Energiewende soll Basis für Generationenprojekt Wasserstoff bieten
Der mangelnde Willen, wirklich große industrielle Projekte mit einem klaren Zeitplan zu starten, droht die Realisierung der Wasserstoff-Wirtschaft zu bremsen.
Der Ausspruch des Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi, gibt eine Vorstellung davon, was für eine Faszination und was für eine Erwartungshaltung die Vision der Wasserstoffwirtschaft in der Politik und in der Gesellschaft heute auslöst: „I want to be remembered for only two things: the European Union’s eastward expansion, and hydrogen energy.“
Die Perspektive ist die einer wirklich nachhaltigen, zukunftssicheren fast emissionsfreien Energieversorgung. Diese Energieperspektive ist sowohl weltpolitisch von Interesse, weil es gewisse Krisenherde strategisch entzerrt, als auch – und vor allen Dingen – ökologisch interessant. Wasserstoff lässt sich elektrolytisch mit Sonnenenergie aus Wasser und damit unabhängig von fossilen Rohstoffen erzeugen.
„Ist diese Perspektive auch realistisch?“, fragte Reinhard Kaiser, Leiter des Stabes Umwelt und Verkehr im Bundesinnenministerium, auf dem Deutschen Wasserstofftag am 1. Oktober in München.
Es gibt laut Kaiser derzeit sehr einsichtige, nicht sehr erfreuliche, aber ganz offensichtliche Sachverhalte: „Die Wasserstofftechnik ist in weiten Bereichen noch nicht reif für den Massenmarkt. Sie ist in weiten Bereichen zu teuer. Der ökologische Wert für heute ist – sagen wir: erläuterungsbedürftig.“
Wir brauchen, so Reinhard Kaiser um voranzukommen,
– das Vorantreiben der Energiewende,
– das Vorantreiben von Forschung und Entwicklung im Wasserstoffbereich und die Nutzung der vorhandenen Marktpotenziale und
– das Entwickeln von Übergangsstrategien für breite Anwendungsbereiche.
Reinhard Kaiser: „Denn die große Herausforderung, vor der wir stehen, ist die Verringerung der Klimagasemissionen in großem Stil. Wenn wir dieser Herausforderung nicht gerecht werden, dann werden die Generationen nach uns noch ganz andere Probleme haben, als das Knappwerden von fossilen Rohstoffen.“
Angesichts einer globalen Klimabilanz ist Wasserstoff extrem sinnvoll, wenn er aus regenerativ erzeugtem Strom im Weg der Elektrolyse aus Wasser hergestellt wird. Denn bei Verwendung fossiler Stoffe, Kohle, Erdgas oder Öl, bleibt das Problem des Austretens von klimarelevantem CO2.
Per Elektrolyse entstehen – laut Bundesumweltministerium – gegenwärtig etwa 5 % des Wasserstoffs im deutschen Markt, 19 % hat als Basis Erdgas, 30 % stammt aus Kohle und 46 % aus Erdöl.
Man kann natürlich aus Mineralöl erst Wasserstoff erzeugen und den dann im Auto verbrennen oder durch die Brennstoffzelle schicken. Aber das kann nie wirklich effizient werden, da man doch Mineralölprodukte auch direkt verbrennen kann. Der Wasserstoff- einsatz erfordert zusätzliche Zwischenstufen, und die verschlechtern die Bilanz.
Bei Strom ist die Situation zunächst auch nicht besser. Reinhard Kaiser: „Wenn wir regenerativ erzeugten Strom einfach nehmen und damit Wasserstoff machen, müssen wir uns die Frage stellen: Würden wir diesen Strom nicht besser ins Netz speisen und damit fossil erzeugten Strom ersetzen? Was ist in der ökologischen Bilanz günstiger?“
Nach Gutachten, die im Bundesumweltministerium vorliegen, müssten etwa 30 % regenerativer Strom im Netz sein – etwa 30 %! – damit es sich ökologisch lohnt, den darüber hinausgehenden Strom direkt für die Wasserstoffproduktion einzusetzen.
Kaiser: „Mögen es nun 30 %, 25 % oder 20 % sein, wir brauchen jedenfalls einen großen, gegenüber 8 % im Jahr 2002 weit größeren Anteil an regenerativem Strom. Darum ist die Wende in der Energiepolitik der entscheidende Beitrag, den wir als Umweltministerium, als Bundesregierung leisten zur Durchsetzung der Wasserstoffwirtschaft, zur Akzeptanz der Wasserstoffwirtschaft.“
„Wir wollen“, so Kaiser weiter, „den Anteil an regenerativem Strom gegenüber 2000 verdoppeln auf 12,5 % bis 2010, und bis zum Jahre 2050 etwa 50 % der Strom- und der Primärenergieerzeugung regenerativ leisten. Und das müssen wir tun, damit unsere gemeinsame Perspektive einer ökologisch fundierten Wasserstoffwirtschaft auch trägt.“ rus
Eine Vision für die Wirtschaft
Alle Fakten, so Wolfgang Reitzle, Vorstandsvorsitzender der Linde AG, auf dem Medienforum Deutscher Wasserstofftag in München, sprächen für schnelles und entschlossenes Handeln in Sachen Energie- und Wasserstoff-Versorgung: Die Volksrepublik China würde täglich 81 Mio. Barrel Öl verbrauchen, wenn dort jeder Einwohner denselben Lebensstandard genießen wollte wie in den USA, das sei aber mehr als dreimal so viel wie die Öl exportierenden Staaten (Opec) zusammen täglich förderten. Zudem werde die förderbare Menge an Erdöl und Erdgas in zehn, auf jeden Fall aber in 40 Jahren ihren Zenit überschreiten und danach drastisch teurer werden.
Reitzle verwies darauf, dass in den USA insgesamt 1,7 Mrd. Dollar Förderung für automobile Brennstoffzellen und Wasserstoff-Forschung zur Verfügung stünden, auch die japanische Regierung setze auf Wasserstoff-Projekte.
„Es reicht nicht, etwas Neues zu entdecken“, so Reitzle, „hinzukommen müssen unternehmerischer Wille und Wagemut. Nur dann kann das Neue seinen Nutzen entfalten. Das gilt besonders für den Aufbruch in die Wasserstoffgesellschaft. Es ist nun Zeit, die Dinge beherzter anzugehen.“ rus
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