Windkraft 12.04.2002, 17:33 Uhr

„Ein kleiner Tornado haut uns nicht um“

In keinem Land werden so viele Windkraftanlagen produziert und aufgestellt wie in Deutschland. Langsam werden die Standorte rar, auch wächst der Widerstand gegen die Windkraft. Hersteller und Planer suchen neue Märkte im europäischen Ausland, aber auch in den Entwicklungsländern – vor allem in Indien.

Nur ein paar Glühbirnen werfen ein schummriges Licht. Hier und da treffen zwei Gassen an einer Lichtinsel zusammen, doch der größte Teil der indischen Stadt Jaisalmer bleibt unbeleuchtet. Immerhin gibt es rund um die Uhr Strom für Kühlschränke, Computer und die winzigen Farbfernseher, die in fast jedem Haus flackern. „Den Dörfern und kleinen Orten teilen wir nur zehn bis zwölf Stunden am Tag Strom zu“, sagt Pratap Mel Khatri, leitender Ingenieur der Jodhpur Distribution Company (Discom). Von seinem schmucklosen Büro am Fuß der Stadtmauern aus regiert er über die Stromkabel in Jaisalmer und Umgebung und kontrolliert damit ein wertvolles Gut: Strom ist knapp und teuer in Indien.

Besonders in abgelegenen Orten wie Jaisalmer. Der alte Vorposten der Mogulen und Briten ragt wie eine Insel im Meer aus der endlosen Steppe im Nordwesten des Subkontinents. Jedes Jahr stürmen Hunderttausende Touristen die alte Wüstenfestung der 45 000-Einwohner-Stadt. Seit wenigen Jahren drehen sich am Horizont die weißen Flügel der Windräder und speisen ihren Strom in das Netz des Touristenmagneten ein: 7,5 Rupien oder 18 Cent pro Kilowattstunde zahlen die Hoteliers und Geschäftsleute, um Ventilatoren, Kühlschrank und Licht in Betrieb zu halten, Privatleute nur zwei Rupien.

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Die Stromversorgung ist ein staatliches Monopol. Der Strom für die Region kommt zum großen Teil von einem 35-MW-Gaskraftwerk in Ramgarth, 65 km westlich von Jaisalmer.

Doch Ramgarth versorgt noch anderer Städte, denn Energie ist knapp in Indien. Im Landesschnitt liegt der Energiebedarf, so eine Studie der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), Eschborn, 6 % über dem Angebot. Das gilt für die Städte ebenso wie für die großen Bewässerungsanlagen in der Steppe.

Die Regierung des Bundesstaates Rajasthan, in dem Jaisalmer liegt, setzt deshalb seit 1999 auf Windkraft: Bis 2004 soll Rajasthan über eine installierte Leistung von 100 MW Windenergie verfügen. Für ganz Indien hat die Regierung in Delhi ein Potenzial von 45 000 MW ermittelt. Sie will deshalb den Anteil der Windkraft an der Primärenergieerzeugung von heute 1 % auf 10 % im Jahr 2010 steigern.

Das Büro von Discom-Ingenieur Pratap Mel Khatri ist „Old Power House“ in dem alten Umspannwerk, das noch aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts stammt. 15 MW saugt Jaisalmer schon heute aus dem Leitungsnetz von Rajasthan. Doch dieses Netz, in das auch die Windräder am Horizont einspeisen, ist marode und oft nicht mehr als ein Knäuel Leitungen um einen Holzmast, in das sich Strompiraten mit blanken Drahtenden einhängen. „Und der Stromverbrauch wächst jedes Jahr um 5 %“, schätzt Khatri.

Die kleine Motor-Rikscha rappelt über löchrigen Asphalt auf die Windkrafträder in der Wüste zu. Der Fahrer kennt den Weg, er fährt regelmäßig zu den weißen Masten und silbernen Stahlgerüsten raus. Im Wind drehen sich Rotoren bekannter Firmen: Der deutsche Weltmarktführer Enercon ist seit dem Jahr 2000 mit zwölf Windrädern der 250-kW-Klasse vertreten, ebenso wie die indischen Gesellschaften Bharat Heavy Electrical Limited und Suzlon. Insgesamt gibt es hier 40 Windräder. Weitere 16 sind geplant oder im Bau.

Beim Zuwachs der Windkraft ist Indien inzwischen die Nummer eins unter den Entwicklungsländern. Bisherige Schätzungen gehen davon aus, dass im vergangenen Jahr 240 MW dazugebaut wurden. Davor liegen nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie, Osnabrück, nur noch Deutschland mit 2600 MW neu installierter Leistung, die USA mit 1700 MW, Spanien mit 800 MW und Italien mit 270 MW.

