Dänen mit Routine beim Offshore-Bau
Der zweitgrößte Offshore- Windpark der Welt geht in diesem Herbst ans Netz. 110 000 Einfamilienhäuser sollen vom Meer aus mit Strom versorgt werden. Der Aufbau des Parks ist in Dänemark fast Routine, für deutsche Projekte könnte er Vorbild sein.
Auf dem Fundament von C7 steht noch das blaue Klo für die Monteure neben dem Stahlmast. „Das ist die erste Mühle, die wir aufgestellt haben“, ruft Per Hjelmstedt. Die „William Jørgensen“ hat die Nase aus dem Wind gedreht, der Rumpf der kleinen Fähre schlägt nicht mehr auf die gegenläufige See. Das Schiff rollt jetzt bedenklich von einer Seite auf die andere.
Per Hjelmstedt ist Projektleiter beim dänischen Energieversorger Energi E2 A/S und als solcher zuständig für Nysted Havmøllepark: den künftig mit 158,4 MW installierter Leistung zweitgrößten Offshore-Windpark der Welt.
Wenn bei seiner Baustelle im 10 m tiefen Wasser alles gut geht, dann können auch die deutschen Planer ihre Windparks in 30 m bis 50 m Wassertiefe in Angriff nehmen: „Der Schritt von Onshore nach Offshore ist viel größer, als jetzt noch mal in 10 m tieferes Wasser zu gehen“, sagt Heiko Wuttke, Offshore-Beauftragter der AN Windenergie GmbH, deren dänische Partnerfirma Bonus A/S hier die Windräder lieferte.
Hjelmstedt hat sich in ein graues Fließ gehüllt und ein altes schwarzes Fernglas um den Hals gehängt. „Hier gibt es immer was zu sehen“, sagt er und meint nicht die 32 Windtürme, nicht die Kran- oder Cateringschiffe für die Monteure, nicht die „Ocean Hanne“, das Schiff mit den vier Füßen, das beladen mit Stahltürmen und vormontierten Rotoren hier immer wieder rausfuhr, um die Masten hochzuziehen.
Die Bauarbeiten auf dem Meer, die Techniker in ganz Europa mit Spannung verfolgen, sind für den Projektleiter Routine. Hjelmstedt meint den Seeadler. Ob der große Vogel sich sehen lässt, ist für ihn inzwischen die spannendste Frage.
72 Fundamente hat Energi E2 in den letzten Monaten bereits im Meer versenkt: acht Reihen mit jeweils neun Betonkörpern, die aussehen wie Eiswaffeln auf einem wabenförmigen Christbaumständer. Ende Juli wurden die letzten Köpfe mit Windrädern vom Typ Bonus 2,3 MW bestückt. Viele von ihnen produzieren schon Strom – zunächst im Testbetrieb, der kommerzielle Start des riesigen Offshore-Parks ist für Oktober vorgesehen. Das Wassergrundstück im Meer, 10 km südlich der dänischen Insel Lolland, ist gerade 6 km mal 4 km groß. „Aber der Untergrund ist von Windmühle zu Windmühle sehr verschieden“, sagt Peder Riis Nickelsen, Projektleiter bei Bonus Energy A/S und zuständig für den Aufbau der Windräder. Manchmal sei der Boden sehr weich, dann steckten wieder Felsbrocken im Matsch.
Darum hat man als Gründung für die Bonus-Anlagen keine Monopiles genommen, wie man sie bei dem ersten dänischen Offshore-Park Horns Rev mit der Dampframme in den Boden gehauen hat. Statt dessen mussten die Ingenieure jeden einzelnen Untergrund im Detail vermessen, eine gut 40 cm tiefe Schicht ausheben, dort hinein Schotter schütten. Erst auf dieser Schicht setzen sie die Fundamente ab: den 1300 Tonnen schweren Klotz aus armiertem Beton mit einem Fuß, der noch einmal 500 Tonnen Gestein als Ballast aufgenommen hat. Nicht alles ist beim Aufbau des Parks gut gegangen: Bei Fundament D5 etwa passen die in den Beton eingelassenen Bolzen nicht zum Durchmesser des Turmfußes. Und ein Baggerschiff hat mit dem Anker das Stromkabel in einer der Windmühlenreihen zerrissen. Aber sonst scheint der ganze Aufbau des Windparks viel leichter von der Hand zu gehen als gedacht.
Probleme beim Hantieren mit den 1300 Tonnen schweren Fundamenten? Keine große Aufgabe für Spezialschiffe, die sonst im Öl- und Gasgeschäft unterwegs sind. Das Aufstellen der Türme? Auch da hat die dänische Windbranche von dem Nordseeprojekt Horns Rev dazugelernt, wo sich inzwischen 80 von Vestas gebaute 2-MW-Turbinen vor der Küste drehen.
Sicher: Die Monteure hatten Glück mit dem Wetter. Aber vor allem haben sie die Erfahrung von Horns Rev. Für Nickelsen heißt das: „Man muss so viel wie möglich onshore machen.“ Jede Arbeit auf hoher See koste bis zum Hundertfachen dessen, was man an Land dafür zahlen müsste.
