Das „Heimkraftwerk“ im Karton verpackt
Die Entwicklung von Brennstoffzellenheizgeräten ist nicht mehr aufzuhalten. Wurden vor zwei Jahren die Pioniere auf diesem Gebiet noch belächelt, so findet die Technik, die in Kürze nicht nur die klassische Heizung ersetzen, sondern auch die Stromversorgung revolutionieren kann, jetzt immer mehr Beachtung.
Das „Heimkraftwerk“ im Einkaufswagen – die neue Imagewerbung von RWE zeigt eine Vision, die in absehbarer Zeit Wirklichkeit werden kann. Die Brennstoffzelle, im kompakten Karton verpackt, wird aus dem Einkaufszentrum mit nach Hause genommen, wo sie als Ersatz für die klassische Heizung Strom und Wärme liefert. Dass gerade ein großer Energieversorger wie RWE, ein Multi-Utility, das Thema Brennstoffzellenheizgeräte (BZH) in seiner Werbekampagne aufgreift, beweist die zunehmende Bedeutung dieser Technik. Und es unterstreicht die Öffnung des Marktsegmentes Heiztechnik für die Energieversorger. In drei bis fünf Jahren könnte das „Heimkraftwerks“ marktreif sein.
„Die dezentrale Energieversorgung von Ein- und Mehrfamilienhäusern steht vor einer Revolution: Stationäre Brennstoffzellenanlagen mit einer Leistung bis zu 50 kW werden schon in wenigen Jahren die etablierten Heizungssysteme verdrängen“, heißt es z.B. bei Heingas Hamburger Gaswerke. Dies wurde in der Heizungsbranche lange ignoriert. Als erster Heiztechnikhersteller trat Vaillant vor zwei Jahren mit Plänen für ein BZH an die Öffentlichkeit – von harter Kritik und Häme begleitet. Angesichts einer anhaltend rückläufigen Nachfrage und Überkapazitäten steht die Branche in Deutschland unter einem immensen Wettbewerbsdruck. „Wir wissen alle, dass derzeit entschieden wird, wer in Zukunft im Markt bleibt und wer nicht“, urteilt Vaillant-Geschäftsführer Dr. Michel Brosset. Die Zukunft gehöre den Unternehmen, die in der Lage sind, attraktive und intelligente Systeme anzubieten. Sichtlich stolz präsentierte Manager Joachim Berg Ende März auf der Branchenmesse ISH in Frankfurt/M. denn auch ein BZH, das störungsfrei Strom und Wärme produzierte. Das Vaillant-BZH ist mit einer Leistung von 4,6 kWel und 7 kWth (plus Zusatzheizgerät mit z.B. 28 kW) für die Energieversorgung in Mehrfamilienhäusern oder im Kleingewerbe gedacht. Das vergangene Jahr war laut Berg geprägt von der Erprobung und Integration der einzelnen Systeme. Jetzt werden erste Feldtests vorbereitet. In 2002 sollen dann 50 dezentral installierte BZH – verbunden mit einer zentralen Leitwarte – wie ein kleines „virtuelles“ Kraftwerk betrieben werden. Unterstützung findet Vaillant bei Energieriesen wie RWE, E.on, Ruhrgas oder Gasunie (NL). Geht alles nach Plan, ist für 2003 eine Pilotserie mit 400 Geräten vorgesehen, die breite Markteinführung ab 2004.
Für Überraschung sorgte im Frühjahr Uwe Lüders, Chef von Buderus Heiztechnik, als er eine Kooperation mit International Fuel Cells (IFC) bekannt gab. IFC – eine Tochter von United Technologies – gilt als Weltmarktführer bei größeren Brennstoffzellen. Derzeit entwickle IFC ein Brennstoffzellensystem mit einer elektrischen Leistung von 3 kW bis 5 kW, berichtete Lüders. Während sich Bosch und Viessmann über Forschungsprojekte des Wirtschaftsministeriums dem Thema „Brennstoffzelle“ nähern, geht mit Buderus – wohl nach intensiver Prüfung – jetzt der zweite Heizungsbauer das BZH als technologisch wichtiges Produkt an.
