Sonne hilft kühlen Kopf zu bewahren
VDI nachrichten, Düsseldorf, 21. 7. 06, mg – Wer bei Solarwärme nur an Heizen denkt, mag kaum glauben, dass die Sonne an heißen Tagen auch zum Kühlen beitragen kann. Das Kühlen mit Solarenergie ist auf dem Vormarsch. In Europa liefern bereits rund 100 Solarwärmesysteme die nötige Energie für Kühl- und Klimatisierungsprozesse.
Während des Hochsommers arbeiten die Stromnetze nicht nur in den heißen Regionen der Erde an der Belastungsgrenze, weil Millionen von Klimaanlagen im Dauerbetrieb laufen. Nicht zuletzt die immer zahlreicher genutzten „Baumarkt“-Kühlgeräte tragen mit dazu bei. Stromausfälle, wie zuletzt in Italien, könnten dadurch zunehmen. Dabei ist die Erzeugung von Kälte aus Sonnenenergie eine intelligente Alternative. „Man kann auch mit Solarwärme kühlen“, weiß Prof. Reinhard Leithner, Leiter des Instituts für Wärme- und Brennstofftechnik der TU Braunschweig. „Die Wärme kann direkt zur Kühlung genutzt werden.“
Das Prinzip ist einfach: Der warmen Raumluft wird durch Anlagerung an die Oberfläche geeigneter Materialien – etwa Silicatgel – Wasser entzogen (Adsorption). Die Verdunstungskälte kühlt. Damit die Adsorptionsmaterialien später wieder Feuchtigkeit aufnehmen können, werden sie durch Wärme, die ein Sonnenkollektor liefert, getrocknet. Der Clou dabei: Weil der Verursacher der hohen Temperaturen, die Sonne, als Antrieb für eine solche Kältemaschine genutzt wird, steht bei hohem Kältebedarf auch immer genug Energie zum Kühlen zur Verfügung. Die solare Kühlung hat dadurch kein Speicherproblem.
„Solares Kühlen wird praxisfähig“, so lautete das Fazit des Symposiums Solares Kühlen in der Praxis, das kürzlich in Stuttgart stattfand. In Europa liefern bereits rund 100 Solarwärmesysteme die nötige Energie für Kühl- und Klimatisierungsprozesse: Betriebserfahrungen in größeren Gebäudekomplexen wie in Hotels in der Türkei, im Umweltbundesamt in Dessau, in Produktionsstätten in Singapur und Deutschland oder im Ökopark Hartberg in Österreich zeigen, dass solare Technologien funktionieren – und auf einem guten Weg zur Wirtschaftlichkeit sind.
Bereits seit 2003 läuft unweit von Stuttgart die europaweit erste Sorptionsklimaanlage mit solaren Luftkollektoren für eine industrielle Produktionshalle. Auf dem Werksdach des Möbelrollenherstellers H.C. Maier in Althengstett erzeugt ein 100 m2 großes Feld solarer Luftkollektoren thermische Energie zur Kühlung der Halle mittels Sorptionsklimaanlage, um die Abwärme der Produktionsmaschinen zu beseitigen.
Eine solar gestützte Flüssigsorptionsanlage versieht auch in einem Bürogebäude in Amberg ihren Dienst. Und in Ingolstadt treiben 50 Flachkollektoren vom Typ Conergy F 6000 im Neubau des Güterverkehrszentrums eine Kühlanlage an, die ihre Energie aus der Sonne bezieht. Das Grazer Unternehmen Solid errichtet derzeit in Phoenix, US-Bundesstaat Arizona, eine Solaranlage für ein Gartenzentrum. Bei den dort herrschenden Sommertemperaturen von bis zu 50 °C soll die Anlage freilich nicht zum Heizen dienen – sondern vielmehr die Kosten der Klimaanlage beim Kühlen senken.
„Gerade vor dem Hintergrund, dass der weltweite Bedarf an Klimatisierung kontinuierlich wächst, ist die solare Klimatisierung eine zukunftsfähige Alternative zu herkömmlichen Klimaanlagen“, erklärt Christian Stadler, Chairman der Arbeitsgruppe Solare Klimatisierung der European Solar Thermal Industry Federation (ESTIF). „Solare Kühlungssysteme versprechen große Wachstumschancen und bieten einen neuen, ausbaufähigen Absatzmarkt für Solarkollektoren in Europa“, erläutert Stadler. Der Markt für kleine Kühlanlagen ist vor allem in südlicheren Ländern riesig. Solares Kühlen würde dort die Stromnetze ganz erheblich entlasten und den Energiebedarf senken.
Zu den ersten Anbietern, die die Marktchancen nutzen wollen, zählt die österreichische Solution GmbH. Sie hat sich auf solare Kühlanlagen für Hotels, Gewerbe, Gastronomie, Kühlräume und Bürogebäude spezialisiert. Die Paketlösungen reichen von 15-kW-Absorptionskälteanlagen mit 40 m2 Flachkollektoren für rund 37 000 € bis zur 54-kW-Anlage mit 130 m2 Kollektoren für 114 000 €. Im Solution-Firmengebäude ist bereits eine Demonstrationsanlage im Einsatz: Dabei werden 350 m² Bürofläche im Sommer klimatisiert und im Winter beheizt. Deshalb muss es auch richtigerweise heißen: „Kühlen und Heizen mit der Sonne“, gibt man bei Solution zu bedenken.
Besonders interessant für solares Kühlen seien die kleinen Leistungsbereiche zwischen 2 kW und 3 kW, wie sie häufig im Baumarkt über die Ladentheke gehen, weiß Ursula Eicker, Veranstalterin des Stuttgarter Symposiums und Bauphysikprofessorin an der Hochschule für Technik in Stuttgart, wo man auch an Neuentwicklungen im Flüssigsorbtionsbereich arbeitet: Zunächst wird die Außenluft durch eine Salzlösung entfeuchtet und anschließend wieder befeuchtet. Durch die adiabate Kühlung, wie man sie auch von einem nassen Handtuch kennt, wird sie dann entsprechend heruntergekühlt wieder dem Raum zugeführt. Die Solarenergie wird dabei lediglich für die Regeneration der Salzlösung genutzt. EDGAR LANGE
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