Dünne Folien fangen die Sonne ein
Leipziger Wissenschaftler wollen die bisherigen Probleme bei der Produktion von Dünnschicht-Solarzellen lösen. In der Solarion GmbH produzieren sie zunächst Solarfolien für hochwertige Nischen-Produkte und bereiten gleichzeitig den großtechnischen Durchbruch vor.
Vorsichtig klemmt Gerd Lippold das Labormuster einer neuartigen Dünnschicht-Solarfolie auf die Pinzette. Das Blättchen ist 7,5 mm dünn und fast schwerelos. „Ein Quadratmeter dieser Folie wiegt 30 g und soll einmal bis 100 W leisten“, erklärt Lippold, Geschäftsführer der Solarion GmbH Leipzig. „Das ist das gleiche Verhältnis von Gewicht und Leistung wie bei einem Porsche-Motor.“ Allerdings begnügt sich die CIS-Solarfolie mit der Sonne als Treibstoff.
Wo geringes Gewicht und unabhängige Stromversorgung wichtig sind, kann die Folie ihre Vorteile entfalten: in der Raumfahrt, auf Akkuladern für Videokameras und Laptops sowie künftigen Chipkarten mit elektronischer Anzeige. Wird die Halbleiterschicht aus Kupfer, Indium und Selen (CIS) auf Glas aufgedampft, ist sogar eine billige Massenproduktion möglich, die heute gebräuchliche Silizium-Module bei den Kosten deutlich unterbietet.
Allerdings sind die Produktions-Technologien für CIS-Solarzellen, die bisher in Deutschland, den USA und Japan üblich sind, noch sehr aufwändig: Damit sich das Selen in der geforderten Weise mit den Metallen verbindet, sind Temperaturen von etwa 500 °C bei einem relativ schwachen Vakuum nötig. „Dabei gibt es Riesenprobleme“, weiß Lippold. Die für eine effektive Massenproduktion erforderlichen großen Glasflächen sind thermisch nicht stabil es gibt Spannungen und Biegungen, und die Ausschussrate ist hoch.
Der US-amerikanische Hersteller Global Solar hat deshalb die Prozesstemperatur auf 400 °C abgesenkt, nimmt damit aber einen geringeren Wirkungsgrad in Kauf. Lippold und seinen Kollegen ist es nun gelungen, das Problem mit einem Ionenstrahl-Prozess zu lösen: Das widerspenstige Selen wird zunächst in einer Plasmakammer atomisiert, bevor die einzelnen Atome über elektrische Felder einer Ionenquelle „heraus gepickt“ und in einem kontrollierten Strahl auf das Trägermaterial geleitet werden. „Wir können genau kontrollieren, wie viele Atome pro Sekunde und Quadratzentimeter auf die Oberfläche treffen“, erklärt der Physiker. Durch die hohe kinetische Energie verbinden sich die Selen-Atome mit der Metallschicht, ohne dass das Trägermaterial zu heiß wird. „Damit erhalten wir hochwertige CIS-Schichten bei niedrigen Temperaturen.“
Auf die Idee zu dem inzwischen Patent geschützten Verfahren kam Gerd Lippold vor zwei Jahren, als er sich noch an der Universität Leipzig mit Analyse-Verfahren für die Dünnschicht-Fotovoltaik beschäftigte. Der nächste Schritt war ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem Leipziger Institut für Oberflächen-Modifizierung (IOM), das als Entwickler von Ionenquellen für die Halbleiter-Industrie über das Apparate-Wissen verfügt.
Auf der ersten Labor-Anlage lassen sich inzwischen 25 cm2 kleine Solarfolien herstellen. Erste Tests haben bei ihnen einen Wirkungsgrad von 8 % ergeben, den die Leipziger aber bei späteren Optimierungs-Schritten noch auf mindestens 10 % für flexible Kleinmodule steigern wollen. Derzeit bereiten sie eine größere Beschichtungs-Anlage vor, die schon in einem kontinuierlichen Prozess 3 cm bis 5 cm breite Solarfolien-Bänder produzieren soll. Die Bänder werden dann streifenweise zu größeren Flächen zusammen gefügt.
In den nächsten zwei Jahren wollen Lippold und seine beiden Mitgesellschafter vor allem die Technologie weiter entwickeln. Das Startkapital kommt aus Fördermitteln und Risiko-Kapital. Der Solarion-Geschäftsführer rechnet aber auch mit Forschungsaufträgen und ersten Produkt-Erlösen. Ihm schwebt bereits die Strom produzierende Jalousie oder die Solaranlage auf dem Autodach vor. Später soll sich das Verfahren auch in einer Großanlage bewähren. „Dafür muss man 30 bis 50 Mio. DM investieren“, sagt Lippold. „Das ist jetzt noch eine Nummer zu groß für uns.“ STEFAN SCHROETER
Dünnschicht-Solarzelle
Hohe Temperatur ist das Problem Der Verbindungshalbleiter Kupfer-Indium-Diselenid CuInSe2 (CIS) wird als Absorber für Dünnschichtsolarzellen eingesetzt. Da bereits eine Schichtdicke von 1/1000 mm genügt, um das Sonnenlicht nahezu vollständig zu absorbieren, muss im Vergleich zur herkömmlichen Silizium-Technologie wesentlich weniger Material eingesetzt werden. Im Labormaßstab halten derartige Zellen mit 19 % Wirkungsgrad den Weltrekord unter den multikristallinen Solarzellen – theoretisch sind sogar 30 % möglich. Bei der Massenfertigung erweisen sich bisher die nötigen Temperaturen von 500 ºC als schwer beherrschbar. Mit der Ionenstrahl-Technologie, die deutlich geringere Temperaturen erfordert, will die Solarion GmbH Leipzig dieses Problem lösen. sts
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