Ein Quadratmeter Solarthermie pro Einwohner
Oft wird die Solarthermie gegenüber ihrer schicken Schwester Photovoltaik etwas stiefmütterlich mit Aufmerksamkeit bedacht. Doch das ändert sich gerade. Auf der Solarthermie-Tagung Estec und der Messe Intersolar in München gab es ehrgeizige Pläne und Innovationen. VDI nachrichten, München, 5. 6. 09, swe
Bis zum Jahr 2030 soll pro europäischem Einwohner mindestens 1 m2 solarthermische Kollektorfläche installiert sein – so das ehrgeizige Ziel, das Gerhard Styri-Hipp von der European Technology Platform Renewable Heating and Cooling (ETP-RHC) auf der Solarthermie-Tagung Estec letzte Woche in München ausgab.
Häuser könnten fast vollständig solar erwärmt werden, die Potenziale im Bereich industrielle Prozesswärme seien noch nicht einmal angezapft, so Styri-Hipp. Neben der gesetzlichen Förderung sollen zur Verbreitung der Solarwärme-nutzung Bewusstseinsbildung, Forschung und Entwicklung beitragen.
Bei der Energiespeicherung klaffen große Wissenslücken. „Wir müssen hier elementare Materialforschung betreiben, weil es einfach nichts gibt“, sagt Florian Bertsch, der am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Universität Stuttgart an der Entwicklung von Latentwärmespeichern auf chemischer Basis arbeitet.
Fortschritte müssen nicht immer von der Uni kommen: Die bayerische Leonardo Energietechnik aus Peißenberg hat einen patentierten Schicht-Latentwärmespeicher auf Paraffinbasis entwickelt, der Wärme sehr viel länger hält als üblich. Der Clou: Der Wärmeträger Paraffin kann auf demselben Volumen viermal so viel Wärme speichern wie Wasser. Außerdem liegen die Wärmeschichten nicht übereinander, sondern verteilen sich von der heißen Mitte nach außen, so dass die Temperatur im Kern wegen der geringen Abstrahlung lange konstant bleibt. Energieerzeuger sind Solarthermiemodule, die Wärme fließt an einen Heiz- und einen Frischwasserkreislauf.
Die Hamburger Patentvermarkter der IPB AG verwenden für ihr thermisches Solarmodul den Aufbau eines Isolierglasfensters. Die Solarabsorberschicht wird in das Glasverbundsystem integriert, die übliche Wärmedämmschicht auf der Rückseite des Kollektors eingespart. Der Einsatz speziellen Wärmedämmglases auf der Kollektorrückseite ermöglicht eine Erhöhung der Wärmedämmung und steigert so den Gesamtwirkungsgrad des Kollektors vor allem in der Übergangszeit.
Gegen Überhitzen kann das Modul durch Aufbringen einer temperatursensitiven Schicht auf dem Außenglas geschützt werden. Sie blockt bei Überschreiten einer bestimmten Temperatur das Eindringen weiteren Lichts ab und verhindert so die weitere Erwärmung.
Durch die Nutzung des voll industrialisierten Fensterglasprozesses will IPB die Produktion thermischer Module für die Dach- oder Fassadenintegration um Dimensionen billiger machen. Auf der Intersolar suchte die IPB Partner für die Produktion.
Der nächste Schritt ist schon geplant: Statt der üblichen Kupferrohrschlange, in der die Thermoflüssigkeit kreist, will IPB zukünftig einen Flächenkollektor aus vier miteinander hochdicht verpressten Metallplatten nutzen, wobei die beiden inneren Platten eine Art Raster bilden, durch das die Thermoflüssigkeit fließt und wo sie erwärmt wird. Dadurch soll der Wirkungsgrad weiter gesteigert werden.
Die Mefa Befestigungs- und Montage-systeme GmbH aus dem schwäbischen Kupferzell hat ein flexibles System für die Beheizung großer Räume gebildet, das konsequent jegliche verfügbare Umgebungsenergie ausnutzt und sie in Strahlungswärme umsetzt. Daher bleibt die Gesamtlösung immer im Niedrigtemperaturbereich.
Die Raumbeheizung basiert dabei auf an den Wänden großflächig angebrachten Kunststoffmatten, die Wärme abgeben. Dieselben Matten dienen auf dem Dach oder an den Fassaden als Wärmesammler. Regenwasser wird in einer Zisterne gesammelt und fließt in den Prozess ein. Auch diffuse Strahlung oder warmer Wind können als Energieressourcen genutzt werden.
Ein Luft-/Wasser-Wärmetauscher ist zwischen die Energiesammler und eine Wärmepumpe geschaltet, die einen Pufferspeicher beliefert. Dieser wiederum beschickt die Heizmatten in den Räumen. Die erwärmte Abluft fließt wieder in den Prozess ein. Derzeit bildet ein 3600 m2 großes Logistikzentrum eine Pilotanlage, das System soll sich aber auch zum Beispiel für Mietshäuser eignen. Eine Marktlücke, denn solarthermische Heizlösungen für große Einheiten sind bisher Mangelware. ARIANE RÜDIGER
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