Erdgas 26.11.1999, 17:23 Uhr

„EU-Gasrichtlinie ist ein weiterer Schritt zu mehr Wettbewerb“

Die EU-Gasrichtlinie wird in nationales Recht umgesetzt. Dabei sollten freiwillige Vereinbarungen Vorrang vor staatlicher Regulierung erhalten, so BGW-Präsident Ulrich Hartmann.

Die Energiemärkte bewegen sich. Mit der Novellierung des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) hat die Intensität des Wettbewerbs zugenommen. Dieser Einschnitt schafft für die Gaswirtschaft einen neuen Ordnungsrahmen. Darauf müssen sich alle Unternehmen einstellen.
Die schon auf nationaler Ebene erlassenen Gesetze werden durch die am 10. August 1998 in Kraft getretene EU-Gasrichtlinie erweitert und ergänzt. Bis zum 10. August 2000 müssen die Mitgliedstaaten diese in nationales Recht umsetzen. Ziel der EU-Richtlinie ist es ebenfalls, den brancheninternen Wettbewerb zu intensivieren.
Angesichts der erheblichen Änderungen wird oft die Frage gestellt, ob der Erfolgsweg des Energieträgers Erdgas sich weiterhin fortsetzen lässt. Denn dieser ist beeindruckend: Erdgas ist in der Bundesrepublik Deutschland Energieträger Nr. 2. Hatte Erdgas 1962 noch einen Anteil an der Primärenergieversorgung von 0,5 %, so beträgt der Anteil heute rund 21 %. Im Wärmemarkt hat sich der Anteil des Erdgases kontinuierlich erhöht. Heute werden 73 % aller zum Bau genehmigten Wohneinheiten mit Erdgas beheizt. Allein 1998 haben mehr als 650 000 Haushalte Erdgas als Heizenergie gewählt. Die gleiche Entwicklung gab es beim Einsatz von Erdgas im industriellen Bereich. Die Unternehmen stellen sich nun auf den neuen Rechtsrahmen ein und nehmen die Herausforderungen des Wettbewerbs an.
Der Wettbewerbsprozess ist unumkehrbar und entwickelt sich stetig weiter. Die deutsche Gaswirtschaft erkennt die EU-Gasrichtlinie als politischen Kompromiss an und wirkt an einer vernünftigen, für alle Seiten tragfähigen Umsetzung der EU-Gasrichtlinie konstruktiv mit. Dies bedeutet: Eine Politik der Durchleitungserschwernisse wird die deutsche Gaswirtschaft nicht betreiben. Täte sie es, würde bald der Netzzugang zu ihren Lasten geregelt.
Ein Blick auf den Strombereich zeigt, wie die Liberalisierung einen Markt verändern kann. Es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die Liberalisierung beim Erdgas zu den gleichen Ergebnissen führen wird. Schon heute lässt sich sagen, dass die Entwicklung im Gasbereich aufgrund der vielen Unterschiede anders als im Strombereich verlaufen wird. Dies ist schon an der Gasrichtlinie erkennbar. Sie enthält eine Reihe spezifischer Regelungen, welche den Besonderheiten der Gaswirtschaft entsprechen. Die gasspezifischen Aspekte müssen sich auch in der nationalen Umsetzung der Richtlinie wiederfinden. Dies sollte durch die Einbindung der Gasspezifika im Rahmen eigenständiger „Unterparagraphen“ oder Absätzen in das EnWG geschehen.
Zwischen Strom und Gas gibt es wesentliche Unterschiede: Rund 80 % des deutschen Erdgasaufkommens wird von drei monopolistisch strukturierten Exportnationen importiert (Norwegen, Russland und Niederlande). Die Produktionsstandorte und Einsatzenergien können dagegen bei Elektrizität flexibel ausgewählt werden.
Gasproduzenten wie Russland und Norwegen haben hohe Produktions- und Transportkosten. Langfristige Lieferverträge sind wichtige Voraussetzung für die Erschließung neuer Projekte zur Versorgung von Deutschland.
Erdgas ist im Gegensatz zum Strom ein Naturprodukt, das sich je nach Produktionsstandort voneinander unterscheidet (unterschiedliche H- und L-Gas-Beschaffenheiten). Es muss – im Gegensatz zu Strom – physisch transportiert werden. Hieraus ergeben sich besondere Bedingungen für Transport und Verteilung.
