Erdgas im Meer kommt schwimmend ans Land
VDI nachrichten, Oslo/London, 15. 10. 04 -Ein norwegisch-kanadisches Konsortium will unter dem Meer liegendes Erdgas verdichten und mit Tankern kostengünstig an Land bringen. Vorräte, die bislang nicht verwertet werden können, ließen sich endlich wirtschaftlich nutzen.
Neue Lösungen der Schiffsbauindustrie könnten die Versorgungsängste, die die Öl- und Gaspreise in die Höhe katapultieren, bald lindern. So treibt ein kanadisch-norwegisches Joint Venture jetzt den Bau eines neuen Schiffstyps voran, der die wirtschaftliche Nutzung gewaltiger im Meer brachliegender Erdgasreserven ermöglichen soll. Die Initiative geht von dem norwegischen Energiekonzern Statoil und den Reedereien Leif Hoegh (Norwegen) und Teekay (Kanada) aus. Deren neue Gemeinschaftsfirma CETech tüftelt an Tankern für den Transport von Erdgas in komprimierter Form.
Das Patent soll den Multis, die in immer größeren Meerestiefen weit vor der Küste nach Öl und Gas bohren, eine Kosten sparende Alternative zum Transport via Pipeline oder der Verflüssigung mit anschließender Verschiffung bieten. Beide Optionen sind mit hohen Netzwerkinvestitionen verbunden. Die Unternehmen fackeln das bei der Förderung anfallende Erdgas deshalb häufig lieber ab oder pumpen es in die Felder zurück mit dem Ziel, zusätzliches Rohöl herauszupressen. Für Verflüssigung, Umschlag und Verfrachtung wären neben den besonders teuren LNG-Gastankern noch spezielle Verflüssigungsanlagen und Terminals erforderlich. Der von CETech geplante CNG-Tanker – ein Kürzel für Compressed Natural Gas – kommt dagegen mit eher konventionellen Umschlagterminals aus. Zusätzliche Anlagen seien nicht erforderlich, weil die Schiffe über eigene Kompressortechnik verfügen.
Erste Versuche mit der Verschiffung von komprimiertem Erdgas wurden schon vor 40 Jahren durchgeführt, doch brachten es frühere Patente nie zur Marktreife. In der Zwischenzeit hat sich einiges geändert. Abgesehen von den technologischen Fortschritten im Schiffbau dürfte auch das generelle Interesse der Öl- und Gasunternehmen an neuen logistischen Konzepten größer sein. Denn gezählt sind die Tage, als die Firmen im Golf von Mexiko, vor der brasilianischen Küste und in der Nordsee auf immer neue Riesenfelder stießen. Heute werden in der Regel nur noch kleinere, versprengte Vorräte in zunehmender Tiefe gefunden. Ohne innovative flexible Transportlösungen wird sich die Branche Milliardenumsätze entgehen lassen müssen.
Alf-Petter Olsen, Geschäftsführer von CETech, sagte, dass sich die Firma vorerst auf die „Entwicklung der größten Einheiten des neuen Schiffstyps“ konzentriere. Am oberen Ende rangiere der Entwurf für einen Gastanker mit 100 000 m3 Ladevolumen, der so „breit sei wie ein Supertanker“. Wirtschaftlichen Sinn mache dies bei Offshore-Feldern, die zwischen 300 und 2000 Seemeilen entfernt liegen und 0,5 Mrd. m3 bis 3 Mrd. m3 Erdgas pro Jahr abwerfen, haben die Ingenieure errechnet.
In Schifffahrtskreisen regt sich bereits Interesse an den Vorschlägen. So wird gemunkelt, dass eine asiatische Reederei, die sich im Flüssiggastranport engagiert, kurz davor steht, die ersten Schiffe des neuen Typs in Auftrag zu geben. Die CNG-Tanker sollen angeblich indonesische Kraftwerke, denen Öl als Brennstoff zu teuer geworden ist, mit günstig gewonnenem Erdgas versorgen. MICHAEL HOLLMANN
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