Sitz passt sich dem Menschen an
VDI nachrichten, Kirchheim unter Teck, 12. 5. 06, wop – Recaro gilt als Synonym für Innovationen bei Autositzen. Längst ist ein Recaro-Sitz Kultobjekt flotter Autofahrer und andererseits oft letztes Rezept zur Erhaltung der Mobilität für Menschen mit Rückenproblemen. Das Unternehmen feiert dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen und zeigt mit Sitzneuheiten, dass die Entwicklungspipeline weiter gefüllt ist.
Rinspeed, ein führender Anbieter von exklusivem Autozubehör, Fahrzeugveredelungen, Spezialanfertigungen und Prototypen präsentierte kürzlich ein Konzeptauto mit einer überraschenden Sitzkonstruktion von Recaro. Deren Versuchsabteilung hatte für die Schweizer Firma einen Autositz aus Gelmasse entwickelt, der sich dem Körper perfekt anschmiegt – Zukunftsmusik mit durchaus greifbaren Tönen.
In naher Zukunft könnte es einen Autositz geben, der sich derzeit in der Entwicklung befindet. Er soll sich jedem Menschen, ob klein, groß, korpulent oder schmal, automatisch anpassen und stets in die richtige Position fahren. Der Mythos lebt, das vermittelte der „Jubilar“ am 29. April auf seiner Feier, und genau genommen könnten die Kirchheimer im Jahr 2063 erneut ein 100-jähriges Jubiläum feiern, denn mit den Sitzen begann alles ja erst 1963.
1906 bezeichnete ein Weggefährte des Sattlermeisters Wilhelm Reutter dessen Idee in die Fertigung von Autoteilen einzusteigen als blanken Unsinn. Doch Reutter hatte Mut: Allen Unkenrufen zum Trotz gründete der Stuttgarter die Firma „Reutter, Wilhelm, Sattler. Spezialität: Luxus- und Motorwagen, englische Geschirre“. Von da an ging es bergauf, in seiner Werkstatt entstand sechs Jahre später sogar die patentierte Reutter“s Reform-Karosserie, ein Vorfahre der heutigen Cabriolets.
Rasch verlängerte sich die Liste seiner Karosseriekunden, zu denen u.a. Adler, BMW, Bugatti, Dixi, Fiat, Horch, Maybach, Mercedes-Benz, Minerva, NSU und Opel gehörten. Es handelte sich damals freilich um Kleinserien in der erst aufstrebenden Branche mancher Autobauer ist im Laufe der Zeit wieder verschwunden – Reutter blieb.
Ein großer Wurf wurde von der Firma 1935 vorbereitet: Kein Geringerer als Ferdinand Porsche gab die Prototypen des Volkswagen bei Reutter in Auftrag, die drei Jahre später zu den ersten 40 VW-Käfern führten. Der Krieg machte dem Karosseriebauer einen Strich durch die Rechnung, so dass in den nachfolgenden Aufbaujahren statt flotter Autos dringend benötigte Handwagen und Kleinherde auf dem Produktionsplan standen.
Licht am Ende des Tunnels blitzte 1949 auf: Reutter bekam von Porsche einen Großauftrag zur Fertigung von 500 kompletten Karosserien für den Ur-Porsche 356. Die Zusammenarbeit mit der Zuffenhausener Autoschmiede wuchs stetig, bis es 1963 zu einer einschneidenden Veränderung kam. Porsche nahm die Karosserieproduktion selbst in die Hand.
Reutter wäre vermutlich auf der Strecke geblieben, wenn der Firma nicht ein weiteres Kabinettstück gelungen wäre. Sie firmierte in Recaro um – ein Wortspiel aus Reutter und Carosserien – und widmete sich einem neuen Geschäftsfeld, mit dem Recaro bis heute erfolgreich ist: der Herstellung von Autositzen.
Bereits in den Anfangsjahren purzelten viele gute Ideen aus den schwäbischen Erfinderköpfen: 1965 stellte Recaro den weltweit ersten Sitz mit seitlicher Führung vor. 1968 kam ein Sitz mit einstellbarer Schulterunterstützung auf den Markt und 1971 revolutionierte ein Modell mit integriertem Gurt die Autowelt.
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1969 wurde es noch einmal turbulent: Das Unternehmen fusionierte mit Keiper in Kaiserslautern zur Keiper Recaro Gruppe, heute arbeitet Recaro mit Sitz im schwäbischen Kirchheim unter Teck als selbstständige Spartengesellschaft.
Die Anpassungsfähigkeit der Sitzentwickler unterliegt nicht nur in technischer Hinsicht immer wieder neuen Herausforderungen: Bildete noch in den 80er-Jahren ihr Nachrüstgestühl den Löwenanteil ihres Umsatzes, liefern sie mittlerweile zu 75 % direkt an die Automobilhersteller.
Feine Adressen sind ihre Spezialität: Aston Martin, Ferrari, Lamborghini, Porsche, Jaguar sowie die Spitzenmodelle von Audi, Opel, Ford und VW lassen auf den Kirchheimer Schalen Platz nehmen. Ob puristische Renn- oder bequeme Leichtbausitze, sie erfüllen in Autos, Flugzeugen und Nutzfahrzeugen höchste Sicherheitsansprüche. Auch die lieben Kleinen können schon die Vorteile der ergonomisch gestalteten Mobilitätsmöbel genießen: Kindersitze gehören seit 1998 zum Verkaufsprogramm. GUNDEL JACOBI/WOP
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