Energie-Contracting für die öffentliche Hand
VDI nachrichten, Achern, 20. 10. 06, rok – Der Sektor mit dem größten Primärenergieverbrauch ist nicht der Verkehr, wie vielfach angenommen, sondern der Gebäudebereich mit rund 40 %. Und Einsparpotentiale gibt es reichlich, besonders bei der öffentlichen Hand.
Enorme Möglichkeiten, um weniger Energie zu verbrauchen und gleichzeitig CO2-Emissionen nach den Forderungen des Kyoto-Protokolls zu reduzieren liegen im Neubau, aber vor allem im Bestand. Alleine Deutschland besitzt demnach im Gebäudesektor ein Energieeinsparpotenzial von rund 125 TWh/a, wie fachliche Untersuchungen ergaben. Dies entspricht einer jährlichen Energiekosteneinsparung von fast 4 Mrd. €. Gleichzeitig könnten die CO2-Emissionen um etwa 30 Mio. t reduziert werden. Um diese Einsparungen zu realisieren bedarf es einer Gesamtinvestitionssumme von etwa 20 Mrd. €. Zahlen, die ebenso auf andere europäische Länder übertragen werden können. So lassen sich nach Studien der EU mehr als 40 % Energie im europäischen Wärmemarkt einsparen. Ebenso rücken Maßnahmen in den Fokus, die eine effizientere Kühlung und Klimatisierung von Gebäuden erlauben.
Für Bewegung hat in den vergangenen Monaten auch die Politik gesorgt. Die Europäische Richtlinie „Energy Performance of Buildings“ fordert vor allem von Nichtwohngebäuden deutliche Einsparungen. Gleichzeitig legt die neue Richtlinie ein wesentlich größeres Augenmerk auf den Energiebrauch von Lüftungs- und Klimaanlagen bzw. Kühlsystemen.
In Deutschland findet dies in der Vornorm DIN 18599 Umsetzung. Und da sich rund 80% aller deutschen Nichtwohngebäude (Verwaltung, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen etc.) in öffentlicher Hand befinden, braucht man kein Prophet zu sein, um hier große Chancen für die Gebäudetechnik zu wittern.
Gerade für die öffentliche Hand bieten beispielsweise Contractingverträge interessante Möglichkeiten. „Beim Energie-Contracting geht es um die Lieferung von Wärme, Kälte, Druckluft und Strom. Anbieter ist auf der einen Seite der Contractor, auf der anderen Seite kauft der Contractingnehmer Energiemengen ein, also kWh oder Endenergie“, erklärt Norbert Krug, Vorsitzender des Verbands für Wärmelieferung VfW. „Aus dieser Konstellation ergibt sich, dass ein Contracting-Dienstleister im Wettbewerb dafür Sorge trägt, Energie möglichst günstig und sparsam zu erzeugen. Je günstiger er dies realisiert, desto höher ist seine Rentabilität im Rahmen der Lieferverträge mit seinen Abnehmern. Er hat daher ein primäres Eigeninteresse, die verkauften Energiemengen mit sparsamen und effizienten Systemen zu erzeugen. Langfristig festgeschriebene Lieferverträge von bis zu 15 Jahren bieten wiederum Sicherheit für den Contractingnehmer im Rahmen seiner Investitionsentscheidungen.“
Auf diesem Wege kann neben Wärme natürlich auch Kälte geliefert werden. Allerdings ist das so genannte Kältecontracting laut Krug nach wie vor ein kleiner Markt. Es gebe wenige Firmen, die fachlich überhaupt qualifiziert sind, Kältecontracting auszuführen. Klassische Wärme-Contractoren gingen aber langsam und vorsichtig in dieses Segment, wohingegen große Energieversorger dies schon länger anbieten, meist im Rahmen eines kompletten Energiemanagements für Wärme, Kälte, Strom etc. Sobald Contractoren positive Erfahrungen mit Kältecontracting gemacht haben, werde es aber einen ähnlichen Stellenwert einnehmen wie bereits heute das Wärmecontracting, ist sich Krug sicher.
Und auch erneuerbare Energien werden sukzessive für den Contractingmarkt entdeckt, wie Krug erklärt. „Augenblicklich spielen sie in der realisierten Ausführung noch eine untergeordnete Rolle. Allerdings wird der Fokus immer mehr auf die Erneuerbaren gerichtet, weil es Möglichkeiten der Förderung gibt und weil die Energiepreise eine Höhe erreicht haben, die die erneuerbaren Energien wirtschaftlich werden lassen.“ So ist es heute durchaus wirtschaftlich, mit Holzschnitzeln oder Pellets zu arbeiten, anstatt auf Öl und Gas zu setzen. Dies wird bei neuen Projekten immer häufiger realisiert. Eine Variante ist dabei recht interessant, die derzeit beim Contracting immer häufiger diskutiert wird: Bestehende Verträge mit langen Restlaufzeiten, z.B. 8 Jahre, werden um regenerative Alternativen wie Holzschnitzel oder Pellets ergänzt – allerdings nicht die gesamte, sondern eine Teilanschlussleistung von 25 % bis 30 % des Anschlusswertes. Diese Teilleistung deckt dann ca. 70 % der Jahresarbeit ab.
In Deutschland gibt es derzeit etwa 500 Anbieter von Energie-Contracting. Dazu gehören alle großen Energieversorger wie Eon, Vattenfall, RWE oder EnBW, entweder unter eigenem Namen oder mit Tochtergesellschaften. Ferner gibt es viele Stadtwerke, die nicht mehr das Gas verkaufen sondern die daraus erzeugte Wärme. Aber auch die Anzahl der Mittelständler, die sich mit dem Thema Contracting befassen, nimmt zu. Die Aufteilung dürfte etwa bei 55% Mittelständler, 35% Stadtwerke und 10% große Energieversorger liegen. ACHIM FROMMANN
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