbaums namens Delphin. Mit dem 300 000-DM-Versuchsträger vertrat der 25jährige den veranstaltenden Verein „Solarmobil Karlsruhe“ bei der Elektromobil-Rallye „eva “99″, die am 25. und 26. Juni insgesamt über 170 km führte. Die drei Buchstaben stehen für die Botschaft „elektrisch – vernünftig – alltagstauglich“, die die Studenten mit großem Engagement unter die Leute bringen wollen. Knapp 20 Vehikel sind an diesem ersten von zwei Tagestrips vom badischen Karlsruhe ins pfälzische Landau und retour „gestromert“.
Das recht bescheidene öffentliche Interesse – von den Entzückensschreien nach Hause ziehender Pennäler einmal abgesehen – tut der Überzeugung der Elektro-Automobilisten freilich wenig Abbruch, denn ihre Motive sind so vielschichtig wie die Wicklungen eines Kondensators.
Einbaumfahrer Poenicke, den Studiker-Kopf mit Pferdeschwanz geschmückt, ist primär von der Elektronik des alternativen Automobil-Antriebes fasziniert und denkt an Eigenentwicklungen von Batterietechnik oder Bordcomputer für seine Diplomarbeit. Dafür mehrt der zielbewußte Student sein Wissen derzeit in einem Praktikum – in der Daimler-Chrysler-Brennstoffzellen- Schmie-de DBB.
Ganz andere Ambitionen treiben Dietrich Koch. „Das hier ist eine Demonstration. Wir demonstrieren gegen die organisierte Elektrizität.“ Der Realschullehrer aus der Nähe von Osnabrück hat seinen Trabant ausgeräumt und neu bestückt. Das Kunststoff-Kultauto fährt mit Elektromotor, zehn Bleibatterien und einem Solarpanel Marke Eigenbau auf dem Dachgarten. Seit sieben Jahren bringt es seinen Besitzer Tag für Tag mit der Kraft von 10 kW zu seiner 19 km entfernten Schule.
Lehrer Koch war für die Anfahrt nach Karlsruhe zwei Tage und zwei Nächte unterwegs und sieht in den Energiekonzernen die Schuldigen dafür, „daß die Leute gar nicht wissen, wie gut das alles heute schon funktioniert“. Zum Dienst und zurück ist der E-Trabi „billiger als ein Mofa“, und wenn die Sonne scheint, gibt“s die Energie für die Heimfahrt sogar kostenlos.
Die Mehrzahl der eva-Liebhaber sucht indes lieber mit handelsüblichen Elektrofahrzeugen den Beweis für die Alltagstauglichkeit des E-Mobils anzutreten. Je nach Kapitalausstattung und Komfortanspruch der Eigner surren sie auf drei oder vier Rädern durch die Sonderprüfung „Einparken auf Zeit“ zwischen Bananenkisten umher.
Aus dem Großraum Frankfurt kommen zwei Twikes mit 2-kW-Haupttriebwerk und zwei Tretkurbeln als Nebenantrieb, die Stadt Straßburg hat einen Citroën Berlingo und einen Renault Express per Lkw geschickt. Aber letzterer ist mittlerweile genauso vom Markt genommen wie der VW Golf einer Abordnung der regionalen Stromanbieter. Eigentlich war auch ein Vito von DaimlerChrysler mit ultramoderner und -teurer Zebra-Hochleistungsbatterie avisiert, doch die High-Tech-Demonstration scheiterte an einem defekten Ladegerät.
Auch ein Hotzenblitz war da, die tragische Figur der Branche, dem man angesichts heutiger Kleinstwagen zugestehen muß, seiner Zeit einfach zu weit voraus gewesen zu sein. Fahrer Peer Haid faßt sein Votum für den flotten Zweisitzer in einen Satz: „Wenn er nicht läuft, vermißt man ihn.“ Der dritte Satz Batterien treibt den roten Stromer nach fünf Jahren und insgesamt 7800 km. „Das Konzept war auf jeden Fall richtig“, bedauert der Schwabe die allzufrühe Pleite des „Smart“-Vorbildes. Beim MCC Smart selbst wird immer noch spekuliert, inwieweit er diese Erbfolge antritt. Zum Trost: Der Wertverlust eines Hotzenblitz liegt bei vielleicht 15 %. Mag sein, daß er doch nicht so verkehrt war.
Die Sonne scheint, die E-Mobile surren, geräuscharm nähern sie sich dem Rallye-Etappenziel des ersten Tages am Schloß in Karlsruhe. Anschließend geht“s ab 19 Uhr zum Tanken, die Fahrzeuge laden zuerst.
PETER WEIDENHAMMER/WOP
Der Solar-Einbaum „Delphin“ von Solarmobil Karlsruhe e.V. wurde von Bernd Poenicke gesteuert. Der Student der Sensorsystemtechnik ist primär von der Elektronik des alternativen Automobil-Antriebes fasziniert.
Aufladen der Batterien im Pfalzstädtchen Landau war für die Rückfahrt vonnöten.
Der Trabi-Solar ist seit 1992 täglich im Einsatz. Er fährt mit E-Motor, zehn Bleibatterien und einem Solarpanel Marke Eigenbau.
Lehrer Dietrich Koch fährt Tag für Tag mit seinem Solar-Trabi zur 19 km entfernten Realschule. Ein Hotzenblitz fuhr auf die Rallye mit. Sein Besitzer:“Wenn er nicht läuft, vermißt man ihn.“ Er bedauert die frühe Pleite des Smart-Vorbildes.
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