Viele Wege führen zum Wasserstoff
Wasserstoff gilt als umweltfreundlich. Allerdings muss man das Gas erst einmal herstellen. Ein erprobtes Verfahren ist die Reformierung. Sie funktioniert bei den wichtigsten Kohlenwasserstoffen.
Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft. Er lässt sich vielfältig herstellen – auch aus erneuerbaren Energien – und er lässt sich in alle Formen bringen, die wir für Wirtschaft und Wohlbefinden brauchen: Licht, Kraft, Wärme. Die Erzeugung von Strom aus Wasserstoff in Brennstoffzellen ist effizienter als alle bisher bekannten Verfahren. Und bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht nur Wasser, keine klima- oder gesundheitsschädlichen Gase.
Es gibt für alle wesentlichen Anwendungen Prototypen: von der mobilen Power Box, die 10 Stunden Dauerbetrieb mit dem Notebook ermöglicht bis zum wasserstoffgetriebenen Auto. Neben Detailproblemen bei einzelnen Komponenten der neuen Energieversorgung ist das Hauptproblem aller Wasserstoffanwendungen die Wasserstoffspeicherung: Die gesamte Energieinfrastruktur muss ergänzt werden: Neben Mignon-Batterie – Wasserstoffpatrone? Neben Benzin – Wasserstoff an der Tankstelle?
So teilt man den riesigen Schritt zur Einführung eines Wasserstoffsystems in zwei kleinere auf: zunächst die Anwendungsseite in Geräten, dann die Infrastruktur für die Wasserstoffversorgung. Damit man den ersten Schritt machen kann, greift man auf vorhandene Energieträger wie Erdgas oder Benzin zurück und gewinnt aus ihnen Wasserstoff. Das nennt man Reformierung.
Am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg wird daran besonders intensiv gearbeitet. So hat man dort mittlerweile für die wichtigsten Kohlenwasserstoffe Reformer-Techniken entwickelt: Ob gasförmig oder flüssig, fossil oder regenerativ – jeder dieser Energieträger kann in Wasserstoff umgewandelt werden.
Es gibt viele Anwendungen, in denen es schon heute wirtschaftlich ist, mit Wasserstoff aus Reformierung Strom zu erzeugen. Beispiel Flugzeug: Die Bordstromversorgung eines typischen Passagierjets hat bereits im Stand-by-Modus 200 kW elektrischen Leistungsbedarf, das entspricht etwa dem Bedarf von 200 Haushalten. Über Nebenaggregate erzeugen bisher die Flugzeugturbinen den nötigen Strom. Sie sind dafür überdimensioniert, deshalb ist die Stromerzeugung mit unnötigen Verlusten und Emissionen verbunden.
Das Institut hat jetzt einen Vorreformer entwickelt, der Kerosin für die Nutzung in Brennstoffzellen aufbereitet. Den wandelt eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle dann mit hohem Wirkungsgrad in Strom um. Das spart nicht nur Treibstoff und Umweltbelastung, sondern ist auch zuverlässiger, weil es keine mechanischen Bauteile gibt, und ist wesentlich leiser.
Ein ähnliches Beispiel ist die Bordstromversorgung von Schiffen. Auch hier wird mit riesigen mechanischen Aggregaten und geringem Wirkungsgrad elektrischer Strom erzeugt. Alternativlösung: Ein Reformer gewinnt aus Schweröl wasserstoffreiches Gas, eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle erzeugt damit Strom.
Reformierung ist nicht nur im mobilen Bereich interessant: Durch Reformierung von Erdgas hat man die Möglichkeit geschaffen, dass jedes Haus mit Gasanschluss ein kleines Blockheizkraftwerk bekommen kann: Das Erdgas wird zu Wasserstoff reformiert, den eine Niedertemperatur-Brennstoffzelle zu Strom weiter verarbeitet. Die dabei entstehende Abwärme sorgt für Warmwasser und Raumwärme. Das bringt ein Stück Unabhängigkeit und spart vor allem Energie, denn die Wärme ist sozusagen ein Abfallprodukt.
Die Wasserstofftechnik ist vor allem eine Herausforderung in Sachen Chemie und Verfahrenstechnik. Zum Beispiel sind die bei der Brennstoffzelle eingesetzten Katalysatoren gegen bestimmte Gase extrem empfindlich. So kann ein Rest Kohlenmonoxid im ppm- Bereich (pars per millions) einen Katalysator nachhaltig vergiften. Deshalb wird intensiv an der Gasfeinreinigung gearbeitet. Ein neuer Reformer-Prototyp des Fraunhofer ISE für die Hausenergieversorgung zeigt nun in allen Lastbereichen und im dynamischen Betrieb Kohlenmonoxid-Konzentration im einstelligen ppm-Bereich.
Zahlreiche Pilotversuche demonstrieren den Entwicklungsfortschritt und die Hersteller kündigen den Markteintritt einzelner Anwendungen schon im Laufe dieses Jahrzehnts an. Vielleicht heizen Sie Ihr Haus demnächst mit Wasserstoff oder genießen ein Business Lunch im Flieger, der über Brennstoffzelle und Mikrowelle mit Wasserstoff zubereitet wurde.
CHRISTOPHER HEBLING
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