„Wir ergänzen die großen Windkraftanlagen“
Konventionelle und Erneuerbare Energien gelten in der politischen Diskussion als Gegensatzpaar. In der wirtschaftlichen Realität zeigt sich, dass es auch miteinander geht: Die Unternehmensgruppe Neuhäuser aus Lünen ist als Bergbau-Zulieferer bekannt, nun engagiert sie sich immer mehr in der Windenergie- und Pflanzenöl-Technologie. Fragen an Unternehmenschef Jürgern Neuhäuser und Geschäftsführer Gürsel Zorlu. VDI nachrichten, Düsseldorf, 19. 6. 09, ps
Neuhäuser: Ich bin offen, ich bin Unternehmer aus Familientradition, und ich will Menschen beschäftigen, hier im Ruhrgebiet. Deshalb setzen wir nun auch auf Windenergie. Wir müssen die Energieproblematik lösen, wobei wir mit der Windenergie und der Bergbautechnik ja beide Male im Bereich Energie arbeiten.
Das klassische Erneuerbare-Energie-Unternehmen ist jung, innovationsgetrieben und auf der Suche nach Kapital oder finanzstarken Kooperationspartnern. Können Sie sich da einordnen?
Neuhäuser: Nur teilweise. Auch wir sind natürlich innovativ – in allen Geschäftsfeldern, nicht nur bei der Windenergie. Aber wir setzen darauf, Neues aus eigener Kraft zu stemmen. Wenn Ihre Frage allerdings dahin geht, dass erneuerbare und konventionelle Energie zwei unvereinbare Welten sind – das sehe ich nicht so. Erneuerbare Energie ist notwendig und viel versprechend, aber ich bleibe auch Verfechter der Kohle. Die wird weiter gefragt sein, da können sich noch andere Anwendungsfelder als heute ergeben. Wenn es gelingt, Kohlendioxid bei der Verbrennung der Kohle abzuscheiden, wird es weiter große Absatzmöglichkeiten für sie geben.
Neuhäuser hat eine lange Bergbau-Tradition…
Neuhäuser: …ja, mein Großvater hat erst Pferde beschlagen und später Bergbaugeräte repariert. Mein Vater, ein Elektroingenieur, hat mit dieser Schmiede das Geschäft mit dem Bergbau ausgebaut und die Produkte entwickelt, mit denen wir Marktführer wurden: die Hängebahntechnik beispielsweise.
Woher kam der Impuls, dass Sie, nun in der dritten Generation, in die Windenergie einsteigen?
Neuhäuser: Ein Ingenieur aus Lünen mit langjähriger Erfahrung beim Bau von H-Rotoren, der seit einigen Jahren bei uns beschäftigt ist, hat uns das Thema vorgestellt. Zunächst ging es um Windkraftanlagen in der Mongolei. Da ich Produktlinien zusätzlich zu unseren anderen Aktivitäten vorantreiben möchte, gerne auch im Energiebereich, lagen gute Startvoraussetzungen vor.
Und dann haben Sie Anlagen entwickelt?
Zorlu: Ja, wir setzen darauf, Kompetenz im eigenen Haus zu haben. Und darauf, den Kunden keine Entwicklungsrisiken aufzubürden. Da sind wir vielleicht anders als andere in der Windbranche. Wir haben die ersten Anlagen gebaut, entwickelt, verbessert – und dann installiert. Unsere Windkraftanlage auf dem Dach des 65 m hohen Technischen Rathauses in München läuft nun seit zehn Jahren, ohne dass wir für Wartungen und Reparaturen angefordert wurden.
Jetzt erst, mit diesen Erfahrungen, gehen wir auf den Markt.
Wie sehen Sie das Interesse für kleinere Windkraftanlagen?
Zorlu: Wir haben bereits jetzt viele Anfragen, auch von Privatleuten. Was fehlt, ist eine effektive, gesetzliche und politische Unterstützung für kleine Windkraftanlagen. Die Einspeisevergütung für diese Anlagen ist im Vergleich etwa zur Solarenergie äußerst niedrig. Die Gesetze sind auf Groß-Windanlagen zugeschnitten.
Liegt es daran, dass Sie mit den Groß-Windkraftanlagen konkurrieren?
Neuhäuser: Nein, sicherlich nicht. Ein Einsatzzweck speziell unserer H-Rotor-Anlagen kann es beispielsweise sein, in Windparks mitten zwischen den großen Anlagen zu stehen und den Strom zu liefern, um die großen Anlagen anzufahren. Dafür beziehen die bisher selbst Strom aus dem Netz. Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, vielmehr ergänzen wir die großen Windkraftanlagen.
