Solarpark auf Rekordkurs
VDI nachrichten, Brandis, 31. 8. 07, sta – Ende 2009 soll das riesige Kraftwerk im 9700-Einwohner-Städtchen Brandis fertig sein. Es wird sich dann auf einer Fläche von rund 200 Fußballfeldern ausdehnen. Experten erwarten, dass die Anlage 16 000 Haushalte mit Strom versorgen kann. Damit der „Saft“ auch bei schlechterem Wetter fließt, wird eine innovative Dünnschichttechnologie verbaut. Sie ist bei ungünstigen Lichtverhältnissen angeblich effektiver als konventionelle Solarzellen auf Silizium-Basis und hilft obendrein, Halbleitermaterial einzusparen.
Sturzbäche fallen vom Himmel über Brandis. Matthias Willenbacher setzt trotzdem sein strahlendstes Lächeln auf. Fröhlich stakt der junge Vorstand der Juwi Solar GmbH durch nasses Gras und Matsch. Sein Ziel: eine große Digitaltafel. Ablesbar ist dort die aktuelle Ausbeute des jüngsten Photovoltaikkraftwerks, das unter seiner Regie entsteht. Rote Leuchtschrift verheißt: „Leistung: 0,98 MW.“ „Bei einem verregneten Tag wie diesem ist das eine ganze Menge!“, freut sich der Diplomphysiker, der sich bereits sein ganzes Berufsleben mit regenerativen Energien beschäftigt. Immerhin sei dies rund 15 % der maximal möglichen Leistung.
Das Kraftwerk ist noch lange nicht fertig. Von den insgesamt geplanten 40 MW Leistung sind im Moment erst 6 MW installiert. Die räumliche Ausdehnung der Anlage ist aber schon jetzt beachtlich. Besucher können sich von einem bereitstehenden Hubsteiger einen Überblick verschaffen. Zu sehen sind Hunderte Meter von Aluminiumtischen, auf denen stets im 30 °-Winkel die schwarzblauen Solarpaneele der gerade abwesenden Sonne harren. „Gut 100 000 Module sind hier bereits verbaut“, erklärt Juwi-Bauleiter Ingo Rödner. „450 000 werden noch folgen.“ Immerhin solle die Anlage nach Fertigstellung Ende 2009 einmal die Fläche von 200 Fußballfeldern einnehmen.
Willenbacher, der 1999 mit seinem Partner Fred Jung die Juwi Solar GmbH gründete, schwelgt derweil in Erinnerungen. „Als ich 1999 meine erste Solaranlage mit 1,1 kW auf einem Dach errichtet habe, empfand ich das schon als etwas Großartiges. Aber dieses Projekt stellt alles Bisherige in den Schatten.“
Ideeller Vater der Anlage ist der Bürgermeister von Brandis, Andreas Dietze. Jahrelang hatte der studierte Chemieingenieur für den verwaisten Militärflugplatz im Ortsteil Waldpolenz eine friedliche Nutzung gesucht. „Ideen gab es zuhauf“, erinnert er sich. Erst dachte man an einen Verkehrsübungsplatz, dann an eine Wohnstadt für Spätaussiedler, einen großen Vergnügungspark, ein riesiges Schießsportzentrum… Doch alles zerschlug sich wieder aus den verschiedensten Gründen.
Vom Hubwagen aus erkennt Dietze, wie seine Vision Gestalt annimmt. Er ist offensichtlich schwer beeindruckt. Trotz des Regens zückt er seine Digitalkamera, um das Erreichte für die Nachwelt festzuhalten. Nur mit einem halben Ohr vernimmt er die frohe Botschaft, die ihm Hans-Jürgen Schlegel vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie in luftiger Höhe zuruft. Demnach reiche der in Waldpolenz produzierte Sonnenstrom, um den Bedarf von 16 000 Haushalten zu decken. Zumindest gelte das für Sachsen: „Hier liegt der Verbrauch nur bei 2460 kWh im Jahr“, so der Ingenieur für Klimatechnik.