„Wir liefern bereits die Hälfte des Stroms von Jaisalmer“, sagt auch Techniker Jayesh Patel. Zwischen den Schaltschränken in dem kleinen Steuerraum zaubert er Tee für die Besucher. Patel hat die Ruhe eines Leuchtturmwärters. Denn trotz der Hitze von bis zu 50 Grad im Sommer und kleinen Tornados hat der Ingenieur des indischen Windrad-Betreibers Kintech bisher über keine technischen Probleme zu klagen: „So was haut uns nicht um“. Und mit 5000 Rupien oder 120 ‰ im Monat ist er in Indien sehr gut bezahlt. „Ein leichter Job“, sagt er und ist“s zufrieden.

Dabei war die Zuverlässigkeit der Anlagen bisher eines der Hauptprobleme Indiens. Von 1994 bis 1996 wurden zwischen 150 MW und 300 MW Windkraft jährlich installiert – so der jüngste „Weltmarktreport Wind“ von BTM-Consult aus Dänemark. Doch 1999 brachen die Neuerrichtungen auf 50 MW ein und das Angebot von Strom aus Windkraft stagnierte bei 1000 MW. Doch selbst diese Angabe täuscht: Offizielle Zahlen sind in Indien nicht viel wert. „Niemand weiß genau, welche der installierten Anlagen überhaupt noch in Betrieb sind“, sagt Albrecht Kaupp, der für die GTZ seit vier Jahren als Projektleiter Energie in Indien tätig ist.

Doch im zweiten Halbjahr 2001 ist wieder Bewegung in den indischen Markt gekommen, schreibt die GTZ in einer neuen Studie (siehe Kasten). Denn inzwischen müssen Betreiber von Windparks den Strom nicht mehr in allen indischen Bundesstaaten an die State Electricity Boards (SEB), die staatlichen Energieversorger, liefern. „Die SEB konnten den eingespeisten Strom oft gar nicht bezahlen“, weiß Kaupp. Viele seien bankrott, weil ihre Einnahmen aus dem Stromverkauf nicht die Ausgaben für Kraftwerke und Netze decken.

In den Staaten Karnataka, Madhya Pradesh, Maharashtra und Rajasthan dürfen Betreiber von Windparks die SEBs umgehen, sich direkt mit Industrie-Unternehmen zusammenschließen. „Die Industrie zahlt heute bei den SEBs vier bis fünf Rupie je kW und muss dabei hinnehmen, dass die Strom-Frequenzen schwanken und bis auf 48 Hertz abfallen“, so Kaupp. Anstelle der 2,25 Rupien von den SEB können Windstromlieferanten daher 3,5 Rupien von Stromkunden aus der Industrie kassieren.

„Dadurch wird sich der Strom aus Windkraft in Indien bis 2005 mehr als verdoppeln“, sagt Beager T. Madsen von BTM Consult. Profitieren werde davon vor allem der Newcomer Suzlon Energy aus Poona. Suzlon ist erst fünf Jahre alt, beschäftigt aber bereits 1000 Mitarbeiter und beherrscht 60 % des indischen Marktes.

Zusammen mit der deutschen Idas GmbH in Bad Doberan hat Suzlon jetzt auch die erste indische 1-MW-Anlage gebaut. „35 dieser Anlagen werden jetzt aufgestellt“, sagt Idas-Gründer Thorsten Spehr. Aber auch andere deutsche Firmen profitieren: Anlagen mit einer Kapazität von 76 MW wurden laut BTM Consult im vergangenen Jahr aus Deutschland geliefert. Vor allem vom Marktführer Enercon.

Die Gegend um Jaisalmer gehört zu den windreichen Gegenden Indiens. Um die Stadt herum entstehen weitere Windparks. Noch einmal 16 Windräder in einem Dorf 8 km entfernt. Und im 30 km entfernten Temdray weitere 52 Anlagen. Die futuristischen Türme werden geschützt wie die vielen Kasernen hier im indisch-pakistanischen Grenzgebiet: Fotografieren ist streng verboten. Doch verhindern lassen sich Fotos nicht mehr. Die Windräder sind eine neue Attraktion für indische Touristen und sorgen damit nicht nur für Strom, sondern auch für neue Geschäftsideen: Unter dem Flop-Flop der Rotorblätter hat eine kleine Teebude aufgemacht.

MARCUS FRANKEN

 

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