Mehr Wettbewerb beim Gas durch Brennstoffhandel
Brennstoff- und Heizölhändler sollen für ihn Erdgas verkaufen.
Obwohl die Liberalisierung des deutschen Gasmarkts nur schleppend vorangeht, lassen sich ideenreiche neue Mitspieler nicht davon abhalten, erste Duftmarken zu setzen. Besonders deutlich hat dies die NatGas Aktiengesellschaft getan. Dem in Berlin und Potsdam ansässigen Newcomer darf künftig eine beachtliche Rolle im deutschen Gasmarkt zugetraut werden. Anlass zu dieser Einschätzung gibt ein potenter Aktionärskeis, der zugleich ein interessantes Vertriebskonzept repräsentiert: Gut 80 unabhängige Firmen des Brennstoff- und Mineralölhandels stehen als Anteilseigner hinter dem Unternehmen und fungieren zugleich als Vertriebspartner.
Für NatGas und die Brennstoffhändler ist dies eine vorteilhafte Verbindung: Der Gasanbieter verfügt dadurch über den Vorteil, vom Start weg ein fast flächendeckendes Vertriebsnetz nutzen zu können. Die Brennstoffhändler, im Substitutionswettbewerb gegen das Erdgas seit Jahren auf dem Rückzug, mausern sich zu attraktiven Energiedienstleistern. Auch Strom gehört zum Angebot der Brennstoffhändler, denn sie sind ebenfalls Aktionäre des Stromanbieters National Energy Services NES AG, der wiederum 50 % plus eine Aktie an NatGas hält. Eine Kapitalerhöhung Ende 2000 hat weiteres Kapital in die Kassen gespült, so dass NatGas über genügend Mittel verfügt, sich den Markteintritt zu erkämpfen. Weitere Handlungsspielräume könnte die Beteiligung eines großen internationalen Partners eröffnen, denn Interessenten stehen laut Unternehmenschef Ole Bested Hensing schon Schlange.
Der Däne, wie seine Vorstandskollegen früher als Unternehmensberater tätig, hat sich zum Ziel gesetzt, seine Gesellschaft zu einem „ernst zu nehmenden Player im deutschen Gasmarkt“ zu machen. Erklärtes Ziel ist in drei bis vier Jahren ein Marktanteil von 1 % bis 2 %, was immerhin 0,8 bis 1,6 Mrd. m3 Erdgas jährlich entspricht. Inzwischen glaubt Bested Hensing, dieses Ziel sogar noch schneller erreichen zu können, so groß sei die Nachfrage nach der großen Auftaktwerbekampagne. „Wir stehen unmittelbar vor dem Abschluss der ersten Aufträge.“
Beschaffungsprobleme sieht der NatGas-Vordenker trotz der Oligopolsituation auf den Erdgasmärkten nicht. „Derzeit nutzen wir ausschließlich Mengen europäischer Gasgesellschaften, haben allerdings auch Optionen außerhalb Europas.“ Die Beschaffungsstrategie sieht vor, die Grundlast von ausländischen Produzenten und Transporteuren zu beziehen und restliche Mengen auf europäischen Handelsplätzen einzukaufen. Im Vergleich zur herkömmlichen Beschaffung (Take or pay) sieht Bested Hensing darin Vorteile, weil man schnell agieren und somit Preisvorteile nutzen könne. Auch beim Erdgashandel will NatGas Arbitragechancen aufspüren. Dass diese Geschäftspraxis ein gutes Risikomanagement erfordert, versteht sich von selbst.
Technische Hindernisse für den Gaswettbewerb lässt Bested Hensing nicht gelten. „Natürlich muss man in Deutschland nach H-Gas und L-Gas unterscheiden. Und es gibt Kunden, die aus technischen Gründen nur mit großem Aufwand versorgt werden könnten. Derzeit sind das für uns 17 %. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass 83 % ohne technische Probleme beliefert werden können.“ Auch die Fließrichtung des Gases sei kein Ausschlusskriterium, die Vereinbarung von Transporten gegen die physische Fließrichtung sei möglich. Als weitere Optionen nennt Bested Hensing technische Verbesserungen an der Leitungsführung sowie den Bau von Stichleitungen.
Gemäß der in der Verbändevereinbarung vorgesehenen schrittweisen Marktöffnung beschränkt NatGas den Vertrieb zunächst auf industrielle Großverbraucher und große Gewerbekunden. Schlüsselkunden (Jahresverbrauch mehr als 100 Mio. kWh) werden von den lokalen Vertriebspartnern und durch Key-Account-Manager von NatGas direkt betreut. In den Großkundenvertrieb (Jahresverbrauch größer als 10 Mio. kWh) sind vorrangig die Partner des Brennstoff- und Mineralölhandels eingebunden, die sich später auch um Privatkunden kümmern sollen.
Der Neuling hat sich die Messlatte hoch gelegt: 20 Schlüssel- und 100 Großkunden sollen im Planungszeitraum unter Vertrag genommen werden. Auch Stadtwerke stehen bereits mit NatGas in Verhandlungen über Gaslieferungen. Ein Hinweis darauf, dass im Erdgasmarkt bald nichts mehr sein wird wie es war.