Europas Stromnetze folgen der Energiewende
Um erneuerbare Energiequellen zuverlässig nutzen zu können, müssen Europas Stromnetze ausgebaut werden. Kabel könnten Strom über weite Entfernungen transportieren, Netzsteuerungen die dezentralen Energien integrieren und Speicher das Angebot dem Bedarf anpassen. Das wird viel Geld kosten, doch Umweltverbände unterstützen diesen Um- und Ausbau. VDI nachrichten, Düsseldorf, 27. 2. 09, mg
Die EU hat mit ihrem Energie- und Klimapaket eine Energiewende eingeläutet. Um die Klimaerwärmung zu begrenzen, sollen erneuerbare Energien wie Biomasse, Sonne, Wasser und Wind im Jahr 2020 ein Fünftel der in Europa benötigten Energie liefern – und mindestens 30 % des Stroms.
Hinter diesen Zahlen verbirgt sich jedoch eine Herausforderung für die Stromnetzbetreiber. Sie werden mehr Strom aus kleinen Solar-, Biogas- und Windanlagen sowie aus Windparks und Solarfabriken im Süden Europas und Norden Afrikas einspeisen müssen. Allein in Deutschland würden nach einer Studie des Bundesumweltministeriums im Jahr 2020 fast 180 Terawattstunden (TWh) Strom aus regenerativen Quellen genutzt werden – und damit doppelt so viel wie heute. Auch Europas Stromnetze müssen auf die Energiewende eingestellt werden.
Bei kräftigem Wind können Engpässe im jetzigen Stromnetz auftreten
„Die erneuerbaren Energien sind unverzichtbar, um die Klimaschutzziele zu erreichen“, weiß Klaus Kleinekorte. Der Geschäftsführer von RWE Transport Strom, dem Betreiber der RWE-Übertragungsnetze, schränkt diese Bekenntnis bei der Windenergie aber ein. „Windkraftanlagen liefern nur unzuverlässig Strom.“ Bei kalter inverser Wetterlage wie in den vergangenen Winterwochen wurden von fast 24 000 MW installierter Windleistung in Deutschland nur wenige 100 MW ins Stromnetz eingespeist.
Um jederzeit eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten, werde man auch in Zukunft nicht auf Kohle- und Kernkraftwerke verzichten können, so Kleinekorte. Andererseits können bei kräftigem Wind Engpässe in den Stromnetzen auftreten. Die Deutschen Umwelthilfe (DUH) verweist darauf, dass auf diese Weise zwischen 2004 und 2006 allein in Schleswig-Holstein 74 000 MWh Windstrom verloren gegangen sind.
Die technischen Grundlagen, um einen hohen Anteil erneuerbarer Energien in Stromnetze zu integrieren, sind prinzipiell vorhanden, meint Ralf Christian, Präsident des europäischen Verbands der Hersteller von Komponenten zur Stromübertragung (T&D Europa). Er verweist auf intelligente Netzsteuerungslösungen, mit denen dezentrale Erzeuger wie Wind- und Photovoltaikanlagen ins Stromnetz integriert werden können, sowie auf Gleichstromkabel, die unterirdisch über weite Entfernungen Strom übertragen können.
Netzbetreiber sollten den Strombedarf auch sinnvoll bedienen können, ergänzt Klaus Kleinekorte. „Stromspeicher können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“ Überschüssige Windenergie der Nordsee sollte etwa in Pumpspeicher-Kraftwerken in den Alpen gespeichert werden, meint der österreichische EU-Abgeordnete Paul Rübig von der Europäischen Volkspartei (EVP).
Moderne Technik allein sei jedoch zu wenig, glaubt Stephan Singer vom Umweltverband WWF. Um etwa Windflauten zu begegnen, müssten Netzbetreiber über Grenzen hinweg kooperieren. „Wir müssen Windstrom der Irischen See, der Biskaya und der Nordsee mit Solarstrom aus Italien und Nordafrika durch ein vernünftig koordiniertes Lastenmanagement verbinden.“ Singer spricht von einem EU-weiten Stromnetzverbund.
Energiefachleute vermissen politische Unterstützung für den Stromnetzverbund
Etliche Energiefachleute vermissen politische Unterstützung für den Aufbau eines EU-Stromnetzverbundes. Allerdings gab Rübig, EVP, zwei Beispiele dafür, wo jeder EU-Staat aktiv werden kann, ohne auf Brüssel zu warten: Eine progressive Abschreibung würde Investitionen genauso erleichtern wie vereinfachte Genehmigungsverfahren. Geht es jedoch um Detailfragen, wird gestritten. So kritisiert der DUH, dass das in Deutschland diskutierte Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze zwar den Bau von Freileitungen, aber nicht die Verlegung von Erdkabeln vereinfachen soll.
Generell wollen Umweltverbände dem Aufbau des EU-Stromnetzverbunds jedoch keine Steine in den Weg legen. „Wir unterstützen diese Investitionen“, betont Jan Haverkamp, Greenpeace. Dies sei jedoch kein Freibrief für den Bau jedweder ober- oder unterirdischer Leitung. RALPH AHRENS
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