Ölsand „kocht“ im magnetischen Wechselfeld
Kanada setzt auf Ölsand. Doch Abbau und Verarbeitung zu synthetischem Rohöl verbrauchen viel Energie und Wasser. Auf der Suche nach klimafreundlicheren Lösungen hat Siemens ein neues Verfahren entwickelt, das Induktion zur Erwärmung des Ölsandes einsetzt. Die Forscher rechnen damit, durch dieses Verfahren die Förderung bereits in zwei Jahren deutlich zu beschleunigen und gleichzeitig den Wasserverbrauch drastisch zu senken. VDI nachrichten, Düsseldorf, 30. 1. 09, mg
Weite Teile der kanadischen Provinz Alberta gleichen einer gespenstischen Mondlandschaft. Riesige Schaufelbagger räumen unter extremen klimatischen Bedingungen die an der Oberfläche gelegenen Ölsandhalden ab. Zurück bleiben schwarze Kraterlandschaften. Lokale, nationale und internationale Umweltschutzorganisationen, darunter der WWF, fordern daher, den Abbau zu stoppen, bis eine klimaverträgliche Strategie vorliegt. Dies gilt auch für den Abbau der tiefer gelegenen Reservoirs an Ölsanden, die den weitaus größten Teil der auf rund 178 Mrd. Barrel (159-Liter-Fass) geschätzten Menge an Erdöl in den sandigen Böden darstellen.
Ungeachtet der Proteste fördern die in Kanada tätigen Energiekonzerne seit 2002 unterirdische Ölsandvorkommen mit verschiedenen Methoden. Die gängigsten Verfahren arbeiten mit dem Prinzip, bis zu 300 °C heißen Wasserdampf über ein Rohr in das Reservoir einzuleiten. Werden die mit dem zähen Bitumen ummantelten Sandkörner einige Wochen lang derart bedampft, löst sich die schwarze Masse von den Körnern und tropft in eine Drainage. Dort fließt es bis zum Ende der Leitung, wird zutage gefördert und weiter zu Rohöl verarbeitet. Ziel der Ölindustrie ist es, die Fördermenge von derzeit über 2 Mio. Barrel Rohöl täglich bis 2015 auf 3 Mio. Barrel am Tag zu steigern.
Bisheriger Abbau in Kanada verbraucht sehr viel Erdgas
Der größte Kritikpunkt ist, dass der Abbau unter Tage große Mengen an Energie verschlingt, die vor allem aus den großen Erdgasvorkommen Kanadas stammen. „Saubere“ Energie werde also für die Gewinnung von „schmutziger“ Energie eingesetzt. Außerdem benötigt die Herstellung von 1 Barrel Bitumen rund 4 Barrel Wasser.
Das ist für Forscher von Siemens viel zu viel. Sie wollen den Prozess der Lösung des Bitumens vom Sand durch den Induktionseffekt beschleunigen. Das Verfahren funktioniert bereits in der Simulation und im Labor: In einer mit leitfähigem Sand gefüllten großen Wanne verläuft eine thermisch isolierte Kupferspule, der Induktor. Wird diese unter Strom gesetzt, erzeugt sie ein magnetisches Wechselfeld. Dieses Feld wiederum verursacht im leitfähigen Sand Wirbelströme, die das mineralisierte Wasser langsam aufwärmen – dies ist derselbe Effekt wie bei einem Induktionsherd in der Küche.
„Die Wärmeeinwirkung durch Induktion ist gleichmäßiger und durchdringt mehr Volumen als die Erwärmung durch Dampf, die den Sand lokal erhitzt“, erklärt Bernd Wacker von Siemens Corporate Technology. Da die Ölsandvorkommen in Kanada sehr feucht sind und daher eine gute Leitfähigkeit besitzen, eignen sie sich sehr gut für die Induktionsmethode. Andere Ölsandvorkommen, etwa im US-Bundesstaat Utah, sind dagegen trocken und müssten zuvor befeuchtet werden.
Auf den Effekt setzen die Entwickler von Siemens. „Der Einsatz der elektrischen Erwärmung zusätzlich zur Bedampfung ist erst der Anfang“, erklärt Wacker. Der Wasserverbrauch von 4 Barrel für die Produktion von 1 Barrel Bitumen könnte sich durch das Induktionsverfahren halbieren. Je nach Beschaffenheit des Reservoirs ist es sogar denkbar, den Ölsand nur elektrisch zu erwärmen und auf Dampf völlig zu verzichten.
Das wäre ein entscheidender Schritt in Richtung Klimaschutz. Dann könnte die In-situ-Gewinnung von Bitumen nicht nur völlig ohne Wasser auskommen, sondern die Energie könnte auch aus erneuerbaren Quellen stammen. Doch noch muss das Verfahren schrittweise skaliert und getestet werden. Schon jetzt erwartet Wacker: „Mit unserem Verfahren würde sich die Fördermenge gegenüber der konventionellen Methode um 20 % erhöhen.“ K. NIKOLAUS
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