Streit ums Wasser in Chisinau
Jahrzehntelang wurde kaum in die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung investiert. Das soll jetzt anders werden.
Ein warmer Sommertag in Chisinau, die Sonne brennt auf den sauberen Straßen der Hauptstadt der Republik Moldau. Das Land zwischen Rumänien und der Ukraine ist auch unter dem Namen Moldawien bekannt. Es ist arm. Viele Menschen sind arbeitslos, das Geld ist knapp. Ein weiteres Problem ist das Trinkwasser.
„Wir empfehlen, das Wasser abzukochen“, sagt der 30-jährige Bürgermeister Dorin Chirtoaca. Das Wasser aus dem etwa 30 km entfernten Fluss Nistru hat zwar eine gute Qualität, es muss aber durch alte Wasserleitungen gepumpt werden. Und rund 80 % der 1600 km Trinkwasserleitungen in Chisinau gelten als sanierungsbedürftig.
Man habe oft das Gefühl, jemand hat mit einer Kalaschnikow auf die Leitungen geschossen, meint ein Mitarbeiter des kommunalen Wasserver- und -entsorgers Apa-Canal-Chisinau (ACC). „Glücklicherweise hatten wir bisher keine Epidemien“, ergänzt der Bürgermeister.
Die Menschen haben sich daran gewöhnt. Wer es sich leisten kann, kauft Wasser in Flaschen. Andere nutzen einen Filter.
Mehr stört die meisten Menschen der Geruch aus der Kläranlage. „Besonders nachts stinkt es manchmal sehr stark“, erklärt eine 30-jährige Mutter, die 8 km von der Kläranlage entfernt wohnt. „Man muss dann aufstehen und schnell alle Türen und Fenster schließen.“ Der Grund: ACC pumpt Klärschlamm auf Trockenbeete, beim Faulen entsteht neben Methan auch unangenehm riechender Schwefelwasserstoff. Zudem kann Sickerwasser aus den Trockenbeeten das Grundwasser verseuchen. Das Problem: Die Faultürme der Kläranlagen sind seit Jahren kaputt und eine aerobe Stabilisierung des Schlamms im Belebungsbecken ist nicht möglich.
„Die ganze Kläranlage ist sanierungsbedürftig“, erklärt Robert Schmidt, technischer Werkleiter der Münchener Stadtentwässerung, nach einer ersten Begehung der Kläranlage aus den 70er Jahren. Schmidt gehörte einer siebenköpfigen deutschen Delegation an, die Chisinau im Juli besuchte, um eine Lösung für die Trink- und Abwasserprobleme der Hauptstadt zu finden.
Zum Teil funktioniere die Anlage, so Schmidt. Ein Beispiel: Die Belebungsbecken werden gut belüftet und die Kläranlage erfüllt daher nach ACC-Angaben die EU-Vorgaben für den chemischen Sauerstoffbedarf. „Der bauliche Zustand ist jedoch sehr schlecht.“ Viele Gebäude sind baufällig, und Bewehrungsstahl liegt an der Oberfläche von Betongebäuden und rostet.
Weil Stadt und Land arm sind, muss von außen geholfen werden. Damit beginnt der Kampf um das moldawische Wasser. Der französische Konzern Veolia ist interessiert. Wie auch schon in Bukarest will er Planung, Bau und Betrieb der Anlagen übernehmen und durch Gebühren der Kommune gegenfinanzieren. Die deutsche Delegation warb hingegen für ein anderes Modell. „Abwasserentsorgung und Wasserversorgung sollte durch die Bevölkerung kontrolliert und gesteuert werden“, meint Thomas Schwarz, kaufmännischer Werkleiter der Münchener Stadtentwässerung. Es sei ein Unterschied, ob bei einem Wasserrohrbruch in einer Konzernzentrale angerufen werden muss oder der Bürgermeister gefragt werden kann, was passiert ist.
Thomas Schwarz wehrt sich dabei gegen die vorherrschende Meinung, öffentliche Betriebe seien träge und ineffizient. Er verweist auf die Kommune Timisoara im Westen Rumäniens. Dort helfen Münchner Wasserexperten, die Kläranlage des lokalen Wasserwerks Aquatim mit Geldern aus EU-Fonds zu sanieren. Auch für den Neubau oder die Sanierung von Kläranlagen in EU-angrenzenden Staaten stehen prinzipiell EU-Gelder bereit.
Zurzeit bereiten die Münchner Stadtentwässerung, das Bundesumweltministerium (BMU) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Konzept zur Sanierung vor, das auch eine Lösung für das Geruchsproblem enthalten wird. Das Konzept soll noch in diesem Jahr Bürgermeister Chirtoaca vorgelegt werden.
Schwarz betont, der Münchner Entwässerungsbetrieb wolle mit seinem beratenden Engagement kein Geld verdienen. Der Kontakt zu München kam für Chisinau durch einen Besuch des moldawischen Umweltministers Constantin Mihailescu 2007 in der bayerischen Landeshauptstadt zustande.
Sollte sich die Stadt Chisinau für das deutsche Konzept entscheiden, werden Aufträge wenn möglich an mittelständische Unternehmen vergeben. So begleiteten Vertreter der beiden Firmen Drees & Sommer und Kirchner Engineering Consulting Group die Wasserexperten nach Chisinau.
Zwei unterschiedliche Konzepte stehen also im Wettstreit. Bürgermeister Chirtoaca zeigt sich offen. Er wartet auf das bessere Angebot. Ihm liegt vor allem eine glaubwürdige Lösung am Herzen. Es ärgert den Bürgermeister, dass der Wasserver- und -entsorger ACC in den letzten Jahren mehrere Inbetriebnahmen einer sanierten Kläranlage inszeniert habe. Die Bevölkerung sei belogen worden, klagt Chirtoaca. „Das darf sich nicht wiederholen.“
Aber dem Hauptstadt-Chef ist auch klar, wer auch immer die Kläranlagen saniert, die Gebühren für Trinkwasser und Abwasserentsorgung werden steigen. Eine mäßige Erhöhung würden viele akzeptieren, meint die 30-jährige Mutter. „Wir sind bereit, etwa mehr als 2 € im Monat zu zahlen, wenn die Qualität stimmt und es nicht mehr stinkt.“ Könnte das Wasser aus dem Hahn gefahrlos getrunken werden, würden zudem viele Menschen Geld sparen: Denn eine 1,5-l-Flasche Wasser kostet in Chisinau rund 10 Lei, also etwa 70 Cent.
Und wenn die künftigen Wassergebühren manchem dennoch als zu teuer erscheinen, würden wir überlegen, diese zu unterstützen, ergänzt Bürgermeister Chirtoaca.
RALPH AHRENS
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