Kraft aus Feld und Wald
VDI nachrichten, Düsseldorf, 17. 9. 04 – Organische Abfälle aus landwirtschaftlicher Produktion wandeln Biomasseanlagen nutzbringend in Strom und Wärme um. Und das nicht nur über den Umweg mittels Biogas. Erst öffentliche Zuschüsse machen jedoch den wirtschaftlichen Betrieb möglich.
Tonnenweise fällt ein bislang wenig genutzter Energierohstoff in der Landwirtschaft an: feldständige Biomasse, wie Grasschnitt, Stroh, Weizenspreu, Trester, Rapssaat und Gülle. Hinzu kommen Rückstande aus der Lebensmittelindustrie, wie etwa Kartoffelreste, Fette und Öle. „Die Stromerzeugung im Biomassekraftwerk ist klimaverträglich, weil keine treibhauswirksamen Emissionen freigesetzt werden“, erklärt der Geschäftsführer der Rhein-Main-Deponie, Gerd Mehler. Der Vorteil des Stroms vom Feld gegenüber Sonnen- und Windkraft liegt in der wetterunabhängigen Verfügbarkeit. Ob sich die Energieerzeugung mit Biomasse jedoch ähnlich rasant wie bei der Windkraft entwickelt, wird nach Mehlers Einschätzung davon abhängen, ob die erforderlichen Mengen Brennstoff verfügbar sind bzw. gezielt angebaut werden können.
Derzeit hat in Deutschland etwa 0,5 % der Primärenergie ihre Quelle als Biomasse. Nach Expertenschätzungen könnte sich die Nutzung in den nächsten zehn Jahren aber verzehnfachen. Im Bundesministerium für Verbraucherschutz schätzt man, dass allein durch landwirtschaftlich betriebene Anlagen in Deutschland pro Jahr zwischen 26 TWh und 32 TWh Strom oder aber 5 % der Bruttostromerzeugung generiert werden könnten. „Wärme und Strom aus Stall, Feld und Wald haben Zukunft“, ist auch Josef Miller, Landwirtschaftsminister aus Bayern, überzeugt, wo ein Drittel aller deutschen Anlagen arbeiten.
Laut einer vom Öko-Institut geleiteten Umweltstudie zur Energiegewinnung aus Biomasse in Zusammenarbeit mit dem WWF könnten die OECD-Länder bis 2020 sogar etwa 15 % ihrer Stromgewinnung von Kohle auf Biomasse umstellen und so ihren jährlichen Kohlendioxid-Ausstoß um 1 Mrd. t CO2 senken. „In einem zukunftsfähigen Energiemix spielt die Biomasse eine zentrale Rolle“, erklärt denn auch WWF-Energieexpertin Claudia Kunz.
Lange hatten kleinere Biomasse-Feuerungen mit einem physikalischen Handicap zu kämpfen: Die Brenntemperaturen von Stroh, Pflanzenabfällen & Co. sind für eine effiziente Stromerzeugung mittels Dampfturbine zu niedrig. Eine technische Alternative bietet der Organic Rankine Cycle (kurz: ORC-Prozess), bei dem anstelle von Wasser ein organisches Arbeitsmedium – etwa Silikonöl – verwendet wird, das eine niedrigere Verdampfungstemperatur besitzt. So kommen dezentrale Biomasse-KWK-Anlagen mit einem Wärmeniveau von 300 °C aus. „Der ORC-Prozess ist marktreif und eine überragende Technologie“, weiß Erwin Reisenhofer von der Bios Bioenergiesysteme im österreichischen Graz. Der ideale Einsatzbereich bei der Biomasse-Verstromung liege zwischen 300 kW und 1200 kW elektrischer Leistung. Noch kleinere Anlagen seien zwar technisch realisierbar, aber noch zu teuer, so Reisenhofer.
Nach einem Vergleich von 40 verschiedenen, bereits verfügbaren Verfahren, mit denen Bioabfälle vergoren, verbrannt oder vergast werden, schildert Ludwig Leible vom Forschungszentrum Karlsruhe das große Manko der Energie aus Bioabfällen: 1 MWh elektrischer Energie kostet in einem 500-MW-Steinkohlekraftwerk 45 €. Strom, der mit einer 140-kW-Biogas-Anlage aus Gülle erzeugt wird, kostet hingegen 80 € pro MWh. Jede Megawattstunde Strom aus einem Biomassekraftwerk, das Restholz oder Stroh verwertet, kostet sogar 120 €. Biogas- und Klärgasanlagen werden daher wohl erst die Schwelle zur Wirtschaftlichkeit überschreiten. Danach folgt die Beifeuerung fester Landwirtschaftsabfälle im konventionellen Steinkohlekraftwerk. Bei einem Anteil von 5 % bis 10 % Biomasse kostet 1 MWh Energie etwa 90 € bis 100 €.
Um die Energiepflanzen wirtschaftlich auszubeuten, sieht das künftige Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen Bonus für Strom aus nachwachsenden Rohstoffen vor. Er liegt je nach Anlagengröße zwischen 4 Cent/kWh und 6 Cent/kWh und wird zusätzlich zur Grundvergütung von bis zu 11,5 Cent/kWh für EEG-Strom aus Biomasse gewährt. Einen weiteren Anreiz gibt es mit 2 Cent/kWh, wenn auch die entstehende Wärme – etwa für die Beheizung von Gewächshäusern – genutzt wird und innovative Techniken, wie Brennstoffzellen oder Trockenfermentation, eingesetzt werden. Eine Vergütungsdauer von 20 Jahren sorgt dabei für Investitionssicherheit. Die Energiegewinnung aus Feldprodukten ist daher für immer mehr Landwirte eine lukrative Einkommensquelle. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen sie zu Energiewirten werden. Und Verbraucherschutzministerin Renate Künast gerät in Anbetracht dessen gleich ins Schwärmen: „Wir sehen hier ein enormes Potenzial für die Entwicklung vor allem strukturschwacher ländlicher Räume.“EDGAR LANGE
Ein Beitrag von: