Photovoltaik 29.10.2004, 18:34 Uhr

Sonnenstrom mit Schattenseiten

VDI nachrichten, Berlin, 29. 10. 04 -Heute liefert die hochmoderne Solaranlage auf dem Dach sauberen Ökostrom, doch was ist in zwanzig oder dreißig Jahren? Der Photovoltaik-Markt boomt, und noch hat sich niemand Gedanken um die künftige Entsorgung gemacht. Das Umweltbundesamt wagt jetzt mit einer Untersuchung eine Prognose für abgehalfterte Module und mögliche Wege der Entsorgung.

Die Photovoltaik boomt. Sie gehört zu den am schnellsten wachsenden Technologien unter den erneuerbaren Energien. Ende 2003 waren etwa 400 MW Sonnenenergieleistung installiert, bis Ende 2004 wird mit zusätzlichen 300 MW gerechnet.
Kleine Photozellen machen in Deutschland auf einer Fläche von ungefähr 5 Mio. m2 bis 6 Mio. m2 aus Sonne völlig abgasfrei Strom, schaffen Arbeitsplätze, stärken den Mittelstand in der grünen Branche und katapultieren Deutschland in der Weltrangliste der PV-Strom-Nutzer auf Platz 2 nach Japan – noch vor den USA.
Im September gingen zwei Mammutanlagen auf alten Industrieflächen in Leipzig und bei Merseburg in Betrieb. Sie produzieren als bis dato weltgrößte Anlagen bis zu 5 MW Strom. Allein in der Sachsen-anhaltinischen Anlage von BP Solar stehen 25 000 Sonnenmodule, die rund 1000 Haushalte versorgen. Leipzig bringt es gar auf 33 500 Solarplatten. Und der Trend zum Bau großkalibriger Solarkraftwerke hält an, weitere noch größere Freiflächenanlagen sind schon geplant.
Ausgestattet mit 25 Mio. € Förderung im Jahr wird in Forschungsinstituten an neuen Materialien und Konstruktionen gefeilt, die etwa die Stromausbeute steigern oder die Herstellungskosten senken. Eines wird den Erfindern aber nicht gelingen: „unkaputtbare“ Solarpaneele zu konstruieren. Hat eine Anlage 20 oder 30 Jahre in der Sonne gebrutzelt, gehört sie möglicherweise zum alten Eisen.
Zurück bleiben Aluminiumrahmen und Glas, die mit 85 % bis 95 % den Löwenanteil ausmachen. Der Rest sind die Photozellen, Folien, Kontaktdosen, Kupferverbindungen, Leiterplatten, Bleilote. Und je nach Modultyp auch cadmiumhaltige Verbindungen, wie etwa bei den Dünnschichtmodulen mit Cadmiumtellurid oder Kupfer-Indiuim-Diselenid, kurz CIS.
In einer Untersuchung des Umweltbundesamtes stellen die Wissenschaftler von Ökopol und dem Leipziger Institut für Energietechnik und Umwelt fest, dass bislang noch keine nennenswerten Mengen ausgedienter PV-Module anfallen. Auch in 6 Jahren, bis 2010, wird mit 1100 t noch keine Müllwelle anrollen. In 35 Jahren allerdings steigt die Abfallmenge explosionsartig auf etwa 33 500 t/a an. Das ermittelten die Fachleute aus einer „Absterbekurve“, die den PV-Müll bis auf das Jahr 2040 hochrechnet.
Das Problem an der Vorhersage ist, dass sich aus Alterungstests bisher keine Aussagen über die tatsächliche Lebensdauer ableiten lassen. Hersteller geben teilweise Garantien bis zu 25 Jahren auf ihre Module. Sicher ist, dass der PV-Schrott früher oder später kommt und noch gibt es keine spezifischen gesetzlichen Vorschriften für die Verwertung und Entsorgung von Solarmodulen. „Im Moment ist man weit entfernt von einem Entsorgungsproblem. Gemessen an den in Deutschland zurzeit anfallenden Mengen Elektronikschrott von jährlich bis zu 2 Mio. t haben ausgediente PV-Module momentan eine eher geringe Mengenrelevanz im Vergleich zu diesem Abfallstrom. Dennoch ist es sinnvoll, sich jetzt schon Gedanken über mögliche Entsorgungswege zu machen, da der Aufbau einer den umweltpolitischen Zielen gerechtwerdenden Entsorgungsstruktur einige Zeit in Anspruch nehmen wird“, meint Stéphanie Zangl von Ökopol.
