„SuperC“ geht schnell in die Tiefe
VDI nachrichten, Aachen, 12. 11. 04 – Die Bohrarbeiten für die 2500 m tiefe Erdwärmesonde an der RWTH Aachen stehen kurz vor dem Abschluss. Bei dem Pionierprojekt geht es neben dem Nachweis der Wirtschaftlichkeit auch um die Erprobung spezieller Bohrtechniken. Die Erdwärme aus großer Tiefe soll künftig rund 80 % des Wärme- und Kältebedarfs eines neuen Servicezentrums für Studenten decken.
Auf dem Bohrplatz direkt neben dem altehrwürdigen Hauptgebäude der RWTH Aachen im Herzen der Domstadt herrscht reges Treiben. Zwischen blauen Baucontainern ragt der 34 m hohe Mast der Bohranlage auf: das Wahrzeichen des Geothermie-Projektes der Hochschule. An der Stelle soll in drei Jahren ein achtstöckiges Servicezentrum für Studenten mit insgesamt 7400 m2 Nutzfläche stehen.
Das sich dann in der Seitenansicht wie ein überdimensionales „C“ präsentierende Gebäude ist Namenspatron für das Vorhaben „SuperC“, einer 2500 m tiefen Erdwärmesonde. Für diese Tiefe sagen geologische Modelle Gesteinstemperaturen zwischen 70 °C und 85 °C voraus. Damit kommt die Sonde auf eine thermische Leistung von 450 kW. „Das reicht, um rund 80 % des Wärme- und Kältebedarfs des Gebäudes zu decken so viel wie 200 Einfamilienhäuser benötigen würden“, erläutert der RWTH-Baudezernent Ulrich Glaube.
Zunächst wird dazu kaltes Wasser in einem äußeren Ringspalt der Sonde in die Tiefe geleitet. Dort erwärmt es sich auf rund 70 °C. Über ein zentrales Steigrohr wird das Wasser dann in das Energieversorgungssystem des Gebäudes eingespeist. Hier durchläuft es in einem Kaskadensystem nacheinander die Warmwasserbereitung, Konvektoren, Fußbodenheizung und Deckenheizkörper. Im Sommer wird die Erdwärme über eine Adsorptionskältemaschine zur Gebäudekühlung genutzt. Zudem erspart die Gratiswärme aus dem Erdinnern der Universität jährlich die Emission von rund 300 t Kohlendioxid.
Die Tiefbohrung ist ein Demonstrationsprojekt, „bei dem erstmals die Versorgung eines Großgebäudes direkt am Ort des Abnehmers erschlossen wird“, sagt Glaube. Das von der EU, dem Land NRW und der RWTH mit insgesamt 5,1 Mio. € ausgestattete Projekt soll den wirtschaftlichen Einsatz der Geothermie in Bürogebäuden demonstrieren. Die Hochschule rechnet mit einer Betriebsdauer der Sonde von 30 Jahren und mit Wärmegestehungskosten unterhalb von 50 €/MWh. Zugleich ist „SuperC“ technische und organisatorische Herausforderung, denn gebohrt wird mitten in der Aachener City auf engstem Raum und rund um die Uhr.
Um die Lärmbelästigung für die Anwohner so gering wie möglich zu halten, kommen schallgedämmte Dieselaggregate und eine drehtischgetriebene Bohranlage zum Einsatz. Die Bohrspülung wird gleich an Ort und Stelle aufbereitet und dann zwischengelagert. So hält sich der Bauverkehr in Grenzen. Zudem interessieren sich die Geologen der RWTH für die Gesteinsbruchstücke aus der Tiefe, die mit dem Gemisch aus Wasser und Gesteinsmehl ans Tageslicht befördert werden.
Die Bohrstelle liegt genau über einer geologischen Störung mit starken Verfaltungen im Untergrund, wie die gezogenen Bohrkerne zeigen. Den Besonderheiten im Untergrund verdankt die Stadt Aachen ihre berühmten Thermalquellen. Ihr Schutz stellt eine weitere Herausforderung an das Projekt dar. So werden alle potenziell wassergefährdenden Stoffe wie der für die Stromaggregate benötigte Dieselkraftstoff in havariesicheren Behältern untergebracht. „Das von uns eingesetzte Bohrverfahren berücksichtigt nicht nur die speziellen Anforderungen der tiefen Erdwärmesonde. Es stellt auch sicher, dass die im Gestein zirkulierenden Thermalwässer durch die Bohrung nicht beeinflusst werden“, sagt RWTH-Ingenieur Martin Karad, der die Bohrarbeiten überwacht.
Ein zunächst eingebrachtes 20 m tiefes Standrohr verhindert, dass Bohrspülung austritt und die Bohranlage unterspült. Mit einem Meißel, dessen Durchmesser etwas kleiner als die Verrohrung ist, geht es dann weiter in die Tiefe. Um den Einbruch von Gestein zu verhindern, wird abschnittsweise ein Stahlrohr in das Bohrloch eingebaut. Ein Spezialzement verbindet den Schutz fest mit dem Gesteinskörper. Allerdings müssen dazu zunächst Bohrgestänge und -meißel ausgebaut werden. Im Laufe der fortschreitenden Verrohrung verringert sich der Durchmesser der Bohrung von zunächst etwa 60 cm auf knapp 20 cm beim Erreichen der Endteufe. „Bildlich gesprochen ähnelt die Verrohrung einer auf dem Kopf stehenden Teleskopantenne“, erklärt Karad.
Im Laufe des Novembers, so rechnen die Aachener Ingenieure, ist die 2500-m-Marke erreicht. Erst dann werden glasfasergestützte Messungen zeigen, ob die Temperaturvorhersagen stimmen. „Mit großen Überraschungen rechnen wir aber nicht“, sagt Ulrich Gaube. „Ein paar Grad nach oben oder unten haben auf das Geothermiekonzept keine nennenswerten Auswirkungen.“SILVIA VON DER WEIDEN
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