Fundierte Untersuchung im Vorfeld hätte Kosten sparen können
Die Anbindung der Seekabel für die von Siemens gebaute Offshore-Windpark-Anlage Sylwin verzögert sich erneut. Der Meeresgrund vor der Insel Sylt ist zu weich und benötigt stärkere Bodenanker für die Plattformen. Das hat ein neues Bodengutachten ergeben.

Die Abbildung zeigt eine Offshore-Anbindung am Beispiel Sylwin 1.
Foto: Tennet
Einmal in Betrieb genommen, wird Sylwin laut Siemens Strom mit einer Leistung von 864 Megawatt fast verlustfrei an Land bringen. Das entspricht etwa zwei Dritteln der Leistung eines Atomkraftwerkes.
Bereits jetzt hat Europas größter Elektronikkonzern durch die Verzögerungen zusätzliche Kosten in Höhe von 600 Millionen Euro zu verzeichnen. Hinzu kommt ein kleiner zweistelliger Millionenbetrag durch die erneute Verschiebung der Inbetriebnahme durch den Stromnetzanbieter Tennet. Mit einer umfassenden Voruntersuchung des geologischen Gebietes hätte Siemens sich die jetzt anfallenden Kosten möglicherweise sparen können.
Einfache hochfrequente Einkanalseismik misst nur 20 bis 30 Meter tief
Meist untersuchen Bauherren die Meeresböden im Vorfeld mit Hilfe einfacher hochfrequenter Einkanalseismik. Das hält die Kosten in der Planungsphase flach. Mit dieser Technik kann jedoch nur in Tiefen von 20 bis 30 Meter vorgedrungen werden. Bei Befestigungen von Offshore-Fundamenten beträgt die Mindesttiefe aber 50 Meter und sogar 100 Meter bei einem schwierigen Baugrund.
Windparkentwickler hätten den Meeresboden im Fall von Siemens besser untersuchen sollen, als gesetzlich erforderlich. Möglichkeiten bestehen: Wissenschaftler des Fraunhofer Institutes IWES entwickelten gemeinsam mit der Universität Bremen ein mehrkanalseismisches Messgerät, das speziell für die Anforderungen der Offshore-Windindustrie eingesetzt wird. Bis in die Tiefen von 200 Metern lässt sich der Meeresboden damit untersuchen und das neue Messgerät bildet die Fundamentsohle sowie eventuell verbreitete eiszeitlichen Rinnen ab, die den Boden beeinträchtigen könnten. Die hochaufgelösten Messungen ermöglichen die Entwicklung von belastbaren dreidimensionalen Bodenmodellen.
Bodenanker müssen 106 Meter stark sein
Nun sollen die Bodenanker der Umspannplattform Sylwin 106 Meter anstatt 70 Meter lang werden. Die Lieferzeit der Komponenten für den Anker verlängert sich dadurch. Lediglich die Unterkonstruktion kann in diesem Jahr noch installiert werden. Die Plattform selbst folgt dann im kommenden Jahr. Im zweiten Halbjahr 2014 kann der Betrieb starten, erklärte Siemens. Ursprünglich war ein Start des Windparks vor Sylt schon für Ende 2013 geplant gewesen.
„Es ist abzusehen, dass sich „böse Überraschungen“ wie bei Sylwin 1 wiederholen werden, wenn die gängige Praxis bei den geologischen Voruntersuchungen nicht verbessert wird. Seit Jahren betrachten wir mit großer Sorge den Trend, kurzsichtig den Aufwand in der Erkundungsphase auf Kosten von Qualität, Planungssicherheit und Nachhaltigkeit zu reduzieren“, befürchtet Professor Volkhard Spieß, Geowissenschaftler von der Universität Bremen.