Energie 03.09.2004, 18:32 Uhr

Der nützliche Stinker

VDI nachrichten, Arnsberg, 3.9.04 -Aus nicht mehr genutzten Kohlebergwerken entweicht regelmäßig Grubengas. Es besteht im Wesentlichen aus Methan. Eingesetzt in Blockheizkraftwerken (BHKW), lässt es sich umweltschonend und durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auch wirtschaftlich in Strom und Wärme umwandeln.

Grubengas oder auch Kohleflözgas ist ein Energieträger, der in Deutschlands Kohlerevieren, vor allem im Ruhrgebiet, bereits seit 1908 genutzt wird. Dies geschah damals noch nicht systematisch, wenig effektiv und in der Regel lediglich, um die Energiebedürfnisse einer Zeche zu befriedigen.
Unter Tage ist das Gas, bestehend aus Methan und Luft, gefürchtet. Denn in bestimmten Konzentrationen ist es sehr explosiv und bedeutete eine latente Bedrohung für das Leben der Bergleute. Überall, wo Kohle abgebaut wird, entweichen diese Gase. Inzwischen kontrolliert man das Gas mit aufwändigen Belüftungssystemen, doch es galt lange als eher lästiges Abfallprodukt.
Bisher strömen im Ruhrgebiet pro Jahr über 120 Mio. m3 Methan aus aktiven und stillgelegten Schächten in die Luft. Erst seit den 90er Jahren erforschen Wissenschaftler und Ingenieure, wie man diese Gasvorkommen nutzen kann. Heute wird das Gas aus stillgelegten Bergwerken abgesaugt und in Blockheizkraftwerken verbrannt.
Entweicht das Grubengas mit dem Hauptbestandteil Methan unkontrolliert in die Atmosphäre, ist es extrem klimaschädlich. Das Fraunhofer-Institut „Umsicht“ in Oberhausen hat berechnet, dass Methan im Vergleich zum Kohlendioxid eine Klimaschädlichkeit hat, die um den Faktor 21 höher ist. Durch konsequente Nutzung des natürlichen Energieträgers könnten, heißt es, allein im Ruhrgebiet rund 50 MW saubere Energie bereitgestellt werden, genug, um etwa 130 000 Haushalte mit elektrischer Energie zu versorgen. Wird es jedoch zu Kohlendioxid und Wasser verbrannt, verliert das Gas seine Umweltschädlichkeit.
Naturwissenschaftlich gesehen ist Kohlegas ein Oberbegriff für natürlich gebildete Gase aus der Kohle und für anthropogen über die technische Kohlevergasung erzeugte Gase. Kohleflözgas ist der Oberbegriff für alle natürlichen Gase aus der Kohle. Hierzu zählen das Flözgas und das Grubengas. Flözgas ist das aus Kohleflözen in unverritztem Gebirge etwa durch eine Bohrung freigesetzte Gas.
Das durch die eigentliche Bergbautätigkeit im Grubengebäude unmittelbar oder nach Jahren austretende Kohleflözgas wird als Grubengas bezeichnet. Auf rund 500 km3 bis 1000 km3 schätzt man die unter dem Ruhrgebiet natürlich lagernden Grubengas-Vorkommen. Davon sind bisher durch den Bergbau lediglich 10 % bis 20 % freigesetzt worden. Ein enormes Potenzial für die zukünftige Energiegewinnung schlummert also noch in der Tiefe.
Dass sich dieses Potenzial wirtschaftlich nutzen lässt, ist die Überzeugung vieler Fachleute. So hat die Deutsche Montan Technologie (DMT) errechnet, dass 10 % bis 30 % des natürlichen ursprünglichen Gasvorkommens nach dem Ende des Kohleabbaus noch in dem dann stillgelegten Bergwerk zurückbleiben. Dieses ist bereits erschlossen und „bewettert“, die Gasvorkommen können also relativ leicht abgesaugt und nutzbar gemacht werden.
