Verfügbare Energie – das Gold des 21. Jahrhunderts
Die gewünschte Energie zur Verfügung zu haben, ist eine der größten technischen und politischen Herausforderungen der nächsten Jahre. Diese These stellt Klaus-Dieter Vöhringer, Forschungs-Vorstand von DaimlerChrysler, in seinem folgenden Artikel auf.
Internet, E-Business, B2B, B2C – diese und ähnliche Begriffe werden den meisten Menschen in den Sinn kommen, wenn ihnen die Frage gestellt wird: Welche Innovationen bewegen heute die Welt am meisten? In der Tat eröffnen sich dadurch völlig neue Perspektiven für den weltweiten Einkauf und Handel, für die globale Zusammenarbeit in und zwischen Unternehmen. Zeit und Raum verlieren für die Informationsvermittlung praktisch ihre Bedeutung – Jedem stehen immer und überall alle Informationen zur Verfügung, die er haben will.
Diese schnellere und bessere Verarbeitung von Informationen durch neue Technologien darf aber nicht den Blick dafür verstellen, dass es noch immer große Probleme der Menschheit gibt, die auf Lösungen warten, die das Internet nicht wird liefern können. Ich meine damit globale Probleme wie Bevölkerungswachstum, wie Nahrungsmittel- und Wasserknappheit – verbunden mit Hunger und Dürre in vielen Regionen der Welt und einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich – oder den Erhalt der natürlichen Lebensräume. Eines der grundlegendsten dieser globalen Probleme aber ist der weiter steigende Energiebedarf, d. h. die gesicherte wirtschaftliche Energieversorgung. Denn gelingt es uns, die Frage der Energieverfügbarkeit zu lösen, so hat das nachhaltigen positiven Einfluss auch auf all die anderen genannten Probleme: Wasser lässt sich aus Meerwasser gewinnen – wenn die dazu benötigte Energie bereitsteht. Die Ausbeute an Nahrungsmitteln lässt sich steigern – durch entsprechenden Einsatz von Energie. Umwelt- und Klimaschutz – beides ist undenkbar ohne den Einsatz umweltfreundlicher Energien. Und: Ohne Energie auch keine Mobilität. Neben dem Strombereich ist der Transport von Personen und Gütern der Energieverbrauchssektor mit den größten Wachstumsraten.
Die Verfügbarmachung und Bereitstellung von genügend Energie – und zwar umweltfreundlicher Energie – ist für mich daher eine der zentralen Herausforderungen der Menschheit am Beginn des 21. Jahrhunderts. Und eine der drängendsten zugleich. Denn: Energie wird noch immer zu einem Großteil aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe gewonnen diese decken 85 Prozent des Energiebedarfs der Industrie weltweit, bei der individuellen Mobilität sind es sogar fast 100 Prozent. Das ist aus zweierlei Gründen problematisch: Der CO2-Anstieg in der Luft von 280 ppm vor 150 Jahren auf heute 370 ppm wird von vielen Experten mit diesen anthropogenen Aktivitäten in Verbindung gebracht. Und – nicht zuletzt durch das bereits angesprochene Bevölkerungswachstum – ist in den nächsten Jahren noch von einer Steigerung der Nachfrage nach diesen fossilen Brennstoffen auszugehen, was zu einem verstärkten Zielkonflikt zwischen Energieverbrauch und Umwelt führen wird. Schätzungen gehen für das Jahr 2020 von einem um mehr als 50 Prozent erhöhten Energieverbrauch gegenüber dem Jahr 1990 aus. Die Konsequenzen kann man sich leicht ausmalen: Die Ölpreise steigen. Die Reichen werden sich Energie am ehesten leisten können, d. h. die Energiepreise werden den Gegensatz von Arm und Reich eher verschärfen als entspannen. Auch Mobilität könnte so wieder zum Privileg für Wenige werden.
Die meisten Studien gehen davon aus, dass die Erdöl-Reserven noch für rund 40 Jahre reichen. Das hieß es auch schon vor 40 Jahren. Der ein oder andere mag geneigt sein, daraus zu schließen, dass es in weiteren 40 Jahren immer noch so sein wird. Doch ich denke, einer solchen Einschätzung liegt ein gefährlicher Irrtum zugrunde: Eine aktuelle Studie der International Energy Agency (IEA) zeigt, dass der Peak der Öl-Produktion in den nächsten 10 – 15 Jahren erreicht sein wird. Zu diesem Zeitpunkt übrigens wird die Menschheit die Hälfte der gesamten Öl-Reserven aufgebraucht haben.
Zwar wird erwartet, dass über die bekannten Reserven von rund 1000 Milliarden Barrel hinaus große Beiträge aus unkonventionellen Reserven und zusätzlichen Quellen (z. B. Ölsande und Ölschiefer) verfügbar gemacht werden können. Aber: Zum einen wird das nur zu extrem hohen Kosten möglich sein, und zum anderen ist das mit höheren ökologischen Belastungen verbunden. Dazu kommt, als geopolitischer Aspekt, dass in den USA das Rohöl-Fördermaximum bereits überschritten ist für Nordseeöl wird es wohl innerhalb der nächsten fünf Jahre erreicht sein. Die Konsequenz: Der OPEC-Anteil an der Weltrohölförderung wird sich in den kommenden Jahren deutlich erhöhen – ab 2010 auf über 50 Prozent -, mit der Gefahr, dass die Ölversorgung zum politischen Instrument wird. All das kann nur bedeuten: Wir müssen die zur Verfügung stehende Energie effizienter nutzen – und wir müssen unsere Energieversorgungsbasis verbreitern.
Auf dem Mobilitätssektor ist die Frage des Energieverbrauchs und der Emissionsreduzierung vor allem verknüpft mit der Weiterentwicklung der Antriebstechnologie. In den letzten zwei Jahrzehnten haben wir dank neuer Technologien große Fortschritte erzielt. Gerade die Attraktivität des PKW-Dieselmotors ist durch Einführung der Hochdruck-Direkteinspritzung in Verbindung mit Turboaufladung stark gestiegen. Hier ist es gelungen, sowohl den Verbrauch drastisch zu senken als auch den Fahrspaß deutlich zu steigern. Beim Ottomotor konzentriert sich die künftige Entwicklung hauptsächlich auf drei Aspekte: das sog. Hubraum-downsizing in Verbindung mit Aufladung, die Benzin-Direkteinspritzung sowie die drosselfreie Lastregelung. Durch die Kombination eines Getriebes mit hohem Wirkungsgrad sowie beliebig variabler Übersetzung mit wirkungsgradoptimierten Motoren lassen sich Verbrauchsvorteile von 20 bis 25 Prozent gegenüber heutigen Antrieben erzielen.
Die Verbrennungsmotoren können also noch erheblich verbessert werden. Allerdings werden sich die Zielkonflikte zwischen der Senkung von Verbrauch und Emissionen auf der einen Seite und der Reduzierung von Gewicht und Herstellungskosten auf der anderen Seite weiter verschärfen. Das Verhältnis zwischen erzielbarem Nutzen und zusätzlichem Aufwand wird dabei zunehmend schlechter werden. Und die Abhängigkeit von einem Primärenergieträger, dem Erdöl, bleibt weiterhin bestehen.
Deshalb müssen wir uns parallel mit alternativen Antrieben und Energieträgern beschäftigen. Batterie- und Hybridfahrzeuge, Verbrennungsmotoren mit alternativen Kraftstoffen – all dies wurde und wird intensiv erprobt. Die vielversprechendste alternative Antriebstechnologie ist allerdings die Brennstoffzelle, an deren Entwicklung und Verbesserung DaimlerChrysler seit rund zehn Jahren intensiv arbeitet. Mit einer Reihe von Versuchsfahrzeugen ist es gelungen, die technische Machbarkeit zu demonstrieren. In wenigen Jahren werden wir mit ersten Brennstoffzellen-Fahrzeugen auf den Markt kommen.
Der erfolgreiche Weg in die mobile Zukunft setzt allerdings voraus: Wir müssen uns klar werden, welches die zukünftigen Energiequellen sind. Für einige Energien, wie Methanol und Wasserstoff in der Brennstoffzelle, zeichnen sich bereits vielversprechende Einsatzmöglichkeiten ab. Aber wir müssen offen sein für alle denkbaren Ansätze. Wir müssen unvoreingenommen diskutieren, welche Energieträger die Kriterien Umweltfreundlichkeit, Effizienz, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit am besten erfüllen. Und wir müssen die benötigten Infrastrukturen für die Kraftstoffe von morgen erproben und installieren.
Und das Wichtigste dabei: Wir müssen das heute tun. Wir müssen uns heute mit der Energie der Zukunft befassen, wollen wir in zehn bis fünfzehn Jahren eine Antwort auf die dann entstehenden Probleme parat haben. Wir brauchen eine öffentliche Diskussion darüber, d. h. wir müssen uns politisch mit dem Thema befassen. Aber wir müssen uns natürlich vor allem auch technologisch damit befassen – in einer weltweiten Zusammenarbeit der technischen Wissensträger: der Ingenieure und Wissenschaftler. Der Weltingenieurstag, der in wenigen Tagen stattfindet, könnte hierfür den Anstoß und Auttakt bilden – für ein globales, weltumspannendes Projekt zur Sicherung der Energie der Zukunft. KLAUS-DIETER VÖHRINGER
Klaus Dieter Vöhringer: „Wir müssen unsere Energie-Versorgungsbasis verbreitern.“
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