„Wasser ist hier das Öl des 21. Jahrhunderts“
VDI nachrichten, Bahrain, 24. 9. 04 – Bahrain arbeitet mit Hochdruck daran, den Wohlstand in Gewinn bringende Projekte umzumünzen, um die Abhängigkeit von den Ölreserven zu mildern. Denn in zehn Jahren könnten sie erschöpft sein. Als ein wachstumsstarker Zukunftsmarkt gilt Wasser, von der Gewinnung bis zur Verteilung.
Spätestens mit diesem Projekt sind wir ein Teil auf der globalen Landkarte geworden“, kommentiert Salman bin Essa Al-Khalifa, PR-Chef des „Bahrain International Circuit“ und Mitglied der Königsfamilie, das Prestigeprojekt. In einer rekordverdächtigen Bauzeit von 16 Monaten sei die modernste Formel-1-Rennstrecke im Wüstenstaat fertig gestellt worden, die Michael Schumacher im April gleich mit einem weiteren Ferrarisieg einweihte. Auf diese Weise habe man das kleine Inselreich östlich von Saudi Arabien im Persischen Golf einem Weltpublikum von mehreren 100 Mio. vorstellen können.
Vorhaben wie diese haben derzeit im Königreich Hochkonjunktur. Denn Bahrain wird im Mittleren Osten der erste Erdölförderer sein, dem das schwarze Gold in rund zehn Jahren versiegen wird. Seit Jahren wird unter Hochdruck daran gearbeitet, den vorhandenen Wohlstand in ein tragfähiges wirtschaftliches Fundament zu investieren, um die Abhängigkeit von den Ölreserven zu minimieren. Doch zumindest derzeit dominieren im staatlichen Haushalt nach wie vor die Erlöse aus dem Ölexport.
Die Projekte, die auf dem Reißbrett entstehen und Image, Aufmerksamkeit sowie neue wirtschaftliche Standbeine schaffen sollen, sind ehrgeizig. An der Ostküste wird gerade der Bahrain Financial Harbour ins Meer gebaut, ein 1,3-Mrd.-$-Projekt, das den Ruf des Königsstaates als Finanzzentrum Nummer 1 im Mittleren Osten untermauern soll. Blickfänger sind die zwei geschwungenen Türme des Finanzcenters mit jeweils 53 Stockwerken, die zusammen mit einem Versicherungscenter, Luxuswohnungen, Einkaufsmall, Freizeitangeboten und vielem mehr 2007 bezugsfertig sein soll. 30 % der Vermietung sollen bereits unter Dach und Fach sein.
Diese „Stadt in der Stadt“ ist aber nur der Auftakt für eine gigantische Anlage. In der Schublade liegen bereits Pläne, die Koralleninseln kilometerweit ins Meer zu bebauen: eine Krankenhauslandschaft, ein neuer Universitätsstandort, eine riesige Sportarena. Aber auch in der Wüste ist für Nobel-Touristen ein weiteres Highlight geplant. Bis 2008 soll für rund 500 Mio. $ das Projekt Bahrain Iceberg entstehen. Eine künstliche Welt aus Eis und Schnee, für Abfahrtsski, Skispringen, Eiskunstlauf, Eishockey und Snowboard. Mit beteiligt sind hieran auch zwei deutsche Beratungsfirmen.
Was – zumindest mit Blick auf deutsche Genehmigungsverfahren und Realisierungsdauer – fast schon utopisch anmutet, ist im Königreich durchaus realistisch. „Bahrain hat gezeigt, dass es den Willen, die Kraft und das Geld gibt, solche Projekte zu stemmen“, berichtet beispielsweise Herta Krausmann, Chefin der Nürnberg Global Fairs, die gerade die zweite „Water Middle East“, eine Fachmesse mit Kongress rund um die Wassertechnologie, in Bahrain erfolgreich durchgeführt hat.
Auch das Segment rund um Wassergewinnung, Aufbereitung und Verteilung gilt im gesamten Mittleren Osten als wachstumsstarker Zukunftsmarkt, der zugleich als zentraler Grundpfeiler für die gesamten Prestigeprojekte zählt. Denn in der Region, die mit Jahresniederschlägen von teils nur 75 mm bis 100 mm im Jahr weltweit am meisten unter Wassermangel leidet, kann ohne moderne Technologien weder die stark wachsende Bevölkerung noch die Industrie oder der Tourismus dauerhaft mit Wasser versorgt werden.
„Wasser ist hier das Öl des 21. Jahrhunderts“, unterstreicht Krausmann. Und dieser Markt birgt auch für deutsches Know-how ein erhebliches Potenzial. Allein bei den Meerwasserentsalzungsanlagen werden auf der arabischen Halbinsel Investitionen von rund 40 Mrd. $ in den kommenden 30 Jahren erwartet, schätzt die IHK Bayern. Aber auch der erdölunabhängigen Trinkwassergewinnung sowie dem nachhaltigen Ressourcen-Management bis hin zur Abwasserbehandlung wird eine immer größere Bedeutung eingeräumt.
Derzeit decken die Staaten des Gulf Cooperation Council (GCC), also Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, ihren Bedarf zu 91 % mit begrenzten Grundwasservorkommen, 7 % werden durch Entsalzungsanlagen gewonnen und 2 % aus der Aufbereitung von Brauch- und Schmutzwasser.
„Allein schon vor dem Hintergrund eines Bevölkerungswachstums von deutlich über 3 % im Jahr ist eine langfristige Wassergewinnungs- und Versorgungsstrategie unerlässlich“, betont der Bahrainer Uni-Forscher Dr. Waleed Al-Zubari auf dem Messekongress. Bis 2025 werde sich der Wasserverbrauch fast verdoppeln.
