Gegen Risiken und Nebenwirkungen aus der Leitung
Schmerzmittel, Lipidsenker, Antibiotika – im Grundwasser findet sich ein Arsenal von Arzneimitteln und anderen Stoffen aus Krankenhausabwässern. Mit einfachsten Mitteln können Clausthaler Forscher den Cocktail jetzt reinigen.
Reines Wasser ist wertvoll und wird langsam rar. Selbst im Regenland Deutschland ist Trinkwasser nicht selbstverständlich. Konventionelle Kläranlagen reinigen die Abwässer gerade so, dass sie wieder in den Boden fließen können. Trinken kann niemand, was aus den Klärbecken in die Natur entlassen wird. Und der Filter Naturboden stößt an seine Grenzen: Medikamentenreste, die über die Toilettenspülung ins Wasser gelangen, Dünger und Pestizide. Das Problem sind weniger die direkt einleitenden Industriebetriebe, sondern die durch die Kanalisation eingespeisten Abwässer.
Beispiel Krankenhäuser: Die Abwässer aus den Kliniken werden derzeit laut Umweltbundesamt wie häusliche Abwässer bewertet. Eine Einstufung, die von Experten als problematisch gesehen wird. „Kontrastmittel, die bei der Röntgentomographie und dergleichen eingesetzt werden, findet man jetzt im Grundwasser wieder“, sagt Prof. Alfons Vogelpohl vom Institut für Thermische Verfahrenstechnik der Uni Clausthal.
Diese Kontrastmittel sind jodhaltige organische Verbindungen, die im Abwasser als AOX (adsorbierbare organische Halogenverbindungen) erfasst werden. Für Industriebetriebe sind AOX-Grenzwerte längst vorgeschrieben: beispielsweise für Metall verarbeitende Betriebe seit Anfang der 90er Jahre. „Die Grenze von 1?mg AOX/l wird in fast jedem Krankenhaus überschritten, das mit Kontrastmitteln arbeitet“, sagt Veit Flöser, der Sprecher der Arbeitsgruppe Krankenhausabwässer der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall.
Außer den Krankenhäusern hat Flöser noch eine Branche im Visier, deren Abwässer dringender Klärung bedürfen: Ihm sind die Chemikalien, die etwa 65 000 deutsche Friseurgeschäfte täglich in den Ausguss spülen, ein Dorn im Auge. „Beim Friseur wird vieles verarbeitet, was in anderen Lebensbereichen längst verboten ist. Beispielsweise Anilinderivate, bekannt kanzerogen und mutagene Substanzen, und da würde ich liebend gerne mal eine Mengenabschätzung vornehmen und untersuchen, was diese Stoffe im Abwasser auslösen.“
Konventionelle Reinigungsverfahren sind nicht in der Lage wirklich alle Schadstoffe zu zerstören, sondern immer nur einige, auf die sie spezialisiert sind. Und selbst dann nur bis zu einer gewissen Verdünnung. Die Clausthaler Umwelttechniker sehen eine Lösung für das Problem: „Die Advanced Oxidation Prozesses bieten die Möglichkeit diese Lücken zu schließen“, erklärt Vogelpohl. Für diese verfeinerten Oxidationsverfahren, kurz AOP, benötigen die Wissenschaftler ausschließlich Energie und Sauerstoff. Sie suchen den Königsweg – das Verfahren, das einfach alles zerstört, was nicht Wasser ist und das nur Kohlendioxid und Mineralsalze übrig lässt.
Vogelpohls Lösung: Photokatalyse. „Wir erzeugen OH-Radikale“. OH-Radikale sind Moleküle mit der höchsten Reaktionsgeschwindigkeit. Der Katalysator, der aus Luftsauerstoff die Radikale zaubert: Titandioxid. Die Energiequelle: die Sonne.
Das Verfahren ist denkbar einfach und der erste Reaktor dieser Art steht in dem Sonnenland Tunesien. „Reaktor“ klingt gewaltig für die einfache Technik: Die Partner aus Tunis vom Institut National de Recherche Scientifique et Technique haben schlicht eine Schräge aus Beton mit Titandioxid besprüht. Das Wasser läuft wie bei einem Zimmerbrunnen als dünner Film über die Oberfläche. Die Aufgabe ist, Farbstoffe aus den Abwässern einer Färberei zu zerstören. Die Fabrik möchte expandieren, erhält aber nicht die Genehmigung mehr Grundwasser zu entnehmen. Also ist sie gezwungen das Wasser aufzuarbeiten.
430 m3 gefärbtes Wasser fallen täglich an und fließen mit einer Geschwindigkeit von 1?m3/h über die knapp 2 m langen und 2,5 m breiten Reaktorplatten. Die können als Kaskade oder parallel betrieben werden – je nach den Anforderungen an die Reinheit des Abwassers. Nach dem Sonnenbad fließt das dann farblose Wasser in einen Tank und wartet auf seinen nächsten Einsatz in der Fabrik.
Alfons Vogelpohl ist Realist. Das in Tunesien erfolgreiche Verfahren hat bei uns noch keine Chance. Und das liegt nicht nur daran, dass bei uns die Sonne weniger intensiv scheint. „Es ist klar, dass niemand die Kosten für eine Wiederaufbereitung von Wasser bereitstellen wird, so lange Trinkwasser in ausreichender Menge und zu niedrigem Preis zur Verfügung steht.“
Denn Wasseraufbereitung ist ein teures Geschäft. Die Photokatalyse ist ein günstiger Ansatz, der sich mit kleinen Tricks auch in unseren Breiten anwenden lässt. „Hier kann ich Lampen benutzen, mit denen ich das Sonnenlicht simuliere, wie sie auch in den Bräunungsstudios eingesetzt werden. Der Nachteil ist natürlich der höhere Energieverbrauch.“ JO SCHILLING
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