KKW Unterweser: 300-Tonnen-Dampferzeuger erfolgreich ausgebaut
Ausbau abgeschlossen: Im KKW Unterweser wurden vier 300-Tonnen-Dampferzeuger entfernt – ein Meilenstein im Rückbau unter höchsten Sicherheitsstandards.

Ausschleusen des Dampferzeugers aus dem Kernkraftwerk Unterweser.
Foto: PreussenElektra GmbH, Mohssen Assanimoghaddam
Das Kernkraftwerk Unterweser (KKU) war einst ein Symbol deutscher Ingenieurleistung. 1978 in Betrieb genommen, erzielte die Anlage mit über 305 Milliarden Kilowattstunden weltweit einen Stromerzeugungsrekord. Seit dem Atomausstiegsbeschluss 2011 ist das KKU stillgelegt. Nun schreitet der Rückbau sichtbar voran – mit dem erfolgreichen Ausbau der vier gigantischen Dampferzeuger.
Inhaltsverzeichnis
Dampferzeuger – das technische Herz des Reaktors
Die Dampferzeuger dienten im Druckwasserreaktor als Wärmetauscher zwischen dem primären und dem sekundären Kühlkreislauf. Im Inneren strömte 300 °C heißes Wasser unter hohem Druck durch Heizrohre. Diese übertrugen die Wärme auf das zweite Wassersystem – der entstehende Dampf trieb die Turbinen an. Die Bauhöhe betrug jeweils 20 Meter, das Gewicht lag bei etwa 300 Tonnen pro Komponente.
Die Genehmigung zum Rückbau des KKU datiert auf den 5. Februar 2018. Erste Vorarbeiten wie die Dekontamination der Rohrbündel liefen bereits 2012. Ab 2021 wurden umfassende bauliche Vorbereitungen im Reaktorgebäude geplant – notwendig, um die Dampferzeuger überhaupt bewegen zu können. Die Um- und Rückbauten waren eng mit der Aufsichtsbehörde abgestimmt.
Die Schleuse als Engpass
Ein zentrales Hindernis war die Materialschleuse – der eigentliche Engpass für das Ausschleusen der Großkomponenten. Um sie zu entfernen, mussten Ingenieur*innen massive Bauteile demontieren, darunter ein 110-Tonnen-Flugzeugabweiser, mehrere Frontriegel und der Halbportalkran. Erst dann konnte die Schleuse auf den 16 Meter hohen Turbinenflur verlagert werden.
An deren Stelle wurde ein neuer Kontrollbereichsabschluss errichtet: modular, aus Stahlbeton, mit zwei großen Toren und einer integrierten Schwerlastbrücke. Belastungstests mit 378 Tonnen bewiesen die Tragfähigkeit. Das Ausschleusen war damit technisch abgesichert.
Technische Eckdaten der Dampferzeuger
• Höhe: ca. 20 Meter
• Durchmesser: ca. 5 Meter
• Gewicht: rund 300 Tonnen
• Bauart: Röhrenbündel-Wärmetauscher
• Funktion: Wärmetransfer zwischen Primär- und Sekundärkreislauf
Hightech im Hebevorgang
Zum eigentlichen Ausbau nutzten die Fachkräfte das DHS-500-System der Firma Mammoet. Dieses modulare Hebesystem wurde speziell für den sicheren Ausbau schwerer Dampferzeuger entwickelt. Unterstützt wurde es von einer mitdrehenden Mittelstütze auf Ringbahn, installiert durch Framatome. Sie erhöhte die Tragfähigkeit des Kranportals auf 352 Tonnen – bei Tests sogar bis 440 Tonnen.
Der erste Hub Mitte Mai 2025 dauerte noch 18 Stunden. Mit jeder Komponente wurde der Ablauf optimiert – der letzte Hub war in 11 Stunden abgeschlossen. Die Dampferzeuger mussten währenddessen mehrfach gedreht, gekippt und stabilisiert werden.
Ausschleusung nur bei Windstille
Der Ausschleusvorgang selbst war ebenfalls streng geregelt. Ein zusätzlicher innerer Kontrollbereich wurde aufgebaut. Erst bei Windgeschwindigkeiten unter 10 m/s durfte der Transport nach außen beginnen. Ein spezielles Hebezeug – die Außentraverse – wurde montiert. Die Traverse verfügte über vier Seilschlösser mit je 780 kg Gewicht.
Hydraulisch wurde die Komponente aus dem Inneren geschoben, an die Traverse gekoppelt und sanft abgesenkt – ein weiteres 18-Stunden-Manöver. Danach wurde der Kontrollbereich wieder luftdicht verschlossen.
Zwischenlagerung und Transport nach Schweden
Nach dem Ausbau wurden die Komponenten auf dem Kraftwerksgelände zwischengelagert. Der Transport zur Weiterverwertung erfolgt im Juli. Ziel ist Studsvik in Schweden, Sitz von Cyclife, einer Tochterfirma der französischen EDF. Dort erfolgt die Demontage und das Einschmelzen der Bauteile.
Cyclife ist auf den Rückbau kerntechnischer Anlagen spezialisiert. Bereits 2007 kam ihr „Rip & Ship“-Verfahren im KKW Stade zum Einsatz. Es vermeidet eine Zerlegung im Kontrollbereich und reduziert damit Aufwand und Strahlenexposition.
Rückbau als koordinierte Großleistung
PreussenElektra hatte 2021 den Auftrag für den Rückbau von insgesamt 16 Dampferzeugern vergeben – aus den Anlagen Unterweser, Grafenrheinfeld, Grohnde und Brokdorf. In Studsvik wurden seither bereits über ein Dutzend dieser Kolosse verarbeitet. Die Zusammenarbeit mit Cyclife, Framatome und Mammoet verlief laut Projektleiter Attila Damon reibungslos:
„Unsere erfahrenen Partner Framatome und Mammoet haben diese Aufgabe gut gelöst.“
Blick nach vorn: Grafenrheinfeld folgt
Mit dem Abschluss der Arbeiten in Unterweser ist die Demontagephase der Großkomponenten beendet. Nun beginnt der Rückzug aus dem Kontrollbereich. Die Dekontamination und spätere Freigabe der Gebäude wird rund sieben Jahre dauern. In der Zwischenzeit starten bereits die Vorbereitungen für den Dampferzeuger-Ausbau im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld.
Steffen Riesner, Leiter der Anlage Unterweser, zeigt sich zufrieden:
„Von unseren Erfahrungen profitieren nun unsere Schwester-Anlagen. Mein Dank gilt dem Projektteam und allen Partnerfirmen.“
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