Und sein kanadischer Kollege von der United Nations University, Dr. Walid Saleh, fordert ein nachhaltiges Wasserbewirtschaftungssystem, das auf dem gesellschaftlichen und politischen Commitment sowie dem Engagement von öffentlicher Hand, Forschung und privatem Sektor beruht. Saleh sieht die Zukunft in städtischen Wasserkreisläufen aus Gewinnung, Nachfrage, Nutzung und Entsorgung.
Derzeit sind Fragen der Effizienz oder der Steuerung über den Preis in Bahrain bestenfalls in Ansätzen zu erkennen. Mit einem Tagesverbrauch von rund 500 l Wasser liegt der Inselstaat etwa zweieinhalbmal über den bundesdeutschen Werten. Darin enthalten ist auch der Wasserbedarf für Landwirtschaft sowie die Bewässerung der Grünanlagen, die ohne kontinuierliche Versorgung eingehen würden. Der Liter Benzin kostet etwa 20 Eurocent, der Liter Wasser das doppelte. Dabei ist, so räumt der Energie- und Wasserminister Shaikh Abdulla bin Salman Al-Khalifa ein, der Wasserpreis noch zu vier Fünfteln von der Regierung subventioniert.
Vor diesem Hintergrund macht sich bei deutschen Firmen fast eine Art Goldgräberstimmung breit. So hat beispielsweise die Augsburger Wiedemann & Reichhardt gerade ihre erste Niederlassung in Bahrain eröffnet. Der Maschinen- und Fahrzeugbauer sieht sich als technologischer Weltmarktführer bei der Aufbereitung von Kanalwasser, bei der organische und anorganische Stoffe direkt im Reinigungsfahrzeug gereinigt werden.
Auf diese Weise lässt sich mit einer Kapazität von 400 l bis 800 l pro Minute die Gefährdung der Grundwasserreserven etwas eindämmen, zumal das 2500 km lange Kanalnetz aus der Kolonialzeit bereits ziemlich marode ist.
Für sein Firmengelände in Erbpacht zahlt Firmenchef Karl Wiedemann gerade mal „einen symbolischen Preis“, die gesamten Gründungs- und Niederlassungsformalitäten konnten in einer Woche abgewickelt werden. Als nächste Etappe ist der Aufbau einer eigenen Produktion vor Ort geplant, um von Bahrain aus die angrenzenden Golfstaaten zu bedienen. Die erstmalige Präsenz auf der Water Middle East soll die Sprungbrettfunktion untermauern. Immerhin drängten sich rund 3000 Fachbesucher durch die Messehalle.
„Deutsche Technologie hat in Bahrain das höchste Ansehen und rangiert noch deutlich vor den USA“, verrät der Algerier Fethi Mechri, Chef der Bahrain-German Business Services. Zusätzlich habe die deutsche Haltung im zweiten Irak-Krieg für deutliche Sympathie gesorgt. Mechri, der in Deutschland lebte, hat sich auf die Beratung von ansiedlungswilligen Firmen spezialisiert, die sich im Idealfall innerhalb von 24 Stunden in dem Steuerparadies niederlassen könnten. Außer einer Jahresgebühr für die Handelskammer fällt keine direkte Steuer an, die indirekte Mehrwertsteuer liege bei 5 %.
Die Herforder Wedeco Umwelttechnologie betreibt seit kurzem in der Kläranlage Tubli die größte Ozonanlage zur Endreinigung des Klärwassers. „Wir haben hier eine hocheffiziente und quasi wartungsfreie Anlage aufgebaut“, berichtet Direktor Stephan Rau stolz. Damit kann das Wasser nach der umweltfreundlichen Aufbereitung unmittelbar zur landwirtschaftlichen Bewässerung eingesetzt werden, was etwa mit Chloreinsatz so nicht möglich wäre. Dagegen wirke Ozon wie ein Zellgift und dezimiere die krankheitserregenden Kolibakterien von 1 Mio. pro Liter auf Null. Auch von den 80 bis 100 Parasiten finde sich nach dem Ozoneinsatz keiner mehr. Am Messestand informierte Rau auch über die Einsatzmöglichkeiten der Trinkwassergewinnung etwa aus Seen, Flüssen und Staudämmen, für die eine Ozonanlage als „global überlegende Technik“ am besten geeignet sei. Neben der Desinfektion könnten die Produkte der Herforder auch zur Reinigung etwa von Farbstoffen eingesetzt werden.
Die World Wide Water Systems sieht in der Umkehrosmose mittlerweile das „fortschrittlichste, sicherste und ökologischste Verfahren“ zur Trinkwassergewinnung aus Meer- oder Brackwasser. Das Angebot umfasst eine Vielzahl von Anlagen beginnend mit einer Leistung von 1 m³ pro Tag bis hin zu Anlagen mit einer Leistung von mehreren 1000 m³ pro Tag. Diese großen Anlagen produzieren ausreichend Trinkwasser zur Versorgung von mehreren großen Hotelanlagen oder einer Kommune. THOMAS TJIANG
Bahrain Das Königreich Bahrain ist seit 2002 eine konstitutionelle Monarchie mit aktivem und passivem Wahlrecht für Frauen. Die Fläche von 678 km2 ist etwas kleiner als die von Hamburg (754 km2). Unter den 667 000 Bewohnern sind ca. ein Drittel ausländische Arbeitskräfte. Das Bruttosozialprodukt lag 2002 bei 73,29 Mrd. $.tt |
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