„Die Steuerung macht uns so schnell keiner nach“
VDI nachrichten, Düsseldorf, 31. 10. 08, ps – Ein Seefrachtcontainer bildet die Hülle für das erste autarke Hybridenergiesystem, das die Terracon Energy GmbH entwickelt hat. Der batteriegepufferte Wind-Solar-Diesel-Block lässt sich in vier, fünf Stunden ohne Kran auf Wald- oder Steppenboden setzen. Fragen an Petra von der Heide, Geschäftsführerin des Leipziger Unternehmens.
Von der Heide: Natürlich nicht, denn Strom aus der Steckdose ist schon günstiger. Unser System ist für Standorte ohne Anbindung an herkömmliche Energienetze bestimmt, so in Tundren, Wäldern, Savannen oder in strukturschwachen Regionen. Hierher eine Leitung zu verlegen, käme ungleich teurer, als unsere mobile Station zu installieren. Sie erbringt, ohne nachhaltig in die Natur einzugreifen, aus Windkraft und Sonnenenergie sowie einem ergänzenden Dieselaggregat eine Dauerleistung von 5 kW. In der Spitze sind bis 10 kW möglich.
Über das Jahr summiert sich das schon in der Grundausstattung bis zu 23 000 kWh – an jedem beliebigen Standort der Welt, selbst im häufig bewölkten Mitteleuropa.
VDI nachrichten: Wie hoch soll dabei der Anteil von Sonne und Wind sein?
Von der Heide: In Mitteleuropa gehen wir von ca. 62 % Wind- und ca. 8 % Sonnenstrom aus. Die restlichen 30 % steuert das Dieselaggregat bei. Dies richtet sich jedoch insbesondere nach dem Aufstellungsort.
VDI nachrichten: Weshalb kam bisher sonst niemand auf diese Idee?
Von der Heide: Es gibt bereits verschiedene Systeme in aller Welt. Die sind jedoch meistens fest installiert. Die neuartigen Speicher und Systembausteine für solche Insel- oder Stand-Alone-Systeme mit regenerativen Energien lassen erst seit Kurzem mobile Varianten zu.
Was wir bieten, ist ein Systembaukasten, in dem alle Komponenten für die verschiedenen Energieerzeugungsarten so reibungslos aufeinander abgestimmt bzw. verknüpft sind, dass sie ebenso effizient wie wartungsarm und störungsresistent arbeiten. Das System ist hochgradig mobil und sehr einfach zu montieren. Man braucht kein Fundament und keinen Kran. Erst einmal in Betrieb genommen, hat man ein halbes Jahr Ruhe.
Von der Heide: Der Container besitzt in der Standardausführung ein Füllvermögen von 2160 l Diesel. Er fasst maximal sieben Tanks zu je 720 l, ist aber vor allem auf sehr große Nachtankintervalle ausgelegt. Wir haben ihn durch die Steuerung so optimiert, dass der fossile Brennstoff nur genutzt wird, wenn die Batterie einen bestimmten Ladezustand erreicht hat. Dann läuft der Dieselmotor an, füllt den Akku und stellt sich wieder aus. Anders als bei üblichen Notstromaggregaten muss der Diesel nicht 24 Stunden am Tag laufen, selbst wenn nur eine Lampe brennt.
VDI nachrichten: Wer hat die Steuerung entwickelt?
Von der Heide: Ein Team aus Ingenieuren, Technikern und Informatikern, hauptsächlich Mitarbeiter der Terrawatt Planungsgesellschaft in Schkortitz bei Leipzig. Das ist eine Engineeringfirma, die sich national wie international mit Infrastrukturplanung, Projektierung und Realisierung von Vorhaben zur Nutzung von Sonne und Wind beschäftigt.
VDI nachrichten: Terracon wurde gegründet, um sich der Produktion der Energiecontainer zu widmen?
Von der Heide: Ja, dank der Unterstützung durch Kooperationspartner. Wir haben in den vergangenen Monaten eine Produktionshalle in Taucha bei Leipzig mit dem nötigen Equipment ausgerüstet. Anfang der Woche ist die Fertigung angelaufen. Noch in diesem Jahr wollen wir eine größere Anzahl Container ausliefern.
VDI nachrichten: Für welche Einsatzfelder sind die Energiecontainer konzipiert?
Von der Heide: Wir denken an Forschungs- und Wetterstationen, landwirtschaftliche Produktionsstätten, kleine Feldkrankenhäuser, Katastrophenschutz, Windmessanlagen ohne Mast. Großes Interesse bekunden auch Funknetzbetreiber. Hier laufen bereits Gespräche. Ziel ist es, für mobile Funkstationen in netzfernen Regionen die Funktechnik gleich mit im Container unterzubringen.
Große Bedeutung hat auch das Thema Wasseraufbereitung und -entsalzung, selbst in Katastrophengebieten, in denen, wie nach einem Tsunami, alle Infrastruktur zerstört wurde. Im Grunde lässt sich der Container an alle geologischen und klimatischen Bedingungen anpassen.
VDI nachrichten: Wie steht es um weitere alternative Energiequellen, Wasserkraft etwa?
Von der Heide: Auch dafür haben wir Pläne, speziell für die Wasserkraft, sofern sich in der Nähe ein modernes Wasserrad befindet. Auch der Anschluss an eine vorhandene Biogas-Kleinanlage wäre realistisch, aber erst in einem zweiten Schritt. Wir wollen nichts Unausgereiftes auf den Markt bringen.
VDI nachrichten: Mit einer Nennleistung von 5 kW ist Ihr System indes begrenzt. Lassen sich gegebenenfalls mehrere Container koppeln?
Von der Heide: Für viele Anwendungen, Messsysteme etwa, die nur zu bestimmten Tageszeiten Strom benötigen, reicht das bestens. Aber wir planen in der Tat kombinierbare Systeme. Die erste Doppeleinheit, die wir zudem mit einer viel größeren Photovoltaikeinheit koppeln, stellen wir im Januar 2009 zur Leipziger Energiemesse Enertec vor. Noch tüfteln wir an der optimalen Steuerung. Sie soll womöglich als weitere Energiequelle auch eine Brennstoffzelle einbeziehen.
VDI nachrichten: Wo liegen Ihre Hauptmärkte?
Von der Heide: Zunächst vor allem in prosperierenden Regionen, wie USA, Kanada, Chile, Australien, wo es viele abgelegene Farmen gibt. Interessant sind auch Indonesien und Südafrika. Anfragen gibt es ferner aus Osteuropa und Russland.
VDI nachrichten: Wie schnell wollen Sie als Firma wachsen?
Von der Heide: In vernünftigem Tempo und nicht unbegrenzt. Produktionsziel am neuen Standort Taucha sind 200 Container im Jahr. Steigt die Nachfrage weiter so stark, lagern wir Teile der Produktion an Partner aus oder vergeben Lizenzen. Es gibt bereits Gespräche in diese Richtungen.
VDI nachrichten: Aber Sie wollen weiter in Deutschland produzieren?
Von der Heide: Ja. Das ist Teil unserer Philosophie. Denn unser größtes Plus, die Steuerung, macht uns so schnell keiner nach. Die Hälfte unserer Mitarbeiter arbeitet allein in der Entwicklung. Permanent verfeinern wir die Systemtechnik. Ziel ist es, eine dauerhafte Forschung und Entwicklung zu leisten, damit das System in sich laufend verbessert wird und an spezielle Anwendungen angepasst werden kann.
HARALD LACHMANN
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