Die Solarbranche diskutiert das Thema vor allem im Zusammenhang mit dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz, ElektroG. Noch fallen die Altmodule nicht in den Geltungsbereich der EU-Richtlinie über Elektro- und Elektronikaltgeräte, WEEE und ihrer nationalen Umsetzung im ElektroG. Photovoltaische Kleingeräte, wie etwa Milchschäumer oder Gartenleuchten, werden mit der Regelung schon erfasst, die konkrete Einbeziehung der Solarpaneele steht aber im Raum.
Eine Rücknahmeverpflichtung würde nach Einschätzung des Geschäftsführers des Bundesverbands Solarindustrie in der Branche nicht auf allzu großen Widerstand stoßen. Denn, so Gerhard Stryi-Hipp: „Die PV-Industrie bezieht die Umweltfreundlichkeit der Photovoltaik nicht nur auf die Produktion von Solarstrom, sondern arbeitet daran, dass auch das Produkt Solarmodul problemlos entsorgt werden kann.“
Für die kristallinen Module, die den größten Marktanteil haben, rechnen die Autoren der Abfallstudie vor: Die Aufbereitung der Siliziumzellen lohnt sich doppelt. Der Einsatz recycelter Zellen würde bei der Herstellung der kristallinen Module rund 80 % weniger Energie verbrauchen als frisches Silizium und zudem den teuren Rohstoff einsparen.
In der zurzeit weltweit einzigen Pilotanlage der Deutschen Solar AG in Freiberg, eine 100 %ige Tochter der Solar AG, werden alte Paneele auf Frischzellenkur geschickt. Die Silizium-Wafer werden thermisch zurückgewonnen, das Substratmaterial wieder aufgebaut und in Neumodulen wiederverwendet. Spätestens ab nächstem Jahr möchte der Leiter Karsten Wambach seine Anlage mit einem kontinuierlichen Abfallstrom von mindestens 150 t PV-Material jährlich weiter auslasten. Dazu soll ein freiwilliges Sammelsystem aufgebaut werden.
Die cadmiumhaltigen Dünnschichtmodule sind mit etwa 1,5 % am Markt vertreten. Weltweit wird auch hier schon an Recyclingmöglichkeiten gearbeitet. Nimmt man das Ökoargument ernst, müsste langfristig auf Cd-freie Alternativen umgestiegen oder zumindest Cadmium entfernt werden, um das giftige Schwermetall aus dem Abfallstrom auszuschleusen. Wirtschaftlich lohnt sich die Rückgewinnung von Cadmium alleine nicht, weil es als Kuppelprodukt aus Verhüttungsprozessen reichlich und preiswert am Markt zu haben ist. Für die knappen Materialien Tellur, Selen oder Indium sieht das anders aus. Nach Ersatzstoffen für Cadmium im Halbleitermaterial wird eifrig gesucht, Würth Solar zum Beispiel experimentiert derzeit noch im Labormaßstab.
Also alles eitel Sonnenschein? Christiane Schnepel, Abfallexpertin im Umweltbundesamt, fasst die Ergebnisse der Studie zusammen: „Die untersuchten Photovoltaikmodule sollten langfristig unter den Geltungsbereich der WEEE und damit auch der ROHS (Restriction of Hazardous Substances) fallen, um die Verwendung insbesondere von Blei und Cadmium zu begrenzen, hohe Verwertungsquoten zu erreichen und die Einsparung von Ressourcen durch das Recycling von Si-Wafern zu unterstützen. Solange die EU-Kommission in Brüssel diesen Weg nicht beschreitet, könnte eine entsprechende Selbstverpflichtung der Photovoltaikbranche die Verwertung der Altmodule wesentlich unterstützen. Ein nationaler deutscher Alleingang sollte wegen der auf EU-Ebene in Teilbereichen notwendigen Harmonisierung der Geltungsbereiche von WEEE und ROHS nicht beschritten werden.“
KATHLEEN SPILOK

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