Mehr Power für die Windenergie
VDI nachrichten, Düsseldorf, 15. 6. 07, mg – Windkraft soll mehr Power in Deutschland bekommen, finden die Fürsprecher. Rund 5 % des Stroms wurden laut dem Bundesverband Windenergie 2006 über Windkraftanlagen eingespeist. 2020 könnten, so der Verband, bereits 20 % des deutschen Strombedarfs allein über die Windkraft auf dem Land gedeckt werden. Ob alte Anlagen effektiv ertüchtigt und Windparks im Meer errichtet werden können, ist auch eine Frage der Technik.
Nach Überzeugung von Thomas Hartkopf gehört die Zukunft Windkraftanlagen, die ohne Getriebe arbeiten können. Um die Energieausbeute aus Windrädern zu erhöhen, hat das Fachgebiet Regenerative Energien an der Technischen Universität Darmstadt (TUD) unter seiner Leitung gemeinsam mit dem saarländischen Windanlagenhersteller Vensys einen solchen neuen Generatorentyp entwickelt.
„Das Getriebe ist der anfälligste Bauteil der Windturbine“, erklärt Hartkopf. Der in der Gondel des Windrads platzierte Antrieb sei teuer, schwer und verschleiße leicht. Zudem kann das Getriebe, das sich mit dem Rotor dreht und Reibungsverluste an den Schleifringen erzeugt, ein Windrad regelrecht ausbremsen, wenn der Wind weniger stark weht. Macht sich das Getriebe bei starkem Wind und voller Drehzahl kaum bemerkbar, so stellt es im so genannten Teillastbereich einen erheblichen Widerstand dar. Energieverluste sind die Folge.
Ein weiterer Risikofaktor ist laut Hartkopf der mögliche Ölverlust. Mehrere 100 l Öl befinden sich nach seinen Angaben im Getriebe einer Windkraftanlage, das 2 MW bis 3 MW Strom produzieren kann. Gerade bei Offshore-Anlagen – Windparks, die vor der Küste im Meer stehen – drohen so im Falle einer Havarie enorme Umweltschäden, ein Problem, das sich bei getriebelosen Generatoren nicht mehr stellt.
Um auf das Getriebe verzichten zu können, haben die Darmstädter Wissenschaftler und die Experten bei Vensys einen Ringgenerator konstruiert, der mit einem Durchmesser von 6 m bis 7 m und einer Länge von 20 cm bis 50 cm eine völlig andere Form hat als herkömmliche Generatoren, die einen kleinen Durchmesser haben und sehr lang sind. Die permanent erregte Synchronmaschine besitzt einen starken Dauermagneten. Neue Materialien mit hoher Feldstärke wie Neodym-Eisen-Bor oder Samarium-Cobalt ermöglichen die Herstellung solch leistungsstarker Permanentmagneten, die dafür sorgen, dass es auch bei geringen Drehzahlen des Rotors nicht zu Energieverlusten kommt.
„Das ist kein Generator von der Stange“, betont Hartkopf. Zwar wird die neue Synchronmaschine schon produziert, wegen der hohen Anfangskosten, die unter anderem aus den Preisen für die Hochleistungsmagneten resultieren, jedoch nur in geringer Stückzahl. 13 Anlagen, deren Herzstück ein getriebeloser und deswegen wartungsarmer und verschleißfreier Vielpol-Generator ist, hat Vensys mittlerweile errichtet. 3 % bis 5 % mehr Leistung bringe der neue Anlagentyp im Vergleich zu den herkömmlichen, berichtet der Elektrotechnik-Leiter des Betriebs, Stephan Jöckel. Die eingesparte Erregerleistung stehe voll als Energieertrag zur Verfügung. Vensys hat Lizenzpartner in China, Spanien, Tschechien und Indien. Gerade in China ist das Interesse an der neuen Technologie groß: 50 Anlagen des neuen Typs hat das Land der Mitte nach Jöckels Angaben allein für dieses Jahr geplant. 300 weitere sollen 2008 folgen.
„Wir sind der Auffassung“, sagt Hartkopf, „dass sich die Investition rechnet.“ Wer heute eine neue Anlage baue oder eine ältere Anlage modernisiere, solle dafür die derzeit bestmöglichen Generatoren verwenden. Einsatzmöglichkeiten für den noch jungen Generatorentyp sieht der Fachmann sowohl beim Repowering als auch bei Offshore-Anlagen. Mehr Strom auf weniger Fläche soll der Austausch von Windenergieanlagen durch leistungsstärkere Maschinen bringen, die gleiche Energiemenge mit weniger Geld erzeugt werden. So birgt der Ersatz von Altanlagen nach Einschätzung des Bundesverbandes Windenergie (BWE) ein erhebliches Potenzial. Die Faustformel laute: Der halbe Anlagenbestand erzeugt nach der Ertüchtigung die doppelte Leistung. Für das Repowering kämen bereits heute rund 3000 Anlagen der ersten Generation vor allem an der norddeutschen Küste in Frage.
Ein zweiter boomender Markt entsteht nach Meinung der Fachleute im Offshore-Bereich. Gerade hier werden wegen des Seegangs, der besonderen Witterungsverhältnisse und der Wassertiefe besonders robuste Anlagen mit einer hohen technischen Verfügbarkeit gebraucht. 40 % mehr Energie als an Land können die Anlagen im Meer liefern. 300 Offshore-Windparks gibt es nach Angaben des BWE derzeit in Dänemark, Schweden, Großbritannien und Irland. 31 Offshore-Projekte seien in der Nordsee, neun in der Ostsee geplant. Eine Testanlage mit 4,5 MW bei Emden und eine mit 2,5 MW vor Rostock sind bereits installiert. Langfristig, so der Verband, könnten Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von über 20 000 MW im Meer aufgebaut werden.
Auch wenn der Ausbau der Windenergie in Deutschland derzeit noch zäh vorangeht, glaubt Hartkopf, dass der neue Anlagentyp langfristig auf genügend Interessenten stößt. Denn deutsche Windkrafttechnologie ist gefragt – vor allem im Ausland. 70 % der deutschen Anlagen und Bauteile, rechnet der BWE vor, gehen ins Ausland. So ist der Umsatz mit in Deutschland hergestellten Windkraftanlagen insgesamt von 2005 bis 2006 um 22 % von 4,9 Mrd. € auf 6,0 Mrd. € gestiegen. 61 % habe das Exportgeschäft eingebracht.
„Neben der verstärkten Windstromproduktion in Deutschland ist so vor allem die starke Auslandsnachfrage für 8000 Jobs in der Branche verantwortlich“, erklärt der Verband. Der getriebelose Generator, ist Thomas Hartkopf sich sicher, werde die Vorreiterrolle Deutschlands in der Windkrafttechnologie weiter stärken. JUTTA WITTE
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