Eine Festung umgibt einen einzigen Brennstab
Der neue Forschungsreaktor FRM II kann nach Einschätzung der TU München planmäßig im nächsten Frühjahr in Betrieb gehen. Eine Umrüstung von hoch- auf niedrigangereichertes Uran würde den Bau um zehn Jahre verzögern und erheblich teurer machen.
Schöner ist der Betonklotz des Forschungsreaktors München II, kurz FRM II genannt, in Garching vor den Toren Münchens in den letzten zwölf Monaten eifriger Bautätigkeit nicht geworden. Wie ein riesiger grauer Bunker überragt er die umliegenden Forschungsinstitute und das mittlerweile 40 Jahre alte silberne „Atom-Ei“ in seiner Nachbarschaft. Doch der Präsident der Technischen Universität (TU) München Wolfgang Herrmann sieht nur den wissenschaftlichen Charme des umstrittenen Großprojekts.
Tatsächlich hat das Gebäude, das für insgesamt 810 Mio. DM vor den Toren Münchens entsteht, den Charakter einer Trutzburg. Fast 2 m dicke Wände aus dem besten Beton, der heute herstellbar ist, sollen einen einzigen aktiven Brennstab im Inneren sogar vor Flugzeugabstürzen und schweren Erdbeben so schützen, daß keine Radioaktivität nach draußen dringt. Sollten die Bauherren jemals die Absicht haben, das Bauwerk wieder abzureißen, stünden sie vor größeren Problemen als bei der Beseitigung des „Westwalls“.
Atomkraftgegner und Parteien protestieren gegen das Projekt
Doch trotz erheblicher Widerstände gegen den FRM II aus Kreisen der Atomkraftgegner, aber auch von der SPD und den Bündnisgrünen, wird es keine Atom-Ruine geben, dessen ist sich TU-Präsident Herrmann sicher. Der Forschungsreaktor werde plangemäß im Frühjahr 2001 angefahren werden können — und zwar mit Brennstoff aus hochangereichertem Uran (HEU), glaubt der Präsident. Eine Umrüstung auf niedrigangereichertes Uran (LEU) werde die Inbetriebnahme um zehn Jahre verzögern und zusätzlich 300 Mio. DM kosten, sagt der TU-Physikprofessor und Brennstoff-Experte Klaus Böning. Auch die von der rot-grünen Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission habe eingesehen, daß dies inakzeptabel sei.
Die Lösung des Hick-Hacks zwischen Berlin und München um den FRM II und den Einsatz von atomwaffenfähigem Uran sieht Herrmann in einem Kompromiß. In zehn bis 15 Jahren, so der TU-Präsident, werde es einen mittelangereicherten Brennstoff auf der Grundlage einer Uran-Molybdän-Legierung geben. Ein solcher Brennstoff werde zu tragbaren Umrüstungen und einer Reduzierung des Neutronenflusses um 7 % führen.
Begeisterung und Willigkeit der beiden Geldgeber — Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland — sind unterschiedlich ausgeprägt. Von den 700 Mio. DM, die bisher verbaut oder bis Ende 1999 fest verplant sind, trägt der CSU-regierte Freistaat den Löwenanteil. Der Bund hat für das Vorhaben bisher 80 Mio. DM überwiesen. Zu weiteren 240 Mio. DM für Erstausstattung und Betriebskosten hat er sich unter der Regierung Kohl ebenfalls noch verpflichtet. Der Freistaat steckt insgesamt 450 Mio. DM aus Privatisierungserlösen in das Projekt und ist bei Bedarf auch zu Vor- und Zwischenfinanzierungen bereit.
Wenn der neue Reaktor 2001 in Betrieb geht, wird der benachbarte alte Forschungsreaktor, weltbekannt als „Garchinger Atom-Ei“, abgeschaltet. Das silberne Gebäude ist denkmalgeschützt und soll in Zukunft als „Experiment-Vorbereitungshalle“ genutzt werden. Seit 40 Jahren werde der Reaktor im „Ei“ mit hochangereichertem Uran betrieben, betont TU-Präsident Herrmann immer wieder: „Und das bei gerade mal zwölf Zentimeter dicken Wänden.“
RALF MÜLLER
Auch heftige Proteste wegen des Uran-Brennstoffs konnten den Bau des Garchinger Forschungsreaktors (hinten das „Atom- Ei“) nicht verzögern.
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