12.02.1999, 17:20 Uhr

Windkraftanlagen drehen sich im Testfeld

Der Startschuß für den ersten Windrad-TÜV im Binnenland fiel am vergangenen Freitag. Im rheinischen Braunkohlerevier werden Windräder auf Herz und Nieren geprüft. Ein kleines Ingenieurteam leistet dabei Pionierarbeit.

An Selbstbewußtsein mangelt es Markus Jansen nicht. „Daß wir gut sind, hat sich bei den Herstellern schon rumgesprochen“, meint der 38jährige Ingenieur und zeigt auf den roten Tieflader der Spedition Colonia. Auf dem Fünfachser lagert ein Turbinengehäuse, weit sichtbar der Schriftzug „Zond“. Von hinten bläst der Wind, der Kragen der Goretex-Jacke fliegt nach vorne.
Wir befinden uns mitten auf der Neu-rather Höhe, wenige Kilometer südlich von Grevenbroich. Unser Standort: Eine bizarre Landschaft. Ringsum aufgerissene, vernarbte Äcker. Rechts von uns sehen wir die noch intakten Energiefabriken des fossilen Zeitalters. Gigantische Braunkohlemeiler blasen helle Dunstschwaden in die kalte Luft. Die Kraftwerke Frimmersdorf und Neurath laufen auf Hochtouren. Keine 600 m links von uns, hinter Stoppelfeldern – die Abrißkante. Dahinter geht es 300 m tief runter, so eine Art rheinischer Grand Canyon. Ein stählerner Schaufelradbagger frißt sich monoton in die Landschaft.
Doch es geht auch anders. Ungefähr 200 m von uns entfernt, dreht sich ein Windrad des Lübecker Herstellers DeWind. Der 600-kW-Rotor produziert seit Sommer vergangenen Jahres eifrig umweltfreundlichen Strom. „Das ist unsere erste Mühle, die wir hier durchchecken“, erklärt Jansen. Insgesamt acht Rotoren mit einer Leistung zwischen 600 kW und bis zu 2,5 MW können auf dem knapp 1 km2 großen Gelände der „Windtest GmbH“ getestet werden.
Die zweite Turbine wird gerade hochgezogen. „Slowly, slowly“, brüllt Thomas Nemilla. Der Techniker der Firma Zond hat eine lange Reise hinter sich, vom sonnigen Kalifornien an den winterlich trüben linken Niederrhein. Auf ein Handzeichen hin korrigiert der Kranführer den Abstand zwischen Mast und Fundament. Nemilla atmet auf, zieht an der Unterkante des Mastes. Millimeterarbeit, der Turm schwingt hin und her. Der Monteur aus Tehachapi und sein deutscher Kollege Mario Bachmann justieren die Bohrungen. Fünf, sechs Monteure packen mit an, Amerikaner und Deutsche, transatlantische Teamarbeit.
Bachmann und Nemilla drücken aufs Tempo, denn der Wind – so die jüngste Wetterprognose – soll stärker werden. In zwei Tagen wird die erste „Z-50“, eine 750-kW-Anlage des amerikanischen Herstellers, auf dem „Alten Kontinent“ aufgebaut sein. Für Jansen eine ganz besondere Premiere. „Die Amerikaner wollen die Turbine hier bei uns für den europäischen Markt zertifizieren lassen“, sagt er.
Wegen der optimalen Windverhältnisse ist im März 1996 die Neurather Höhe von einem bunt gemischten Konsortium als Testgelände ausgewählt worden. Die ehemalige Abraumhalde sei geradezu bestens für umfangreiche Prüfverfahren von Windturbinen geeignet, erzählt Markus Jansen auf der Fahrt zu seinem Büro. Und das befindet sich in einer Bauleitungs-Baracke auf dem Gelände des RWE-Braunkohle-Kraftwerks Neurath. Der Essener Stromriese ist auch mit 25 % an der Test-GmbH beteiligt. Weitere jeweils 25 % halten die Investitionsbank des Landes Nordrhein-Westfalen und der Germanische Lloyd. Der Kreis Neuß und die Stadt Grevenbroich sind mit je 12,5 % bei der Wind-TÜV-Firma eingestiegen.
