Brennstoffzellenauf dem Sprung in die Anwendung
Vom Taschenformat bis zum 250-kW-Kraftwerk reicht das Spektrum der Brennstoffzellen. Die Energielieferanten stehen jetzt an der Schwelle kommerzieller Anwendungen.
Die Brennstoffzellen sind den Kinderschuhen entwachsen und nähern sich ihrer konkreten kommerziellen Anwendung“, zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung Frost & Sullivan in Frankfurt/M. Dafür sprechen auch die Marktprognosen für stationäre Systeme, die demnach von 1,3 Mrd. Euro in 2005 auf 8,5 Mrd. Euro in 2010 weltweit zulegen.
In der Tat wird das Anwendungsspektrum der elektrochemischen Strom- und Wärmegewinnung immer breiter. Auf der diesjährigen Hannover Messe verblüfften Wissenschaftler der Fraunhofer-Gesellschaft die Öffentlichkeit mit ihrer Initiative „Mikro-Brennstoffzellen“, die an innovativen Konzepten für portable Elektronikgeräte arbeitet. Kaum größer als eine Streichholzschachtel, präsentierten sie die Energiequelle für einen Camcorder, die aus 16 aufeinander gestapelten Bipolar-Platten besteht und eine Leistung von 10 W bei 8 V Spannung liefert. Der „Saft“ kommt aus einem Metallhydridspeicher für Wasserstoff, der einfach ausgetauscht werden kann. „Unser Exponat ist eine Premiere, denn zum ersten Mal gibt es ein voll funktionstüchtiges und gehäuseintegriertes Brennstoffzellensystem“, freut sich Dr. Christopher Hebling vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), Freiburg.
Laptops und Notebooks, Funk- und schnurlose Telefone, Fernseher und Videokameras – der Boom für tragbare Technik hält an. Experten erwarten, dass heute bereits jedes zweite gekaufte Gerät „mobil“ ist. Nach über 4 Mrd. Einheiten in diesem Jahr sollen 2006 schon mehr als 6.5 Mrd. Geräte über die Ladentheken gehen. Das momentane Marktvolumen für aufladbare Batterien beträgt 6 Mrd. Dollar, hier könnte die Brennstoffzelle im Taschenformat erfolgreich konkurrieren, weil die Betriebsdauer deutlich länger ist.
Geeignet aufgrund ihrer niedrigen Betriebstemperaturen (50 bis 120 °C) sind dafür Membran- und Direkt-Methanol-Brennstoffzellen (PEMFC bzw. DMFC). Auch bei der DMFC besteht der Elektrolyt aus einer Kunststoffmembran, Brennstoff ist flüssiges Methanol. Zurzeit befindet sich dieser Typ noch im Laborstadium, der Wirkungsgrad liegt noch unter den 40 % der PEMFC.
Der Markt für Kleinanwendungen zeigt eine hohe Dynamik, zahlreiche Firmenausgründungen in den USA und Deutschland arbeiten an der Umsetzung in kaufbare Produkte. Das ISE gehört dabei zu den ersten Adressen, auch international, und hat für die Laptop-Brennstoffzelle bereits einen weltweit namhaften Partner gefunden. „Derzeit ist die weitere Miniaturisierung eindeutig ein Thema, zudem beschäftigen wir uns mit Hybridlösungen aus Brennstoffzelle und Akku, weil das z. B. für UMTS-Handys die beste Energieversorgung sein könnte“, erklärt Ulf Groos, Marketingleiter der Mikroenergietechnik innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft.
Ein großes Einsatzgebiet für Brennstoffzellen ist auch die Bereitstellung von Elektrizität und Wärme in Kraftwerken, Industrie, in Wohn- und Gewerbesiedlungen sowie in einzelnen Haushalten. So entfallen in Deutschland 65 % der privat verbrauchten Endenergie auf Strom, Raum- und Wassererwärmung. Heizungsbauer wie Vaillant oder Buderus arbeiten bereits an eigenen Systemen.
Vaillant erwartet langfristig in Europa einen jährlichen Absatz von etwa 250 000 Brennstoffzellen-Anlagen mit einer Leistung unter 10 kW. Die Remscheider können mit ihrem Partner Plug Power (Latham, N.Y./USA) bereits 180 000 Stunden Betriebserfahrung mit der Polymerelektrolyt-Membran-Brennstoffzelle (PEMFC) vorweisen. Die Entwicklung kommt gut voran, erste Tests in Gebäuden beginnen noch in diesem Jahr. Anschließend sollen, von der EU gefördert, über 50 Anlagen erstmalig über eine gemeinsame Leitwarte zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschlossen werden. „Seit Mai 2000 haben wir große Fortschritte gemacht, Volumen und Gewicht der Einheit konnten halbiert werden“, erläutert Kai Klinder, Produktmanager bei Vaillant, wo man die Serienfertigung für 2004 plant.
Für größeren Strom- und Wärmebedarf sind vor allem Hochtemperaturbrennstoffzellen geeignet, die u. a. von der MTU (Molten Carbonate Fuel Cell, MCFC) und Siemens Westinghouse (Solid Oxide Fuel Cell, SOFC) entwickelt werden. Dank der hohen Betriebstemperaturen können diese Typen auf komplizierte Reformer- und Katalysatorentechnik verzichten und erreichen die besten Wirkungsgrade (65 % bzw. 70 %). In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts will Siemens Anlagen für drei Leistungsklassen zu marktfähigen Preisen anbieten. Als Blockheizkraftwerke sind SOFC der 250-kW-Klasse geplant. Danach sind Hybridsysteme mit nachgeschalteter Mikrogasturbine der Größen 300 kW und 1 MW vorgesehen, bei denen die Turbine zunächst zusätzlichen Strom erzeugt, ihre heißen Abgase lassen sich zudem zu Heizzwecken nutzen.
Vom Erfolg der Brennstoffzelle in den verschiedensten Anwendungen sind inzwischen immer mehr Fachleute überzeugt: „Sie ist eine echte technische Revolution, der Mikrochip der Energietechnik“, urteilt Dr. Rolf A. Hanssen, Vorsitzender der Geschäftsführung der MTU in Friedrichshafen. KLAUS JOPP
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