Darum ist die spannendste Baustelle von Bonus nicht auf einer der 72 Plattformen in der Ostsee zu finden. Sondern in dem kleinen Örtchen Nyborg, 100 km und ein paar dänische Inseln nordwestlich von dem Windpark. Nyborg liegt gleich an der Brücke, die über den Großen Belt führt, und hat direkten Zugang zu dieser Wasserstraße.
Hier standen noch vor kurzem die in zwei Teile zerlegten Türme parat, die Bonus-Gondeln lagen wie überdimensionierte Konservendosen an der Wasserkante und die Naben lagen vormontiert mit allen drei Rotorblättern in Zweierpacks übereinandergestapelt.
„Wir haben so viel vom elektrischen Innenleben der Anlagen eingerichtet wie möglich“, sagt dort der Technische Manager Søren Pedersen. Die Verkabelung und die Steuereinheiten waren angeschraubt, auf See mussten nur noch die Kabel zwischen den Modulen zusammengestöpselt werden. Ein gemieteter Raupenkran stellte Turmelemente und Gondeln auf die „Ocean Hanne“ und stapelte auf dem Heck des Schiffes vier Rotorsätze übereinander, so dass die roten Spitzen der Blätter 20 m weit über Bord ragten. Am Ende hat man blau-weiße Reflektoren angebracht, damit sich nachts nicht Segelboote in den langen Auslegern verfangen.
12 bis 14 Stunden hatte Bonus ursprünglich für die Verladung in Nyborg kalkuliert zwölf Stunden ist das Boot von Nyborg aus zum Windpark unterwegs. Zwei Tage dauert der Aufbau auf See, so dass für einen Zyklus Hafen-Aufbau-Hafen für vier Mühlen 3,5 Tage zusammenkamen. Und Offshore? Dort glänzten die Monteure mit Rekordzeiten: In 5 Stunden und 50 Minuten – und damit schneller als auf dem Land – schaffte es eine Crew von sechs Leuten eine Turbine einzurichten.
Das alles ist das Ergebnis einer ausgefeilten Planung. In Nyborg wurden die Turbinen verladen, in Nysted, entlang der kürzesten Strecke an Land, kamen die Stromkabel an, und etwas weiter östlich in dem kleinen „Fiskerihavn“ von Gedser ist das Hirn der ganzen Planung untergebracht: eine Baubudensiedlung in Fußnähe zum Hafen.
Gleich im Eingang steht die große Status-Tafel: ein Plan des Parks, vollgehängt mit einem Zoo von Symbolen. Die zeigen, wie weit die Mannschaften auf den 72 Baustellen sind. Fundamente gesetzt, Kabel gezogen, Türme aufgestellt, Elektronik angeschlossen. Der ganze Weg von einer leeren Stelle auf der Seekarte zum 2,3-MW-Kleinkraftwerk. „Zu Spitzenzeiten waren 400 Mann und 25 Boote draußen“, sagt Fleming Faerge von Esbjerk Safety Consult A/S. Alles in allem haben 700 Menschen mit dem Aufbau zu tun.
Im Prinzip sind die Schritte beim Aufbau der Windmühlen dieselben wie am Land. Doch hier muss man jede Bewegung, jeden Schraubenschlüssel und selbst den Gang zu den blauen Klos genau bedenken.
Der Aufbau, betonen die dänischen Firmen, sei auch kein Problem bei den sehr viel größeren 5-MW-Anlagen, die in Deutschland geplant werden. Bei A2Sea A/S liegen nach dem Vorbild der „Ocean Hanne“ die Umbaupläne für ein Boot mit sechs statt vier Füßen in der Schublade, die sich laut Geschäftsführer Kurt E. Thomsen binnen sechs Monaten umsetzen lassen.
Das würde das Risiko von Offshore-Windparks deutlich senken und freut so auch Banken und Versicherungen. „Mit den Erfahrungen hier können wir jetzt auch Bedingungen für die deutschen Projekte definieren“, glaubt Thomas Haukje vom Versicherungsmakler Marsh GmbH. Durch die kurzen Aufbauzeiten für die Mühlen sei man nicht mehr auf zu lange Schön-Wetter-Phasen angewiesen und Reparaturgarantien minderten Ausfallzeiten. Eine Versicherung – so schätzt er – wäre im Moment für etwa 1 % der Investitionskosten zu haben.
Die Risiken haben sich verlagert: „Das da ist jetzt das größte Problem“, sagt er und streckt den Arm gegen das 670 Tonnen schwere Umspannwerk aus. „Wenn das kaputt geht, dann liegt der ganze Park für Monate still.“
Doch das wird sich erst über die Jahre zeigen. Wenn der Aufbau des Windparks schon mit so einer gelassenen Alltäglichkeit vonstatten geht, bleibt damit wenigstens noch Spannung für den Betrieb. Spätestens im Herbst sollen alle 72 Windmühlen am Netz sein. Per Hjelmstedt von Energi E2 ist zuversichtlich. Die schwierigste Aufbauphase hat sein Park nun hinter sich und Hjelmstedt kann sich in Ruhe auf den Adler konzentrieren. Vielleicht lässt er sich bei der nächsten Ausfahrt blicken.
MARCUS FRANKEN
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