Das Gelände für das Kraftwerk ist flach und schier unendlich weit. Die Anfahrt führt über lange Betonpisten – die einstigen Start- und Landbahnen. Zwischen den Fugen sprießt das Gras, vor den Hangars weiden Schafe. Raum ist also reichlich vorhanden – und wohl auch nötig, wie Kritiker monieren. Ihre Argumentation: Mit herkömmlichen Modulen aus Siliziumkristallen hätte die halbe Fläche für die angepeilten 40 Mio. Watt gereicht. Juwi hat sich stattdessen aber für eine neuere Dünnschichttechnologie entschieden. Dabei wird das Halbleitermaterial Cadmium-Tellurid auf Glas aufgedampft. Das auf dem Markt knapper werdende Silizium wird nicht mehr benötigt. Einziger Haken: Der Wirkungsgrad der innovativen Solarzellen ist geringer. „Das gilt aber nur unter Idealbedingungen“, kontert Juwi-Pressesprecher Christian Hinsch. „Bei ungünstigen Lichtverhältnissen sind unserer Zellen sogar effektiver als die konventionellen Module auf Silizium-Basis.“
Ist das vermeintlich diesige Westsachsen deshalb der ideale Standort für das gewaltige Photovoltaikkraftwerk? Hans-Jürgen Schlegel vom Landesamt für Umwelt und Geologie wischt sich den Regen vom Cape und alle Zweifel beiseite: „Wir befinden uns hier auf einer Hochebene, wo immer ein Lüftchen geht. Etwaiger Nebel wird schnell vertrieben. Außerdem haben wir hier eine sogenannte Strahlungsinsel.“ Mit 1055 kWh Sonneneinstrahlung je m² und Jahr auf der ebenen Fläche rangiere das Gebiet östlich von Leipzig nur wenig hinter den sonnenverwöhnten Gebieten um Würzburg oder München.
Der Regen lässt langsam nach. Kurz schaut sogar mal die Sonne durch. Bauleiter Rödner gibt seinen Männern ein Zeichen, dass es weiter geht. Mehrere Trupps rot bedresster Monteure ziehen zurück auf das Feld. Dabei laufen sie durch einen Wald aus verzinkten Profileisen. Diese jeweils insgesamt 2,86 m langen Stützen wurden kurz zuvor von einer dieselgetriebenen Ramme um gut die Hälfte im Erdreich versenkt. Bedient wird das Kettenfahrzeug von Manuel Kirchberger. Trotz des Höllenlärms macht ihm seine Aufgabe Spaß. „Wäre ja auch schlimm, wenn es anders wäre. Wir müssen ja noch 37 000 Eisen in den Boden kriegen!“ Hinter ihm ragen bereits Hunderte Träger wie leere Wäscheständer in den aufklarenden Himmel. An einigen wurden schon angewinkelte Stützen sowie quer liegende Fetten aus Aluminium verschraubt.
Vergleichsweise leise geht es bei den Modulmonteuren im Südfeld der Anlage zu. Sie bugsieren die 120 cm mal 60 cm großen Platten mit Hilfe eines Gummihammers in die für sie vorgesehenen Clip-Halterungen. An den Stellen, wo die Clips einrasten, wurden zuvor Gummischoner aufgesteckt. In weniger als einer Stunde ist eine komplette Kiste mit 50 Modulplatten verlegt.
Ein halbes Fußballfeld hinter den Modulverlegern kraucht Thomas Wiesner im Entengang unter den Aluminiumtischen entlang. Er verkabelt die einzelnen Module, führt dann die Leitungen mehrerer Tische in Generatoranschlusskästen zusammen, „wo sie plus-/minusseitig gesammelt und an die Wechselrichterstationen weitergegeben werden“, erläutert der Elektriker von der Firma Windolph aus Mölkau bei Leipzig. Nun kniet er vor solch einem Schrein, prüft noch einmal die Kontakte und setzt die Sicherung ein: Die zunächst als Gleichstrom aufgefangene Sonnenenergie kann fließen¿
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