Unsere Anlagen kann man außerdem da einsetzen, wo große Anlagen nicht geeignet sind, aufgrund von Abstandsflächen, Gewichten usw. Die geringe Einspeisevergütung liegt wohl daran, dass der Gesetzgeber das Potenzial kleinerer Windkraftanlagen unterschätzt hat.
Ist das überall so?
Zorlu: Nein, in Italien beispielsweise wird Strom aus Windkraftanlagen bis immerhin 200 kW Leistung mit bis zu 30 Cent vergütet. Auch andere Länder vergüten den Strom aus Windkraft viel eher in ähnlicher Höhe wie Strom aus den anderen erneuerbaren Energiequellen wie Solar- oder Biomasse. Da sehen wir Märkte, wobei uns zugute kommt, dass wir mit unseren klassischen Geschäftsfeldern schon stark international orientiert sind. Die Benachteiligung der Windkraft innerhalb der Vergütungsrichtlinien in Deutschland sollte unbedingt behoben werden.
Die Achse Ihrer Windkraftanlagen steht vertikal, bei den großen Windrädern mit Propellern liegt sie horizontal. Ist die Energieeffizienz vergleichbar?
Zorlu: Die vertikale H-Rotor-Technologie erreicht eine höhere Windausbeute, da sie immer optimal im Wind steht. Somit wird keine Zeit mit zusätzlicher Windausrichtung verloren. Das hat eine Reihe weiterer Steuerungselemente überflüssig gemacht. Außerdem kommen wir ohne Getriebe aus, wodurch Energieverluste langfristig reduziert werden. Dies alles führt dazu, dass wir 6 % effizienter sind als herkömmliche, horizontale Anlagen.
Werden Sie die Anlagen selbst bauen?
Neuhäuser: So weit es geht. Natürlich werden wir auch mit Zulieferern zusammen arbeiten, aber Herzstücke wie Generatoren und Steuerungen wollen wir hier herstellen. Wir können bei den Windkraftanlagen auch Kernkompetenzen aus unseren anderen Bereichen nutzen.
Sie haben auch einen Energie-Container entwickelt, der noch im Prototyp-Stadium ist. Was ist seine Besonderheit?
Zorlu: Wir haben zwei Energie-Container-Typen im Programm. Zum einen die Neuhäuser-Hybrid-Container-Lösung, die mittels einer Kombination aus Windanlage, Solarpanel und Dieselgenerator autark Strom erzeugt. Diese erste Lösung haben wir bei Neuhäuser bereits vor einigen Jahren entwickelt, patentieren lassen, zur Marktreife gebracht und haben nun damit begonnen, sie auf den Markt zu bringen.
Unsere zweite Lösung ist die Neuhäuser-Jatropha-Container-Lösung. Sie ist im Prototyp-Stadium. In ihr arbeitet eine Presse, die aus der Nuss der Jatropha-Pflanze Öl gewinnt und raffiniert, das dann im Container gespeichert wird. Das Ganze ist ein komplettes Infrastrukturprojekt auf kleinstem Raum, da es aus dem Öl der Nüsse mit einem Generator auch Strom erzeugen kann. Auf dem Container kann zusätzlich eine unserer kleinen Windkraftanlagen montiert werden. Im Äquatorialbereich kann ein einzelner Container ein Dorf versorgen…
Neuhäuser: …wobei die Dorfbewohner in abseits gelegenen Landstrichen mit dem Energiecontainer wichtige Vorteile haben: Sie können dank der Jatropha-Pflanze echtes Öko-Öl erzeugen, also pflanzliches Öl. Aufgrund ihrer Genügsamkeit kann Jatropha sogar auf trockenen Savannenböden angebaut werden…
Zorlu: …und das Öl ist eines der effektivsten technisch nutzbaren Pflanzenöle. Mit unserem Container können die Menschen in den Anbaugebieten nicht nur die Nüsse verkaufen, sondern direkt das Öl – damit sind sie in der Wertschöpfungskette einen großen Schritt weiter.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Neuhäuser: Über ein sozial engagiertes Netzwerk aus Kirchengemeinden, Hochschulprofessoren und einem Service-Club, in dem ich Mitglied bin, stieß ich darauf, dass in Ländern wie Afrika und Asien ein großer Bedarf für ein solches System besteht. JÖRG WEBER
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