Längst ist der Markt um die Heizungsbranche herum in Bewegung geraten. So plant ABB in Allianz mit DuPont den Einsatz einer Demonstrationsanlage mit rund 5 kW Leistung auf PEM-Basis noch für diesen Sommer. Auch Siemens, eigentlich auf den Leistungsbereich 250 kW bis 10 MW konzentriert, will bis 2003 eine 5-kW-Anlage entwickeln. Die Heingas-Tochter HGC Hamburg Gas Consult hat im Laufe der letzten drei Jahre bereits neun Funktionstestanlagen (Alpha-Units) mit je 3 kWel und 8 kWth auf PEM-Basis gefertigt und bei Energieversorgern wie E.on, Wingas, Essent Energie (NL) oder EdF (F) realen Betriebsbedingungen ausgesetzt. „Nur durch das Engagement der Partner aus der Energiewirtschaft, mit denen diese Anlagen erprobt wurden, ist es gelungen, das Interesse der Genehmigungsbehörden und Verbände auf die Brennstoffzelle als Ersatz für die Kesselanlage zu lenken“, so Marketing-Leiter Guido Gummert. Beim DVGW sei ein Arbeitskreis gegründet worden, der im September 2000 mit der VP 119 die weltweit erste technische BZH-Regelung erlassen hat. Damit verfügten die Deutschen auch innerhalb der EU über die Führung beim Umgang mit der Brennstoffzellentechnik.
Für die weitere Entwicklung, Fertigung und Vermarktung des BZH hat HGC die European Fuel Cell (EFC) gegründet. Sie präsentierte auf der Hannover Messe die erste Feldtestanlage (Beta-Zero), mit 1,5 kWel und 8 kWth für den Betrieb im Einfamilienhaus entwickelt. Die Anlagensteuerung ist laut Gummert bereits so konstruiert, dass auch der Einsatz in einem virtuellen Kraftwerksverbund möglich ist. Etwa 100 Feldtestanlagen sollen ab Mitte 2002 an Kunden ausgeliefert werden. Die Installation führt bereits der Fachhandwerker vor Ort durch. Serienfertigung ist für Anfang 2004 geplant.
Auf bereits zehn Jahre Erfahrung blickt die Schweizer Sulzer Hexis zurück. Seit 1997 sind Pilotanlagen der zweiten Generation im Test. Partner sind u.a. EWE, Thyssengas und Tokyo Gas (J). Sulzer Hexis setzt auf einen selbstentwickelten SOFC-Typ, mit 1 kWel und 3 kWth auf Erdgas-Betrieb ausgelegt. „Wir haben jetzt in Feldtests schon über 75 000 Betriebsstunden erreicht“, berichtet Marketingleiter Dr. Harald Raak. Noch in diesem Herbst soll eine Vorserie von rund 600 BZH in Deutschland auf den Markt kommen. Dazu wurden erste Vertriebsvereinbarungen mit EWE und EnBW unterzeichnet, die zusammen rund 200 Anlagen bei ausgewählten Kunden installieren wollen. „Das Brennstoffzellensystem wird während der Markteinführungsphase dem Endkunden durch das Energieversorgungsunternehmen im Energie-Contracting zur Verfügung gestellt“, erläutert Raak. Parallel dazu erfolgt der Aufbau der Serienfertigung. Ab 2005 soll auch der amerikanische Markt erschlossen werden.
ROBERT DONNERBAUER
Frost & Sullivan optimistisch bei Mini-Blockheizkraftwerken
„Durchbruch in wenigen Jahren“Die Unternehmensberatung Frost & Sullivan erwartet in den kommenden Jahren einen Durchbruch für Kleinst-Blockheizkraftwerke (Mini-BHKW) bis 10 kWel. Die kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme werde sich in den Jahren 2005 bis 2007 als Alternative zu Brennwert-Heizkesseln durchsetzen und zu einem Massenmarkt entwickeln. Zu den Mini-BHKW zählen sowohl Verbrennungskraftmaschinen als auch Brennstoffzellen oder Stirlingmotoren. Insgesamt sollen davon europaweit in den nächsten zehn Jahren Anlagen mit einer Gesamtleistung von 3,5 GW installiert werden. Dabei soll der Umsatz von knapp 20 Mio. US-Dollar (weniger als 2000 Anlagen) im Jahr 2000 auf über 2 Mrd. US-Dollar (ca. 500 000 Anlagen) in 2010 ansteigen. Brennstoffzellen werden nach Einschätzung des Analysten Klaus Huhn in fünf Jahren marktreif sein. In 2010 erreichten Brennstoffzellen-Systeme mit über 305 000 Stück einen Anteil von 62 % an den verkauften Mini-BHKW (was rund 68 % des Umsatz ausmachen soll). RoDo
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