Strom und Wärme aus Biogas
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg, bekannt durch die Proteste gegen Atommüll-Transporte, setzt auf Ökoenergien. Deutschlands größte Biomasse-Anlage ist dort geplant. Die Initiatoren wollen Abfälle einer Kartoffelstärkefabrik und Mais in Biogas umwandeln, mit dem Strom und Wärme produziert werden sollen.
Langfristig will das Wendland seinen Strom selbst produzieren. Diesem Ziel kommt die Region im Biosphärenreservat Elbtalaue jetzt mit dem Bau der größten Biogas-Anlage in Deutschland näher. Zumindest auf der Basis von Biomasse kennt der Fachverband Biogas in Berlin keine andere Stromerzeugungsanlage, welche an die 3 MW Leistung der in Lüchow geplanten Anlage heranreicht.
Ihre Energieproduktion will die BioWend GmbH & Co. KG in der Nachbarschaft einer Kartoffelstärkefabrik aufnehmen. Deren Produktionsreste haben sich die Biogas-Erzeuger erst einmal für fünf Jahre gesichert. Sie dienen als Rohstoffbasis für die Biogas-Produktion. Jährlich werden 5000 t Pülpe, Kartoffelreste nach der Stärkeextraktion, abgenommen, dazu 90 000 m3 Fruchtwasser. 15 000 t Gülle zur Auffrischung der Bakterienkulturen und 40 000 t Mais für die bessere Gasausbeute vervollständigen den Mix.
Ihre Lieferrechte für den Mais haben sich 70 Landwirte über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gesichert. Für eine Einlage von 410 $ dürfen sie ihren Mais verkaufen und erhalten getrockneten Dünger, den eingedampften Faulschlamm der Biogasanlage zurück. Das sind jährlich ebenfalls 40 000 t. Andere Anteile an der BioWend halten der Anlagenhersteller Biokraft, eine Tochter des Landtechnik-Herstellers Farmatic in Nortorf, und der Finanzier, die Volksbank Osterburg-Lüchow-Dannenberg. Die Gesamtinvestitionen sollen 6 Mio. $ betragen. Den Strom nimmt der regionale Stromversorger Avacon ab. Rechnerisch könnten damit 5000 Haushalte versorgt werden.
„Die Anlage rechnet sich“, erklärt der Volksbank-Geschäftsführer Dieter Schulz. Doch die Rentabilität von Biogas-Anlagen hängt zum geringsten Teil an der Stromproduktion. Wichtig sei die sinnvolle Nutzung der Wärme, meint BioWend-Geschäftsführer Burkhard Heidler. In Lüchow soll die Hitze aus der Biogas-Verbrennung in einem Blockheizkraftwerk zum Eindampfen des Faulschlamms genutzt werden: vollständig und gleichmäßig rund ums Jahr. Das bedeutet eine geringere Masse für das Gärsubstrat und damit niedrigere Transportkosten.
Skeptiker zweifeln daran, dass die Wärmenutzung die Anlage rentabel machen kann. Die Trocknung des Gärsubstrats mit der Abwärme des BHKW hält Wolfgang Tentscher vom Fachverband Biogas in Berlin für die teuerste Variante. Ein vierstufiges Verfahren sei dazu nötig. Außerdem muss das beim Eindampfen entstehende Ammoniak neutralisiert werden. Tentscher rechnet den Lüchowern Kosten von 20 $ je 1 t Substrat vor. Andere Kritiker weisen auf die vielen Transporte zur Rohstoffversorgung und zur Entsorgung einer solchen zentralen Großanlage hin.
„Ein Jahr lang wurde an dem Konzept gerechnet“, hält Wilhem Heisecke dagegen. Der Landwirt betreibt selbst eine Biogas-Anlage auf seinem Hof und dient der BioWend als Berater. Die Volksbank verspricht den Anlegern eine Rendite von 5 %. Das Projekt sei nicht zuletzt ein Beitrag zur Wirtschaftsförderung der Region, meint Volksbank-Geschäftssführer Schulz. Das Wendland bewirbt sich mit 32 anderen ländlichen Gebieten in Deutschland um den Titel einer „Modellregion Agrarwende“. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist Teil eines solchen Konzeptes, mit dem Wertschöpfungsketten in ländlichen Räumen eröffnet werden sollen. Auf die Baugenehmigung hoffen die Biogas-Erzeuger im Februar. KARL-FRIEDRICH KASSEL
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