Energie 10.09.2004, 18:33 Uhr

Energiehunger der chinesischen Wirtschaft ist kaum zu stillen

VDI nachrichten, Düsseldorf, 10. 9. 04 – In China nehmen die Strombeschränkungen für Haushalte und Industrieunternehmen zu. Auf Grund des Energiemangels hat sich die Industrieproduktion bereits verlangsamt. Der Ausbau der Kapazitäten zur Stromerzeugung geht indes weiter. Experten schätzen, dass sich die Lücke zwischen Wirtschaftswachstum und Energiebedarf in einigen Jahren schließen wird.

China ist ein Land der Superlative. Kein Staat der Erde verfügt über ein derartiges Wirtschaftswachstum. Nirgendwo steigt die Nachfrage nach Rohstoffen und Energie schneller als in der ostasiatischen Volksrepublik. Und während Europa weiter unter einem schwachen Konsumklima leidet, beschert der Export dank der kräftigen Nachfrage u. a. aus China der Wirtschaft in diesem Jahr wenigstens ein bisschen Aufschwung.
Doch China ist auch ein Land der Energiekrise. „Der Energiebedarf ist immens“, sagt Uwe Perlitz aus dem Research der Deutschen Bank. Gedeckt werden kann er aber nicht. „China ist zum größten Stahlerzeuger der Welt aufgestiegen. Doch die jetzige Stromknappheit beeinträchtigt vielerorts bereits die Produktion.“
In vielen Provinzen gibt es schon lange Strombeschränkungen für Haushalte und Wirtschaft. Selbst für das boomende Shanghai wurde kürzlich von einer weiteren Einschränkung der Stromversorgung für die Industrie berichtet. Vielerorts dürfen die Fabriken nur nachts und am Wochenende arbeiten. Allerdings schätzt Mauro Toldo, Chinaexperte der Frankfurter Deka-Bank, dass nur bestimmte Branchen von den Restriktionen betroffen sind. „Schlüsselindustrien wie der Exportsektor und die Infrastrukturbranche sind davon ausgenommen“, vermutet er. Deshalb beeinträchtige die Energieknappheit das robuste Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft, das die Bank bei weiterhin jährlich 7 % sieht, auch nicht nachhaltig. „Der Zubau neuer Energiekapazitäten wird in jedem Fall schneller wachsen als der Bedarf. Die Lücke zwischen Energiebedarf und Wirtschaftswachstum wird sich mittelfristig schließen.“
Damit das auch tatsächlich klappt, steht für die chinesische Regierung die Schaffung neuer Kapazitäten ganz oben auf der Agenda. Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris schätzt, dass bis zum Jahr 2030 etwa 15 % aller weltweiten Energieinvestitionen in China stattfinden werden. Nirgendwo sonst werden so viele neue Stromkapazitäten entstehen. In den kommenden Jahrzehnten müsse China mehr als 2000 Mrd. $ dafür ausgeben.
Ein gewaltiger Kapitalbedarf, den China nicht alleine aufbringen kann. Deshalb hat das kommunistische Land kürzlich beschlossen, einen kleinen Teil seiner nationalen Elektrizitätsgesellschaften zu privatisieren und mit der Vorbereitung die Investmentbanken Goldmann Sachs und UBS beauftragt.
Im Zentrum der neuen Kapazitäten steht die Kohle, die wie bisher für die Energieversorgung Chinas dominierend bleibt. Nach Ansicht der IEA werden mehr als ein Drittel aller weltweiten Investitionen in neue Kohlekraftwerke bis 2030 in China stattfinden. Das mache jährlich rund 4 Mrd. € aus. Der Anteil am Energieverbrauch werde nur minimal von 69 % (2001) auf 60 % abnehmen, während der Energieverbrauch insgesamt um ca. 3 % im Jahr und der Stromverbrauch um rund 8 % im Jahr anwachsen werde.
Doch auch die erneuerbaren Energien sind für China wichtig. So hat das Land angekündigt, bis 2010 rund 60 GW aus regenerativen Quellen gewinnen zu wollen, rund 10 % der erwarteten Gesamtkapazitäten, die 2004 noch bei unter 400 GW liegen. Der größte Teil soll aus kleiner Wasserkraft stammen. „Jährlich baut China eine neue Leistung an Kleinwasserkraft von 1500 MW hinzu“, sagt Jochen Bard, Experte für Wasserkraft beim Kasseler Institut für solare Energieversorgungstechnik ISET. Die Windenergie soll von 560 MW Ende 2003 auf 20 000 MW ausgebaut werden, berichtet Fritz Vahrenholt, Chef des Hamburger Windturbinenbauers Repower. „Windstrom ist in China mit rund 6,5 Cent je kWh wettbewerbsfähig. Die Strompreise liegen bei 5 bis 8 Cent je kWh“, so Vahrenholt, dessen Unternehmen am Marktwachstum kräftig partizipieren will.
Wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtete, will die Regierung bis 2020 rund 140 Mrd. Yuan (14 Mrd. €) in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren.
Gut das Doppelte soll jedoch in den Ausbau der Kernenergie fließen. Nach Angaben der chinesischen Kernenergiebehörde sind derzeit neun Kernkraftwerke mit zusammen 7000 MW Leistung in Betrieb. Im nächsten Jahr soll ein weiterer Reaktor in der Provinz Jangsu in Betrieb gehen und die Kapazitäten auf 9000 MW erweitern.
Doch auch an der Energieeffizienz wird gearbeitet. Wie Mauro Toldo von der Deka-Bank berichtet, vergeben die chinesischen Banken derzeit Darlehen eher an Unternehmen, die energieeffiziente Technik einsetzen, als an solche mit einer veralteten Technik.
OLIVER RISTAU

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