Solarlamellen spenden Schatten und liefern Strom
VDI nachrichten, München, 10. 11. 06, mg – Einem Münchner Architekten kam die Idee, die an Gebäudefassaden angebrachten Sonnenschutzlamellen auch zur Energiegewinnung zu nutzen und ließ sich dies auch patentieren. Jetzt laufen auf dem Dach der TU München Versuche mit der fassadenintegrierten Photovoltaik. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich das Verfahren energetisch und wirtschaftlich lohnen kann.
Seit einigen Jahren boomt der Solarmarkt, jetzt ist man an der Technischen Universität München einem weiteren Anwendungsfeld für Photovoltaikanlagen auf der Spur. Seit gut eineinhalb Jahren läuft dort am Lehrstuhl für Thermodynamik in Kooperation mit der Firma SunThink eine Versuchsreihe mit Solarlamellen – also Jalousien, auf denen Photovoltaikmodule aufgebracht wurden. Damit würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Jalousie würde Sonnenschutz für die Innenräume bieten und gleichzeitig als Energiespender dienen. „Die Frage, ob sich dieses Verfahren energetisch und wirtschaftlich lohnt, können wir mittlerweile mit Ja beantworten“, so das erste Fazit von Versuchsleiter Markus Spinnler, zuständig für das „Solare Forschungsfeld“ an der TU München.
Der hochmoderne Campus der Technischen Universität München liegt eine Autoviertelstunde draußen vor den Toren der bayerischen Landeshauptstadt. Etwa 5000 Studenten studieren hier. Rund 50 Mitarbeiter sind am Lehrstuhl für Thermodynamik tätig und beschäftigen sich hauptsächlich mit Verbrennungsforschung. Vier der Mitarbeiter allerdings widmen sich einem „Konkurrenzfeld“ – sie forschen auf dem Gebiet der Solarenergie. Zum Beispiel wie der Wärmetransport in so genannten Doppelfassaden vor sich geht, also jenen Gebäuden, bei denen vor die eigentliche Fassade noch eine Glaswand angebracht wurde.
Oben auf dem Dach der Fakultät Maschinenwesen sind die entsprechenden Versuchsanordnungen zu sehen. Und daneben das jüngste Forschungsprojekt – die Photovoltaiklamellen. Der Anstoß zu dieser Forschung kam von einem Münchner Architekten, der eines Tages auf die Idee kam, dass die Sonnenschutzlamellen auch zur Energiegewinnung benutzt werden könnten und sich diese Idee auch patentieren ließ.
Versuchsleiter Spinnler verdeutlicht die Dimensionen einer derartigen Nutzung: 7 Mio. m2 Jalousien werden pro Jahr in Deutschland gefertigt, würde nur 1 % davon auch Solarstrom produzieren, könnte man damit mehr als 3000 Haushalte versorgen. Mit 4,5 MW entspricht das in etwa der Leistung von großflächigen, fest angeordneten Solarparks, wie sie derzeit installiert werden.
Bisher untersuchten die Wissenschaftler der TU mit einer Machbarkeitsanalyse, wie sich Energiegewinnung mit der ursprünglichen Aufgabe der Jalousie – dem Spenden von Schatten – verträgt. Zu diesem Zwecke wurde auf dem Flachdach des Instituts ein Doppelfassaden-Teststand mit integrierten Photovoltaiklamellen installiert. Die zwei Labormuster sollten vor allem folgende Ergebnisse bringen: die Bestimmung von Spitzenleistungen, den Test von Nachführstrategien und die numerische Simulation von Ganzjahreserträgen.
Dazu wurden die einzelnen Lamellen der Jalousie im unteren, mittleren und oberen Bereich mit noch konventionellen Dünnschichtmodulen versehen, geplant ist aber die Integration flexibler Dünnschichtzellen. Das Ergebnis der Versuche: In deutschen Breitengraden arbeiten aufgrund der Nachführung der Lamellen zum Sonnenstand die beiden unteren Solarzellen-Bereiche wirtschaftlich: Mit ihnen lassen sich jeweils 85 % und 95 % einer optimal fixierten, 30 Grad nach Süden ausgerichteten Solarzelle erzielen.
Das Forschungsprojekt, das bereits vom Solarenergieförderverein Bayern finanziell unterstützt wird, soll nun in die zweite Phase gehen. Dabei wird man die Datenbasis für die Jahressimulationen verbreitern, indem man z. B. auch Messungen an einer Westfassade vornimmt. Auch andere geographische Standorte sollen berücksichtigt werden. So wird das SunThink-System auch bei einer wissenschaftlichen Konferenz in Südindien vorgestellt.
Unter dem Titel „SunThink. Entwicklung und Simulation eines aktiven Sonnenschutzsystems als fassadenintegrierte Photovoltaik“ entstand am Lehrstuhl für Thermodynamik auch bereits eine Diplomarbeit zu diesem Thema. Das Fazit: „Mit den üblichen Rechnungen der Finanzmathematik konnte durch die Kenntnis der Einstrahlung und der Wirkungsgrade die Energie und damit der Gewinn eines SunThink-Generators errechnet werden. Die Dünnschichttechnik kommt derzeit über ein Nischendasein nicht hinaus, aber wird sich in den nächsten Jahren stark entwickeln. Eine Abschätzung der Modulpreise ergibt eine Investitionssumme für die Solarlamelle und mit den finanziellen Werten dieser Technik kann auf eine Rentabilität geschlossen werden.“
Mittlerweile haben zudem zwei Architekturbüros mit dem SunThink-Konzept an einem bundesweiten Wettbewerb des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit teilgenommen und interessieren sich mehrere Hersteller für das innovative Konzept.
RUDOLF STUMBERGER
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