Virtuelle Kraftwerke brauchen viel Kommunikation
Erneuerbare Energien sollen einen wachsenden Anteil an der Stromerzeugung erbringen. Doch die zahlreichen dezentralen Anlagen – von Windkraft über Biomasse bis Photovoltaik – müssen sinnvoll ins Netz eingepasst werden. Der Verband VDE erarbeitete dazu ein Konzept.
Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) legte vergangene Woche in Berlin eine Studie vor, die als Modell für ein gleichberechtigtes Miteinander von erneuerbarer und konventioneller Energie dienen kann: „Smart Distribution 2020 – Virtuelle Kraftwerke in Verteilungsnetzen“.
Das Virtuelle Kraftwerk (VK) soll das Hauptproblem der Anbieter regenerativer Energien lösen, die stark schwankende Erzeugung. Starkwind oder Flaute, Sonnenschein oder Regenwetter, die Natur liefert den Strom weniger ausgeglichen, als er benötigt wird. Zudem will der VDE die Ökostromanbieter besser in den Markt integrieren.
Das Virtuelle Kraftwerk verbindet dezentrale Erzeuger, Speicher und Verbraucher, um die Energieversorgung zu optimieren. Dazu reicht allerdings nicht nur eines solcher Kraftwerke. Eine solche Datenmenge wäre nicht handhabbar. Vielmehr könnten nach dem VDE-Modell Straßenzüge zu einem VK zusammengefasst werden, darüber käme die nächste VK-Ebene.
Doch so einfach das System scheint, hängt die Realisierung vor allem an „einer breit angelegten IKT-Aufrüstung“, wie Studien-Mitautor Bernd Buchholz feststellt.
Denn von der Verteilungsebene bis zum Niederspannungskunden müssen Kommunikationsnetze aufgebaut werden. Für den VDE heißt dies, es werden einheitliche Datenmodelle und Kommunikationsdienste auf allen Ebenen benötigt. Ziel müsse sein, einen Standard als Referenz zu wählen. Der VDE plädiert für den konsequenten Einsatz des Standards IEC 61850, weil damit auch Datensicherheit gewährleistet sei.
Bislang wurden öffentliche Netze in Deutschland nicht für Betriebsführungsaufgaben im Stromnetz genutzt. Mit IEC-Protokollen könnte, so der VDE, „eine vergleichbare technische Datensicherheit wie in internen Kommunikationsnetzen erreicht werden“. Wirtschaftlich sinnvoll wäre eine Nutzung der vorhandenen Infrastruktur allemal. Ob Fest- oder Funknetze genutzt werden, wäre eine Frage des Provider-Angebots.
Der Endverbraucher ist in diesem technischen Szenario über seinen Stromzähler beteiligt. „Smart Metering“ heißt das Stichwort. Bislang lassen sich die Stromkunden nicht gezielt steuern. Ob sie Stand-by-Funktionen ausschalten oder ihre Wäsche dann waschen, wenn der Strom teuer und eher knapp ist, hängt von individuellen Gewohnheiten und Zeitabläufen ab.
Zähler, die dem Kunden direkt anzeigen, ob er sich gerade in einer teuren oder billigen Phase befindet, könnten Verbraucherverhalten gezielt verändern. Allerdings nur dann, wenn er auch zeitvariable Tarifangebote erhält und damit die Kosten selbst beeinflussen kann. Zudem könnten die neuen Zähler zusätzliche Daten an die Virtuellen Kraftwerke liefern.
Doch nicht allein die Kommunikationsnetze müssen aufgebaut werden. Dringend erforderlich sind Speicheranlagen. Die bisherige Speichertechnik reicht nicht aus, um wetterabhängige Windkraft oder Sonnenenergie nach Bedarf abzurufen.
Pumpspeicherwerke, wie sie zurzeit im Einsatz sind, können nach Ansicht des VDE nur noch begrenzt gebaut werden. Der Verband erwartet daher von der Bundesregierung eine „massive Erhöhung“ der derzeitigen Forschungsmittel für innovative Speichertechniken.
Das Virtuelle Kraftwerk braucht nicht nur neue Technologien. In der vernetzten Energiewelt sollen nach den Vorstellungen des VDE die Ökostrom- anbieter auch gleichwertige Marktteilnehmer werden. Das heißt, ihren Strom an der Börse verkaufen.
Die alternativen Anbieter sollen sich jedoch mit dem Handel an der Leipziger Börse EEX (European Energy Exchange) nicht schlechter stehen als vorher. Zuschläge sollen die Differenz ausgleichen. Um aber das System insgesamt attraktiv zu machen, insbesondere um Anreize zur Speicherung zu liefern, sollen die Zuschläge in der Schwachlastzeit, zwischen 1.00 Uhr und 6.00 Uhr, ausgesetzt werden.
Wer erneuerbare Energien ins Netz liefert, soll nach Ansicht des VDE auch „einen Beitrag zu den Systemdiensten leisten“. Dies sind z. B. Sicherung von Frequenz- und Spannungsqualität, Fahrplanmanagement und der Netzwiederaufbau nach Störungen. Stabile Leistungen brauchen entsprechende Stromnetze.Kürzer gesagt, die Ökostromlieferanten sollen sich an den Netzkosten beteiligen.
Nicht zuletzt verweist der Verband darauf, dass sein VK-Modell, konsequent umgesetzt, rund 35 % der heutigen CO2-Emissionen einspare. Und „intelligentes Netzmanagement“ könnte zu einem Exportschlager „made in Germany“ werden.
Entscheiden müssen nun die Politiker. Sollte das Konzept tatsächlich umgesetzt werden, wird es dauern: Mit mindestens drei bis fünf Jahren rechnet der Verband. BIRGIT BÖHRET
Die Studie kann für 150 € (Nicht-Mitglieder) über www.vde.com bezogen werden.
Verband fordert mehr Mittel für Speicherforschung
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