Nach der Devise Klotzen und nicht Kleckern hat Jansen mit seinem fünfköpfigen Team in kürzester Zeit das erste Testfeld ausschließlich für Binnenlandturbinen direkt neben den größten Kraftwerken des RWE aus dem Boden gestampft. Über ein Jahr haben die fünf Ingenieure, die heute zur Kernmannschaft gehören, Windpotentialmessungen durchgeführt. Parallel dazu mußte ein Flächennutzungplan erstellt werden. „In den ersten sechs Monaten haben wir uns nur mit Baubehörden rumgeschlagen, Gutachten erstellt und immer wieder Anträge neu überarbeitet“, sagt Peter Günther, stellvertretender Leiter der Testgruppe.
An den Wänden hängen großformatige Farbfotos. Szenen vom Aufbau der DeWind-Turbine, Detailaufnahmen von der Montage. „Das war für uns der Einstieg in die praktische Überprüfung der Technik“, erinnert sich Thomas Siebers. Der studierte Schiffbauer hat in den vergangenen Monaten umfangreiche Beanspruchungsmessungen an dem Propeller durchgeführt. Überzeugend, klar und verständlich schildert der 34jährige dem Besucher, warum das Testfeld für die Hersteller wichtig ist.
Die Binnenland-Standorte haben für die Windindustrie eine größere Bedeutung bekommen. Planer und Investoren brauchen verläßliche Daten über die Anlagen, über ihre Energieausbeute im Binnenland. Windenergieanlagen seien hochkomplexe „schwingungsfreudige“ Gebilde, erklärt Testfeld-Chef Jansen. Computersimulationen würden schnell an ihre Grenzen stoßen. „Der Praxistest ist der Ernstfall. Da zeigt sich, was eine Turbine bringt, wo noch Schwächen auftauchen und wie sie sich verbessern und optimieren läßt“, ist sich Jansen sicher.
Die Baracke gleicht einer Kommandozentrale. In den Räumen tauchen unzählige Computer auf, Netzkabel verlaufen kreuz und quer, Analysegeräte summen. Tausende von Daten werden hier auf engstem Raum rund um die Uhr ausgewertet. Zu den Standardprüfungen des Teams zählen die Messung der Leistungskurven, die Kontrolle der Netzverträglichkeit, das Durchführen von Schallemissionsmessungen. Die Techniker verstehen sich als modernes Dienstleistungsunternehmen. „Wir arbeiten eng mit den Herstellern zusammen. Unsere Daten sollen schließlich zu einer Optimierung der Windräder für den Binnenlandeinsatz führen“, betont Günther.
Ein Beispiel aus der Praxis. Direkt neben dem Sekretariat hockt Sascha Engels in einem winzigen Arbeitsraum. Die Metallregale sind vollgestopft mit Monitoren. Über die Bildschirme flackern Kurvenzüge. Engels kennt sie alle, notiert jeden Ausschlag und bastelt an einer wissenschaftlichen Auswertung. Noch studiert er an der Fachhochschule in Jülich. Doch bei Windtest hat er das Thema für seine Diplomarbeit gefunden. „Ich untersuche die Lebensdauer eines Turmes und erforsche, in welcher Form Schwankungen den Turm eines Windrades beeinflussen“, erzählt er. Natürlich sind seine Erkenntnisse für die Hersteller von größter Bedeutung. „Unsere Praxistests sind Laborversuchen weit überlegen“, weiß Teamleiter Jansen.
MICHAEL FRANKEN
Testfeld-Leiter Markus Jansen erwartet weitere Windkraftanlagen. Drei Windräder sind schon im Test, ingesamt acht Anlagen mit bis zu 2,5 MW Nennleistung sollen untersucht werden.

 

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