Bei der Umsetzung der EU-Gasrichtlinie in deutsches Recht gilt das Subsidiaritätsprinzip. Dieses ermöglicht, dass spezifische nationale Besonderheiten bei der Umsetzung des europäischen Rechts in nationales Recht berücksichtigt werden können. Hierzu zählt in Deutschland insbesondere die marktwirtschaftliche, auf Eigenverantwortung der beteiligten Unternehmen abstellende Ausrichtung der Energiewirtschaft. Die deutsche Gaswirtschaft ist der Meinung, dass durch die Änderungen des EnWG und des GWB schon wesentliche Elemente der EU-Gasrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt worden sind. Es besteht folglich nur noch ein geringer Umsetzungsbedarf.
Insgesamt sollte bei der Prüfung des Umsetzungsbedarfs das Prinzip der Minimierung von Regulierungsmaßnahmen gelten. Wir setzen deshalb auf das Verfahren des verhandelten Netzzugangs. Demnach handeln Gasunternehmen und Kunden den Netzzugang auf der Grundlage freiwilliger kommerzieller Vereinbarungen aus. Die Gasrichtlinie sieht den freien Leitungsbau als gleichwertiges Wettbewerbsinstrument vor. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, den Netzzugang im Rahmen der allgemeinen kartellrechtlichen Kriterien des GWB zu regeln. Regulierung würde den bestehenden Wettbewerb einschränken.
Ausgehend von diesen Überlegungen lassen sich die Umsetzungserfordernisse im Sinne eines möglichst schlanken und unbürokratischen Energiewirtschaftsgesetzes auf drei Bereiche begrenzen: Sektorale Trennung der unternehmensinternen Buchführung und Bilanzierung, Reziprozitätsklausel, Veröffentlichung der wesentlichen geschäftlichen Bedingungen und deren Umsetzung durch eine Verbändevereinbarung.
Für die deutsche Gaswirtschaft ist wesentlich, dass die in der EU-Gasrichtlinie enthaltenen Unterschiede zwischen Elektrizität und Erdgas hinsichtlich der Kontentrennung bei der nationalen Umsetzung berücksichtigt werden. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Nicht-Veröffentlichung interner Konten, die Begrenzung der Entflechtung auf die interne Buchführung (kein Management-Unbundling) und die spezifische Aktivitätenabgrenzung.
In der EG-Gasrichtlinie ist eine Reziprozitätsklausel vorgesehen. Dies soll bewirken, dass eine gleichgewichtige Marktöffnung erreicht wird, die den Marktakteuren über nationale Grenzen hinweg gleiche Ausgangschancen verschafft. Die sich abzeichnende Entwicklung bei der Umsetzung der Gasrichtlinie in den EU-Mitgliedstaaten zeigt, dass die Reziprozitätsklausel ein wichtiges Instrument ist, um fairen Wettbewerb und eine gleichgewichtige Marktöffnung in ganz Europa zu gewährleisten. Deutschland ist grundsätzlich in höherem Maße für das Ausland geöffnet. Umgekehrt gelten in anderen Ländern Schwellenwerte, die sukzessive die Marktöffnung vollziehen. Die deutsche Gaswirtschaft setzt sich daher für eine wirksame Umsetzung der in der Gasrichtlinie vorgesehenen Reziprozitätsklausel ins deutsche Energierecht ein. Hierbei sind alle Versorgungsstufen zu berücksichtigen.
Nach Auffassung der deutschen Gaswirtschaft und Industrieverbänden (BDI, VIK) sollte die in der Gasrichtlinie vorgegebene Veröffentlichungspflicht der wesentlichen geschäftlichen Bedingungen für die Durchleitung von Erdgas in einer freiwilligen Verbändevereinbarung geregelt werden. Dadurch soll ein starker regulatorischer Eingriff in Wirtschaftsabläufe verhindert werden, der mit einer Netzzugangsverordnung verbunden wäre. Die Folge einer solchen Verordnung wäre eine Festsetzung von Preisen und Tarifen ohne flexible Anpassungsmöglichkeiten im Markt.
Die beteiligten Verbände haben sich zum Ziel gesetzt, eine Vereinbarung mit marktwirtschaftlichen, fairen, transparenten und einfachen Kriterien bis Ende 1999 vertraglich zu fixieren. ULRICH HARTMANN
Ulrich Hartmann: „Die deutsche Gaswirtschaft wird keine Politik der Durchleitungserschwernisse betreiben.“

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