Energie 18.02.2005, 18:37 Uhr

Nach Rückschlägen steht die Branche wieder unter Strom

Die Zeiten, in denen Technik bis herunter zur Leiterplatte fast ausschließlich aus Deutschland kam, sind endgültig vorbei. Gefragt ist heute die Integration aus Hard-, Software und Service. Das birgt Chancen für Teamworker.

Heinz-Peter Paffenholz, Vorstand beim Energie- und Automationskonzern ABB, ist von der Zukunftstauglichkeit der deutschen E-Technik und Elektronikbranche überzeugt. „Ich würde einem Abiturienten empfehlen, Ingenieurwissenschaften zu studieren.“ Paffenholz weiß, wovon er spricht: Neben seiner Vorstandstätigkeit leitet er die ABB-Tochter Busch-Jaeger Elektro, Lüdenscheid, einen führenden Anbieter von Hausinstallationstechnik. Hier arbeitet man schon heute am vernetzten Haus der Zukunft, dessen Bewohner alles von überall her fernsteuern kann – sei es Heizung, Alarmanlage, Licht oder Audio-Video-System. „Ideen und Innovationen – das sind nach wie vor die Stärken der deutschen Elektrotechnikbranche“, lobt Vorstand Paffenholz.
Tatsächlich stehen die E-Technik und Elektronikbranche hier zu Lande wieder unter Strom. Nach einem kurzen Absturz in Folge des New Economy-Crashs zeigen die Beschäftigungszahlen wieder nach oben: 171 925 Elektroingenieure zählte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg – das sind rund 3000 Angestellte mehr als noch 1999. „Das Umfeld ist schwierig, aber die Branche steht insgesamt gut da – vor allem im Exportbereich“, bestätigt Michael Stadler, Präsident des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE), Frankfurt. Er rechnet mit einer Fortsetzung des Aufwärtstrends.
Welche Märkte wachsen künftig am schnellsten? „Langfristig die Nanotechnik, mittelfristig die Medizintechnik“, schätzt VDE-Präsident Stadler. Hintergrund: Im Zuge der demographischen Entwicklung altert Deutschland, mehr Krankheiten treten auf, das Land könnte sich als eine Art Labor für neue Behandlungsmethoden entwickeln. Dieser Trend speist neben der Medizintechnik auch das Wachstum bei Sicherheitstechnik und Hausautomation.
Ein traditionelles E-Segment verspricht ebenfalls weiter gute Geschäfte: die technische Infrastruktur. „Es gibt hier zu Lande einen regelrechten Investitionsstau“, beklagt Gotthard Graß, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), Frankfurt am Main. Als Beispiel nennt er die Mittel- und Hochspannungstechnik. Die vorhandenen deutschen Stromnetze gelten zu großen Teilen als veraltet und müssten dringend erneuert werden. Hinzu kommen prospektive Ausbauprojekte, etwa zur Anbindung von Offshore-Windparks an das Netz.
Grundsätzlich vollzieht sich quer durch die Elektrotechnik- und Elektronik-Branche die gleiche Entwicklung: weg vom Produkt, hin zur Lösung. Die Zeiten, in denen Technik bis herunter zur Leiterplatte fast ausschließlich aus Deutschland kam, sind endgültig vorbei. Gefragt ist heute die Integration aus Hard-, Software und Service. „Wir müssen den Kunden heute Komplettlösungen anbieten“, bestätigt ABB-Vorstand Paffenholz. Von dieser Entwicklung profitieren neben den Produzenten vor allem Dienstleister und Beratungsunternehmen.
Natürlich geht auch in dieser Branche das Gespenst Offshoring um. Die meisten Experten glauben jedoch nicht, dass Forschung und Entwicklung komplett nach Übersee verlagert werden. „Die Entwicklungsarbeit eng am Kunden in Deutschland oder USA kann nicht im fernen Indien stattfinden“, wendet Graß von ZVEI ein. Zumal die Zeit für den Standort Deutschland arbeitet. Hintergrund: Im mittleren Management indischer Firmen sind die Gehälter seit 2002 jährlich um 30 % gestiegen und liegen im Schnitt schon bei 31 100 Dollar. Der Kostenvorteil schwindet, der Innovationsstandort Deutschland gewinnt wieder an Attraktivität.
Das sind gute Nachrichten für junge Elektroingenieure: „Der Beruf bietet überdurchschnittlich gute Chancen, jetzt und zukünftig“, sagt ABB-Vorstand Paffenholz. Allerdings nehmen die immer weniger Studienanfänger wahr: Im Wintersemester 2004/2005 haben sich insgesamt 17 136 Studierende in den Fächern Elektro- und Informationstechnik eingeschrieben – rund 5 % weniger als im Jahr zuvor. Schon heute könnten die jährlich 8000 Absolventen den Bedarf nicht decken, beklagt der VDE. Verbandschef Stadler schließt nicht aus, dass es auf dem Arbeitsmarkt für E-Techniker bald so wild zugeht wie auf dem für Informatiker während der goldenen Internetjahre – mit täglichen Headhunteranrufen und hohen Prämien bei Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages.
Zugegeben: Derzeit stellt sich der Arbeitsmarkt mit 6,9 % Ingenieuren ohne Beschäftigung noch nicht allzu rosig dar. Aber die Aussichten sind gut, vor allem für Spitzenkräfte. „Wir suchen Leute, die in Zusammenhängen denken können und kaufmännisch gebildet sind“, so ABB-Arbeitsdirektor Paffenholz. Er gibt das Zukunftsmotto für die E-Technik und Elektronikbranche aus: „Weniger verwalten, mehr gestalten“. CONSTANTIN GILLIES

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