Mit Strom aus Heizkraftwerken an die Börse
Der Stromhandel bietet neue Absatzchancen für Strom aus der Kraft-Wärme-Kopplung. Wegen des hohen Aufwandes und der Risiken im Handelsgeschäft lassen aber die meisten Anlagenbetreiber noch die Finger davon.
Normalerweise legen die Stadtwerke Leipzig ihr Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerk (GuD) zwischen den Heizperioden still. Dann ist der Fremdbezug von Strom und Wärme günstiger als die Eigenerzeugung mit dem teuren Brennstoff Gas. Im vergangenen Juni warfen die Stadtwerke ihr Kraftwerk trotzdem wieder für einige Tage an: Die damals hohen Preise an der Leipziger Strombörse European Energy Exchange (EEX) machten es trotz der hohen Anlaufkosten rentabel, Spitzenstrom für den Spotmarkt zu produzieren.
„Wenn der Strompreis über 80 $ pro Megawattstunde steigt, können wir daran denken, unser Kraftwerk auch im Sommer einzusetzen”, erklärt Stadtwerke-Prokurist Peter Lintzel. „Das wird aber eine Ausnahme bleiben.” Im Winter wird dagegen „echter” Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) – also mit gleichzeitiger Wärme-Erzeugung – an der EEX verkauft. Diese Menge bleibt allerdings mit 10 GWh bescheiden. „Die Zusatzerlöse dadurch bewegen sich im fünfstelligen Euro-Bereich”, berichtet Linzel. „Wir nutzen die Börse vor allem dazu, unser gesamtes Strom-Portfolio zu optimieren.” Insgesamt bewegt der Energiehandel der Stadtwerke Leipzig jährlich immerhin 3 TWh
(3 x 1012 Wh).
Thomas Pilgram, Marketingleiter bei der EEX, würde gern mehr Betreiber von KWK-Anlagen an der Börse sehen – wo sie entweder selbst oder über einen zugelassenen Broker ihren Strom vermarkten könnten. Die zweite Januar-Woche mit eisigen Temperaturen und Kraftwerks-Ausfällen habe gezeigt, welche attraktiven Preise hier zu erzielen seien. So kam für den 7. Januar im Spothandel beim „Rush Hour”-Block von 16.00 bis 20.00 Uhr ein Preis von 522 $/MWh zustande, im „Evening”-Block von 18.00 bis 24.00 Uhr ging der Strom für 333 $/MWh weg.
„Wer bei solchen Preisen Strom zu verkaufen hat, bei dem relativiert sich der Aufwand für den Börsenhandel”, findet Pilgram. Damit die Betreiber keine Verluste machen, wenn der EEX-Preis wie zu Silvester bis auf Null abrutscht, empfiehlt er eine Absicherung durch ein Optionsmodell.
Um die Vermarktung von Strom aus KWK-Anlagen an der Börse und im OTC-Handel zwischen Unternehmen sowie bei eigenen Kunden bemüht sich die Komstrom AG, Leipzig. Der Strom-Großhändler stieß bisher auf großes Interesse bei Industrieunternehmen, die den Strom aus ihren Anlagen gern über Komstrom absetzen würden. Ein Geschäft hat sich allerdings bisher nicht daraus entwickelt.
„Die erzielbaren Gewinne locken zunächst”, berichtet Komstrom-Vorstand Manfred Volkmar. „Wenn die Leute dann aber den dafür nötigen Aufwand und die Risiken sehen, dann schmilzt der Vorteil immer mehr zusammen.” Über die Analyse des jeweiligen Kraftwerks, die Verhandlungen mit Netzbetreibern, das Bilanzkreis- und Fahrplan-Management sowie die Ausfallsicherung müssen sich schließlich hoch spezialisierte Experten in jedem Einzelfall den Kopf zerbrechen.
Bei der Getec Energie in Hannover läuft das Geschäft mit dem Strom aus KWK-Anlagen dagegen schon gut. Der Strom-Großhändler, der jährlich insgesamt 3 TWh handelt, deckt knapp ein Drittel seines Strombezugs aus KWK-Anlagen – vor allem von industriellen Betreibern. Ein Teil davon kommt auch aus Contracting-Anlagen der Schwesterfirma Getec in Magdeburg. „Die Anlagengröße sollte im Regelfall bei mindestens 1 MW liegen, damit die Erlöse den Aufwand decken”, sagt der Vertriebsleiter der Getec Energie, Stefan Pöhling. Die Hannoveraner Stromhändler nutzen neben dem OTC-Handel und der direkten Versorgung von Kunden auch die Strombörse EEX als Vertriebskanal für ihr Strom-Portfolio.
Über Stromhändler verkauft beispielsweise die SWE Strom und Fernwärme GmbH Erfurt jährlich 100 GWh aus ihrem Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk, das im Jahr insgesamt 500 GWh erzeugt. „Wir wollen jetzt noch ein Jahr lang Erfahrungen im Stromhandel sammeln, bevor wir an die Börse gehen”, erklärt Prokurist Helmut Suske. „Für uns ist es wichtig, dass wir selbständig im liberalisierten Markt agieren können.” Immerhin hat den Erfurtern schon das erste „Lehrjahr” im Stromhandel ein wirtschaftliches Plus gebracht. STEFAN SCHROETER
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