Südafrika will mit Atomkraft Energienot lindern
VDI nachrichten, Pretoria, 9. 9. 05 – Bei der Entwicklung moderner Atomreaktoren spielt Südafrika eine Vorreiterrolle. Kleine preiswerte Reaktormodule, Standardisierung und kurze Bauzeiten sind typisch für das Konzept. Die erste Anlage soll 2010 den Betrieb aufnehmen.
Das südafrikanische Projekt eines neuartigen Atomreaktors der vierten Generation befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium und hat gute Chancen auf Realisierung. Diesen Eindruck vermittelte Ende August ein Kongress in Pretoria, auf dem sich 340 Vertreter der südafrikanischen Entwicklungsfirma, ihrer Anteilseigner und Kapitalgeber sowie der Zulieferfirmen aus aller Welt versammelten.
Der PBMR, ein Kürzel für Pebble Bed Modular Reactor, ist ein mit Helium gekühlter Graphit-moderierter Hochtemperatur-Reaktor (HTR). Sein Konzept gleicht dem der Kugelbettreaktoren, die einst in Deutschland entwickelt und bereits in einer Versuchs- und einer Demonstrationsanlage verwirklicht wurden. Die technische Ausführung von Reaktor und Brennstoff in Südafrika unterscheidet sich von den deutschen Anlagen jedoch grundlegend.
Bei der ebenfalls PBMR genannten Projektführerin und Entwicklungsfirma ist man überzeugt, dass das neue Anlagenkonzept einen signifikanten Beitrag zur Deckung des steigenden Energiebedarfs innerhalb des Landes und weltweit leisten kann. „Der Reaktor zählt zu den wichtigsten Entwicklungsprojekten und bedeutendsten Kapitalinvestitionen in Südafrika. Die erfolgreiche Einführung dieser Kraftwerks- technik wird auch eine wichtige Rolle bei der künftigen technologischen Entwicklung und dem Aufbau von Arbeitsplätzen in unserem Lande leisten“, sagte Jaco Kriek, CEO von PBMR (Pty) Ltd.
Kriek wertete die Teilnahme der Vizepräsidentin und dreier Minister als Beleg dafür, wie wichtig die Regierung das Projekt nehme. Energieministerin Lindiwe Hendricks sagte: „In unserem an Uranvorkommen reichen Land ist es natürlich, dass wir diese Ressource für friedliche und ökonomische Entwicklungen nutzen.“ Südafrikas integrierter Energieplan sehe vor, neben Wasser, erneuerbaren Energien und Erdgas auch die Kernkraft zu nutzen, um die drastische Abhängigkeit von Kohle, die 90 % des Stromes liefert, zu senken. „Wir sind überzeugt, dass die Atomenergie genutzt werden muss, um unsere Energieversorgung zu diversifizieren und die Emission von Treibhausgasen zu mindern“, sagte Hendricks.
Den Umfang des Reaktorprojektes machte Dieter Matzner, General Manager für die Anlagenplanung bei PBMR, deutlich: Vor zehn Jahren gab der südafrikanische staatliche Energieversorger Eskom erstmals eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, im Jahre 1999 wurde die Firma PBMR gegründet, heute seien am Projekt rund 700 Personen im eigenen Unternehmen und bei den Zulieferern beteiligt. Für das Engineering seien bis heute 3,5 Mio. Mannstunden benötigt worden. In die Entwicklung des Know-hows des Kugelbettreaktors einschließlich der deutschen Arbeiten seien insgesamt 10 Mrd. € geflossen.
Typisch für den Reaktor ist laut Matzner das modulare Konzept. Die relativ kleinen standardisierten Einheiten von je 165 MW elektrischer Leistung sollen in 4er- oder 6er-Packs parallel geschaltet und betrieben werden. Kurz ist die Bauzeit: In nur zwei Jahren, vom ersten Betonguss bis zur Brennstoffbeladung, soll die Anlage fertig sein. Deren Design sei bereits festgeschrieben, Änderungen aus der eigenen Konstruktionsabteilung oder seitens der Partner seien nicht zu erwarten. Matzner hob in Pretoria die besondere Rolle der Zulieferer hervor. Außer dem kugelförmigen Brennstoff werde PBMR kein einziges Anlagenteil fertigen und zum Reaktor beisteuern. „Alle Komponenten sollen die Zulieferer fertigen und anliefern. Deshalb ist die enge Zusammenarbeit mit den Suppliern so wichtig“, sagte Manager Matzner.
Zu den wichtigen Lieferanten zählt beispielsweise die japanische Mitsubishi Heavy Industries für die Gasturbinen. Aber auch deutsche Unternehmen sind beteiligt. RWE Nukem wird sich am Fertigungsprozess der Brennstoffe beteiligen, schloss einen Vertrag mit PBMR noch während des Kongresses in Pretoria. Die Wiesbadener SGl Carbon entwickelt und fertigt Graphit-Reflektoren und Moderatoren für den Innenraum des Reaktors. Daneben sollen Graphit für die Produktion der Brennelemente und Bänder aus Kohlenstofffaser-Verbundwerkstoffen für die Reaktorkonstruktion nach Südafrika geliefert werden. Sein Unternehmen arbeite bereits seit mehreren Jahren mit an dem Projekt, erklärt SGL-Carbon-Vorstand Hariolf Kottmann. „Wir sind ein strategischer Lieferant für das Projekt und wenn ab 2007 der Demonstrationsreaktor gebaut wird, erwarten wir davon einen Umsatz von 35 Mio. € bis 40 Mio. €.“
Dieser erste Reaktor soll in Koeberg bei Kapstadt auf dem Gelände eines bereits vorhandenen Atomkraftwerks errichtet und ab 2010 betrieben werden. Die Betreiberin ist der Energieversorger Eskom. Dessen CEO Thulani Gcabashe hob am neuen Atomreaktor PBMR hervor, dass er nicht nur zur Erzeugung elektrischer Energie, sondern auch für die Produktion von Wasserstoff sowie als Lieferant von Wärme für technische Prozesse genutzt werden könne. „Für uns als Kunde ist es wichtig zu wissen, dass die Tests am Brennstoff und an Anlagenkomponenten im Zeitplan liegen“, sagte Gcabashe. „In Übereinstimmung mit unserer Regierung wollen wir in der Zukunft Anlagen mit 4000 MW bis 5000 MW Gesamtleistung bestellen. Das bringt unsere Energieversorgung einen riesigen Schritt voran.“ M. GROTELÜSCHEN
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