Startschuss für das erste deutsche Offshore-Testfeld
30 m Wassertiefe, durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 36 km/h und Wellen über 10 m Höhe.
Das Umspannwerk des Offshore- Windparks (OWP) ist nicht nur der Verknüpfungspunkt mit der seit 2007 im Bau befindlichen Offshore- Erweiterung des Verbundnetzes, es dient außerdem als logistischer Stützpunkt. Irina Lucke vom Energieversorger EWE AG ist verantwortlich für das Teilprojekt.
„Die Plattform des Umspannwerks steht auf einem so genannten Jacket- Fundament, eine Stahlgitterkonstruktion, ähnlich einem Hochspannungsmast, die mit vier Pfählen im Meeresboden befestigt wird. Darauf befinden sich 21 m über dem Meeresspiegel das Kabeldeck mit den Kabelanschlüssen und Räumen für Service- und Montagetechniker, das Hauptdeck mit den elektrotechnischen Anlagen und darüber ein Helikopter Landedeck“, beschreibt Lucke das Bauwerk.
Ab September beginnen die Arbeiten in der Nordsee, dann wird ein Schwimmkran das 450 t schwere und 45 m hohe Jacket am Standort absetzen. Derselbe Kran bringt auch die vier Pfähle, die dann freireitend, also ohne Führung, von einem Spezialhammer gerammt werden. „Die Feinjustierung beim Rammen ist eine Herausforderung, denn jeder einzelne Pfahl ist ca. 35 m lang und 100 t schwer“, erklärt Lucke. „Danach wird die 660 t schwere Topside an ihren Platz gehoben. Bei guten Wetterbedingungen sollten wir das alles in etwa 14 Tagen geschafft haben.“
Die Offshore-Arbeiten beginnen für ihren Kollegen Dr. Bernd Horstmann von Vattenfall New Energy bereits etwas früher. „Die Tripod-Fundamente für die Windenergieanlagen werden zur Zeit bei Aker Kvaerner im norwegischen Verdal gefertigt“, erklärt Horstmann. Die ca. 45 m hohen und 700 t schweren dreibeinigen Ständer werden im Juli von einem dänischen Schwimmkran abgeholt, zum Baufeld transportiert und auf dem Meeresboden verankert.
Dann erfolgt das Startsignal für Dominik Schwegmann von E.on Energy Projects, denn er ist Teilprojektleiter für Türme und Windenergieanlagen. Sechs Anlagen des Typs M5000 von Multibrid bilden die erste Ausbaustufe von Alpha ventus. Die speziell für den Offshore-Betrieb entwickelte 5-MW-Anlage ist besonders leicht, kompakt und hermetisch gekapselt, um der reduzierten Zugänglichkeit und den schwierigen Umweltbedingungen im Meer gerecht zu werden. „Die Gondel der M5000 hat ein vergleichsweise geringes Gewicht von etwa 200 t, aber wir reden hier immer noch davon, ein Gewicht im Größenbereich eines Einfamilienhauses bei Seegang und Wind auf eine Höhe von 90 m über Meeresspiegel zu hieven und zu befestigen“, beschreibt Horstmann den Installationsvorgang.
Nabe und Rotor wiegen zusammen etwas über 100 t, was die Offshore-Installation in einem Arbeitsgang erlauben würde. „Leider ist die Schleuse nicht breit genug für den gesamten Rotor, deshalb werden die Naben mit lediglich zwei vormontierten Rotorblätter in so genannter Bunnystellung auf die Reise gehen“, so Horstmann. Das letzte Rotorblatt wird dann auf See montiert.
Bis zum Aufbau der Windkraftanlagen im September muss allerdings erst die Innerparkverkabelung fertiggestellt sein. Mit wendigen Spezialschiffen werden die 30-kV-Seekabel zwischen den Anlagen mindestens 60 cm tief in den Meeresboden eingespült und mithilfe von Kränen und Winden in die Windkraftanlagen gezogen. Kompliziert ist, so Irina Lucke, das Einfädeln der Kabel in die Tripods. „Hierzu verwenden wir kleine, ferngesteuerte U-Boote, so genannte ROVs.“
So viel Verantwortung bedeutet lange Arbeitszeiten, viele Reisen und wenig Zeit für den Partner, aber die Arbeit in dem außergewöhnlichen Team aus drei unterschiedlichen Energieversorgern macht ihr viel Spaß. Lucke: „Dies ist ein Superlativprojekt. Keiner war bisher mit so großen Anlagen so weit draußen auf dem Meer. Wir erarbeiten täglich gemeinschaftlich Lösungen für völlig neue Probleme und jeden Abend gehen wir ein bisschen schlauer zu Bett.“ Auch ihr Kollege Bernd Horstmann hat trotz der hohen Arbeitslast kein Motivationsproblem. „Wir haben hier als Nation die Möglichkeit, einen neuen Industriebereich zu etablieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen“, gibt er zu bedenken und fügt verschmitzt hinzu: „Außerdem haben mich große Maschinen schon als kleiner Junge fasziniert.“
Kein Zweifel, wer das „Bagger-Gen“ in sich hat, ist auf den Alpha-ventus-Baustellen am richtigen Platz, denn hier ist praktisch alles außergewöhnlich groß und leistungsfähig. Angefangen bei den diversen Spezialschiffen, Schwimmkränen und Hubplattformen bis zu den fertigen Windenergieanlagen, die mit fast 150 m über dem Meeresspiegel so hoch wie der Kölner Dom aufragen. 220 Mio. kWh regenerative Energie, genug für 50 000 Haushalte, sollen sie pro Jahr erzeugen.
Während sich Irina Lucke nach der Inbetriebnahme im Oktober etwas entspannen kann, müssen ihre Kollegen Bernd Horstmann und Dominik Schwegmann die gesamte Prozedur noch einmal wiederholen, denn sechs Anlagen des Typs 5M von Repower sollen im Sommer 2009 das Testfeld komplettieren.
Alpha ventus ist ein großer Meilenstein für die deutsche Offshore-Windindustrie, aber auch andere Nationen blicken diesen Sommer gespannt auf die Nordsee hinaus, denn die industriepolitische Bedeutung reicht viel weiter. Das so genannte „deutsche Problem“ – Windparks auf hoher See in großen Wassertiefen und in großer Distanz zum Land – ist global betrachtet nicht spezifisch deutsch. Viele Staaten haben ähnliche Grundbedingungen und würden die Lösungen für ihre Probleme gerne im Sommer in der Nordsee finden. Koordinaten: 54° 00,0“ N 6°34,4“ E
CLAUDIA SCHEIL
Fundamente für die Windkraftanlagen werden derzeit in Norwegen gefertigt
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