Kernkraft baut auf Klimaschutz
Betreiber planen neue Kraftwerke, Staaten setzen weltweit auf die Kerntechnik, um dem Klimawandel zu begegnen. Die Zukunft sah für Kernkraft lange nicht mehr so rosig aus. Die Branche fordert für den Klimaschutz den Schulterschluss mit den erneuerbaren Energien. Doch Euphoriedämpfer sind erlaubt. In Europa sind Wege zu neuen Kernkraftwerken oft sehr lang. VDI nachrichten, Dresden, 22. 5. 09, swe
Walter Hohlefelder, Präsident des Deutschen Atomforums, legte zu Beginn der 40. Jahrestagung Kerntechnik in Dresden den Finger in eine Wunde der deutschen Klimapolitik. „Diejenigen, die die Kernenergie ablehnen, aber gleichzeitig zu Recht gegen den Klimawandel kämpfen, sind in einer Zwickmühle – und die werden sie irgendwann für sich auflösen müssen“, sagte er.
Nicht nur Hohlefelder, die ganze Branche sah sich am 12. und 13. Mai auf dem größten europäischen Branchentreff sichtlich gestärkt durch viele politische Entscheidungen in der EU. „Deutschland ist in Europa und weltweit mit seiner Ausstiegspolitik völlig isoliert“, sagte Hohlefelder in Dresden.
RWE und E.on haben sich erfolgreich für drei Kraftwerksstandorte in Großbritannien beworben. In Finnland und der Schweiz planen Betreiber neue Standorte. Schweden revidierte den Atomausstieg. Das Parlament in Italien verabschiedete ein geändertes Kernenergiegesetz. Die französische EDF und der italienische Energieversorger Enel stehen bereit und wollen ab 2013 vier neue Reaktoren errichten.
Für viel Wirbel sorgte Hohlefelders Vorschlag für einen neuen Energiemix in Deutschland: „Kernenergie und Erneuerbare sind kein Gegensatz. Lasst uns doch die Gräben endlich zuschütten“, forderte er und verwies darauf, dass beide „ausreichend Platz im Energiemix“ hätten, „ohne sich in die Quere zu kommen“.
Gerd Rosenkranz, politischer Leiter der deutschen Umwelthilfe, sieht das anders. Er hielt Hohlefelders Vorschlag entgegen, Kernkraft und erneuerbare Energien würden sich langfristig konzeptionell ausschließen. „Es geht um das Entweder-oder, nicht um das Sowohl-als-auch. Das ist sowohl in der Gesellschaft wie auch in der Energiewirtschaft noch nicht so klar“, erklärte Rosenkranz im Rahmen der Jahrestagung.
Angesichts des bevorstehenden Bundestagswahlkampfes setzt das Deutsche Atomforum auf ein Ende des Kernenergieausstiegs: „Die Kernkraftwerksbetreiber sind grundsätzlich einverstanden, einen politischen Preis für die Laufzeitverlängerung zu zahlen“, sagte Hohlefelder. Und er forderte einen Weiterbetrieb auch der sieben Anlagen, für die bis 2013 die Stilllegung beschlossen ist. Vorschläge würde man direkt nach der Wahl auf den Tisch legen.
Hohlefelder setzt mit seinem Vorstoß auf eine Haltung, wie sie etwa Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner vertritt: „Wenn sichere Kernkraftwerke vorzeitig abgeschaltet werden, führt dies zwangsläufig dazu, dass die entstehende Stromlücke zum Teil durch den Zubau neuer Kohle- und Gaskraftwerke geschlossen wird.“ Dies konterkariere Bemühungen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern.
Doch sicher ist der Bau neuer Reaktoren in anderen europäischen Ländern noch nicht. So geht zum Beispiel in Finnland und der Schweiz der Genehmigung die Beteiligung der nationalen Parlamente voraus, die in beiden Staaten noch aussteht.
„Wir rechnen mit einem Volksentscheid“, sagte Gerhard Kögl von der Resun AG, die in der Schweiz die drei dienstältesten Kernkraftwerke betreibt. 2020 sollen zwei Nachfolgereaktoren ans Netz gehen, denn die alten wären dann 50 Jahre im Betrieb und bei der Energieversorgung „der Flaschenhals erreicht“. Ob es klappt bis 2020, wollte Kögl, der bei Resun das Projekt für das Ersatz-Kernkraftwerk in Beznau leitet, nicht beschwören: „Das ist ein politischer Prozess und der ist schwierig vorherzusagen, vor allem, wenn es um die Dauer geht.“ STEPHAN W. EDER
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