Sonne produziert direkt Dampf
Sonnenkraftwerke finden schwer Eingang in den Markt, denn ihre Bau- und Betriebskosten liegen immer noch höher als die fossil befeuerter Anlagen. Um die Kosten zu senken, erproben Forscher jetzt in Südspanien eine solarthermische Anlage, die ohne den herkömmlichen Öl-Kreislauf arbeitet.
Die weltweite Baupause währt schon fast ein Jahrzehnt: Nachdem 1991 in Kalifornien neun Rinnen-Solarkraftwerke errichtet und dann in Betrieb gegangen waren, wurde nirgends eine weitere Anlage dieses Typs fertiggestellt. Schuld daran sind vor allem die fallenden Preise für fossile Brennstoffe und für herkömmliche Kraftwerks-komponenten.
Damit thermische Solarkraftwerke marktfähig werden, testet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Köln, seit Anfang des Jahres mit hiesigen und spanischen Partnern auf der Plataforma Solar in Almería 50 m lange Parabolspiegel, in deren Absorberrohr kein Thermo-Öl fließt, sondern Wasser verdampft wird. Dadurch erübrigen sich nicht nur Ölpumpen, die relativ viel Strom benötigen, auch Wärmetauscher, die Energieverluste mit sich bringen, entfallen. Der im Solarfeld erzeugte Dampf soll – wie üblich – Turbinen antreiben, um Strom zu gewinnen. Das DLR erwartet, daß durch die Direktverdampfung sowie verbesserte Kollektoren die Investitionskosten um 20 % sinken und der Gesamt-Wirkungsgrad des Kraftwerks um 20 % steigt.
Der Wirkungsgrad erhöht sich beim „Diss“-Verfahren (Direct Solar Steam) auch, weil der Dampf Temperaturen bis 550 oC erreichen kann, also so heiß wird wie bei konventionellen Kraftwerken. Thermo-Öl ist hingegen nur bis knapp 400 oC beständig außerdem gefährdet es bei Leckagen die Umwelt. Das neue Verfahren stellt freilich hohe Anforderungen an die Ingenieure, denn das Wasser-Dampf-Gemisch ist schwer zu beherrschen. Es erfordert unter Umständen eine aufwendigere Regelungstechnik als bei Einsatz von Thermo-Öl. Schließlich strömt das Gemisch mit Drücken bis 100 bar durch das insgesamt 550 m lange, horizontal angeordnete Absorberrohr. Dabei muß die Rohrwand ständig benetzt sein, damit sie sich nicht zu stark erhitzt.
Mit der umrüstbaren Diss-Anlage in Almería sollen mehrere Prozesse untersucht werden, um eine kostengünstige und sichere Verfahrenstechnik zu entwickeln. Die Tests, für die knapp drei Jahre vorgesehen sind, führen die Forscher zunächst mit einem einzigen Verdampferstrang aus. „Wir brauchen irgendwann ein Scale-up-Experiment, am besten in einem bestehenden Solarkraftwerk“, sagt Gerd Eisenbeiß, Programmdirektor für Energietechnik beim DLR.
„Nur wenn der Once-through-Prozeß funktioniert, liegen die Kosten möglicherweise deutlich niedriger als bei einem System mit Öl-Kreislauf“, urteilt Paul Nava, stellvertretender Geschäftsführer bei der an dem Projekt beteiligten Pilkington Solar International, Köln. Hierbei wird Wasser an einem Ende des Rohrs eingespeist, und am anderen tritt nach nur einem Durchlauf überhitzter Wasserdampf aus.
Sofern die Ingenieure dabei das Rohr aus der horizontalen in eine gekippte Stellung bringen müssen, um Wasser und Dampf zu trennen, bezweifelt Nava, daß sich eine große Kostenersparnis erreichen läßt. Ein Grund dafür: Die Forscher können keine üblichen Spiegelrinnen mit einer Länge von 100 m einsetzen, wenn diese schräg aufgestellt werden müssen. Sie müssen kürzer sein, um übermäßige Windlasten am angehobenen Ende zu vermeiden. Sind die Rinnen aber beispielsweise nur 50 m lang, so erfordert das doppelt soviele Antriebe im Solarfeld wie es sonst nötig ist.
Der Spiegelanbieter Pilkington ist nicht nur an den Versuchen in Andalusien beteiligt. Die Kölner planen überdies gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Fichtner in Stuttgart ein herkömmliches 50-MW-Rinnenkraftwerk, das im Süden der Mittelmeer-Insel Kreta (nahe bei Frangokastello) errichtet werden soll. „Theseus“ (Thermal Solar European Power Station) wäre das größte Sonnenkraftwerk in Europa es könnte ein Siebtel der Inselbewohner mit Strom versorgen. Die Baukosten belaufen sich auf 250 Mio. DM. Paul Nava rechnet mit einem Zuschuß der EU von rund 100 Mio. DM aus dem Topf des Thermie-Programms. Die in Griechenland registrierte Projektgesellschaft Theseus S. A. hat den Bauantrag im Februar beim Ministry for Development in Athen eingereicht.
Es scheint also so, als ob die lange Baupause bald zu Ende ginge. Grund zur Zuversicht gab es schon einmal: Mitte der achtziger Jahre entstand das erste Solar Electricity Generating System (SEGS) in der kalifornischen Mojave-Wüste. Doch 1991, nachdem neun SEGS-Anlagen mit insgesamt 354 MW elektrischer Leistung fertiggestellt waren, riß die Bautätigkeit ab, in erster Linie, weil der Gaspreis und die daran zur Hälfte gekoppelten Erlöse immer mehr sanken. Nicht aber die Stromproduktion: „Die SEGS-Anlagen haben bis heute rund 7 Mrd. kWh – mehr als 60 % des weltweit erzeugten Solarstroms – ins Netz gespeist und so rund 1 Mrd. Dollar erwirtschaftet“, betont Georg Brakmann, Direktor für Solarenergieprojekte beim Ingenieurbüro Fichtner.
GÜNTER EINHAUS
Die Parabolrinnenanlage wandelt mit Sonnenenergie Wasser in Dampf um. Der nachfolgende Kraftwerksteil ist herkömmlich. Die Entwickler erwarten, daß solarthermische Kraftwerke sich wirtschaftlicher als Photovoltaikanlagen betreiben lassen.
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