Die „Karte der verlassenen Schächte“ des Landesoberbergamts NRW weist ca. 2000 Schächte für das Ruhrgebiet aus. Schätzungen gehen von weiteren ca. 1600 unbekannten Schächten aus. Diese riesigen, teils schon lokalisierten Grubengasmengen und die energetische Bedeutung des „kostenlosen“ Rohstoffs ist der Antrieb, Grubengas intensiver zu verwerten.
Begünstigt wird die Grubengasnutzung durch das zum 1. April 2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Damit soll der Anteil erneuerbarer Energien an der nationalen Stromproduktion bis 2010 von 6,25 % Prozent auf 12,5 % verdoppelt werden. Neben Solar-, Wind- und Wasserenergie etc. gehört auch die Nutzung von Grubengas zum Kreis der durch das EEG geförderten Projekte.
Auch die Grubengasverstromung wird mit einem über 20 Jahre garantierten Einspeisepreis unterstützt. Kleinere Anlagen bis zu 500 kW Leistung können den Strom für 7,77 Cent/kWh ins Netz einspeisen, größere für 6,65 Cent/kWh.
Die Vergütungen im Rahmen des EEG liegen weit unterhalb derer für Solarstrom, ermöglichen aber seit 2000 den wirtschaftlichen Betrieb von Grubengaskraftwerken. Ihre Zahl stieg in den letzten Jahren im Ruhrgebiet stetig. Im Saarland, Deutschlands zweitgrößtem Steinkohlerevier, deckt das Grubengas laut Bundesumweltministerium schon 20 % des gesamten Gasverbrauchs. Würde die gesamte Menge von mehr als 120 Mio. m3 Grubengas/Jahr in NRW zur Erzeugung von Strom und Gas genutzt, stünden 1,2 Mrd. kWh Energie zur Verfügung.
Die Grubengastechnologie könnte sich auch zum Exportschlager entwickeln. Denn andere Länder haben weitaus mehr Bergbauindustrie. In Deutschland werden rund 64 Mio. t Steinkohle pro Jahr gefördert, in Polen ist es doppelt so viel, in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind es über 470 Mio. t, in den USA 868 Mio. t und in China sogar über 1 Mrd. t. Vor allem Polen, die Ukraine, Russland und China werden als attraktive Zukunftsmärkte für die Grubengasnutzung gehandelt. Aufgrund der geologischen Voraussetzungen fällt dort besonders viel Methangas an, wird aber bisher gar nicht oder nur in Ansätzen genutzt.
Der Bergbau gehört in Deutschland und weltweit zu den großen Emittenten von Methan. Mit 1,22 Mio. t trug er 1990 zum bundesweiten Methanausstoß bei. 2005 werden es aber „nur“ noch 0,54 Mio. t sein, so das Umweltbundesamt. Zum Vergleich: 1990 stammten aus Abfalldeponien 1,89 Mio. t (2005: 0,46 Mio. t). Hauptverursacher ist die landwirtschaftliche Tierhaltung (1990: 1,90 Mio. t 2005: 1,53 Mio. t). Global gesehen stammen die größten Methanmengen aus der Natur: nämlich aus natürlichen Feuchtgebieten und Tierexkrementen.
Trotzdem entlastet die Grubengasnutzung die Umwelt, auch schon durch relativ kleine Pilotanlagen wie in Herne über der ehemaligen Zeche Mont-Cenis. „Bereits nach einer Stunde Betrieb der Anlage werden so viel Treibhaus-Emissionen vermieden, wie bei einer Autofahrt rund um die Erde entstehen“, rechnet Bernd Willenbrink von „Umsicht“ vor.ze/wip

 

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Ein Beitrag von:

  • Wilma Preiss

    Redakteurin VDI nachrichten. Fachthemen: Hoch- und Tiefbau, Bautechnik.

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